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Freitag, 31. Januar 2014

Anfang vom Ende?

Beginnt er schon, der große Katzenjammer über das Internet? Einer der zahlreichen selbsternannten "Internet-Experten" meint das. (Wie wenig sie es je waren, weil sie die Trunkenheit durch Technik mit Kompetenz verwechselt haben, wobei auch das eine Zeitkrankheit ist, zeigt sich ja nun.) Sascha Lobo nennt er sich, und wird in den meisten Medien mit seinem Lamento zitiert, daß er zu naiv gewesen sei in der Betrachtung der Chancen des Internet. Tatsache sei nun, daß es sich als perfektes Instrument der Überwachung herausstelle, das alle Ideen (welche, übrigens?) von Demokratie und Meinungsaustausch untergrabe, und die Menschen anfälliger für Manipulation statt stärker mache. Die NSA habe ihre Ideen der Weltverbesserung einfach schneller und besser umgesetzt, als es jede freie Netzgemeinde vermochte. (Lesen sie in der FAZ den ganzen Sermon von Lobo.)

Der Fall liegt aber viel einfacher: Unreflektierte Ziele und Ideen könne gar nie wirklich werden. Und sie scheitern in Wahrheit nicht an dem, was sie vorgeben, sondern an ganz anderen Kräften. Lobo hat sich nicht getäuscht, weil die Überwachung alles zunichte macht, sondern er hat keine Ahnung, was das Internet überhaupt ist. Was er von ihm von Anfang an erwartet hat war purer Schwachsinn. Dort lag und liegt seine Naivität, die in Wahrheit die Dummheit des Narzißmus ist. Lobo "hat" sich nicht geirrt, er irrt nach wie vor, er und seine ganze Masche ist selbst ein Irrtum, den der Irrtum Internet erst möglich gemacht hat. Das nun so endgültig nicht mehr in die heile Welt paßt, die er sich gedankenlos zusammengeschustert hat. Lobo ist nicht ein Opfer der NSA, sondern eines des Internetwahns, den so viele mit positiv besetzten "Werten" behängen, um seine wahre Natur zu verschleiern. Es reichte nicht einmal für eine Utopie.

Natürlich war rein praktisch zu erwarten, daß die Einsicht an den Phänomenen aufbricht, sobald diese gewisse Grenzüberschreitungen begeht. Das Bekanntwerden der schon lange etablierten Maßnahmen der Geheimdienste, übers Netz die Bevölkerungen zu kontrollieren, hat im Vorjahr eine Schockwelle ausgelöst. Neu oder unvorhersehbar war daran nichts, und wer noch seine letzen sieben Zwetschken an Verstand beisammen hatte, wußte das von Anfang an. Es ist dieselbe Kategorie wie der alte und sehr dumme Spruch, daß der Marxismus theoretisch gut, nur an seiner Verwirklichung gescheitert sei. Genauso wenig hat die Überwachung die Idee der Internetdemokratie und brüderlich im Netz verbundenen Weltgemeinschaft zerstört.

Die Idee selbst war falsch und unsinnig. Deshalb bräuchte man sich auch vor dieser Überwachung nicht fürchten, gäbe es nicht andere Aspekte, die sie bedrohlich machen. Und die eigentlich erst bedrohlich werden, wenn man das Internet so sieht, es mit solcher Wichtigkeit versieht, ihm solche Aufgabe zuschreibt, wie es Sascha Lobo tat und nach wie vor tut.

Aber das sieht er nicht. An Geistern, die das sahen und sehen, gab und gibt es ohnehin viel zu wenige, und sie hatten auch keinen Einfluß. Wie eine Lawine rauscht die Internethysterie über unsere Gesellschaften. Nicht als Schicksal oder gar als unausweichlicher Weg der Menschheit, sondern als selbst gewähltes Verhängnis der Entwirklichung, als Bewußtseinszustand also, einem Drogenrausch vergleichbar, der alle befallen hat.

Lobos Kritik zeigt ja gleichfalls, daß er nach wie vor naiv ist, und die Wirklichkeit des Internet nicht begreift. Doch diese Wirklichkeit äußert sich eben auch auf anderen Ebenen, auf selbst den Geistlosen greifbareren Ebenen, die sich selbst sogar innerhalb von Kategorien und Ahnungslosigkeiten bewegen. "Überwachung" war greifbar, war anschaulich. Daß sie innerhalb derselben Logik lag und liegt, die Lobos Begeisterung dereinst befeuerte, überfordert einfach auch ihn. Deshalb hat er es nicht gesehen.

Und wie zuvor die Hysterie ums Internet seine Verbreitung irrational beschleunigte, indem sie es zum Mythos aufblähte, der alles vorantrieb, genau dieselbe Irrationalität bestimmt also nun die Debatte um seinen Schrecken. Und äußert sich als Trauer um eine verlorene Chance - die es überhaupt nie gab. Nicht aus technischen Gründen, sondern aus der Natur des Internet heraus. Aus allen Ecken hört man deshalb die bekannte Klageform der Utopisten und Wirklichkeitsfremden - "man müßte nur", "man hätte nur müssen".

Das Internet war und ist keine Notwendigkeit des Jahrhunderts, sondern eine bewußte Entscheidung zum Umbau der Lebensvorgänge unter gewissen Blickwinkeln (die auch ein Lobo nie oder falsch sah), den man sich leisten wollte. Weil er nämlich, weil technisch gelagert, sehr teuer ist. Der seine Vorteile nur dann hat, wenn man überhaupt vergißt, was Leben und Menschsein bedeutet und dieses selbst umbauen möchte. Gerade der Begriff der "Effizienz" (den man aufs Minimalprinzip der Natur noch zurückführen könnte) wird schlicht umgedeutet zu einer Maschinerie, die sich selbst jenen Bedarf schafft, dessen Lösung sie vorgibt, sodaß der auftretende Mangel nur auf einem Wege lösbar scheint, der ihn überhaupt erst geschaffen hat und weiter schafft. 

Womit die Kosten - als Parameter des Energieeinsatzes - einfach umlagert und so verschleiert werden, daß sie gesamtvolkswirtschaftlich und gesamtmenschlich gesehen immer weiter steigen. Den Druck auf jene erhöhen, denen stattdessen versprochen wird, und die es auch selber glauben wollen, daß er eines Tages völlig weicht. 

Aber was sind Kosten, in einem Zeitalter, das tatsächlich meint, Geld wäre nur eine Größe des Bildschirms, die man auch beliebig manipulieren oder (bei Schulden) auch löschen könne. So, wie es eben die bloße Bedientechnik vorgaukelt. So, wie es eben der zur Sozialtechnik der Wirklichkeitsausschließung umgebaute Staat vorgaukelt und bereits eine ganze Generation geprägt hat, die sich ihre angenehme Welt herbeizappt. Die Wirklichkeitsrelevanz der Internetdaten, die Verhängung von Zeichen und Symbolen mit realem Leben aber ist eine Dimension, die gar nie gesehen wurde.

Es ist in dem Fall also eine Ausnahme, ein Zufall, wenn der Katzenjammer an der Stelle entsteht, wo auch seine Ursache liegt. Wenn er auch nicht begreift, warum er in Wahrheit recht hat.




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