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Samstag, 11. Januar 2014

Was wirklich ist

Man muß (und darf) nicht in allem zustimmen, was Philipp Blom als die Genese des Ersten Weltkriegs sieht, indem er die Zeit vor 1914 als kulturelles Fazit charakterisiert. Aber die Art, Geschichte verstehen zu wollen, setzt richtig an. Und im Gegensatz zu so vielen Dokumentationen, die vorgeben "neutral" zu bewerten, dabei aber nur auf oft genug dümmliche Weise verschleiern wollen, woher Muttern ihre Milch macht, macht Blom keinen Hehl daraus, daß Geschichte nur von ihrer wirklichen Wirklichkeit her verstehbar wird.

Daß also alle Frage um die Wahrheit der Gegenwart, die nur aus der Geschichte her verständlich ist, aus dem Begreifen der Phänomene, der Gestalten der Vergangenheit möglich ist. DAS macht diese Universum-History-Dokumenation "Der taumelnde Kontinent" sehenswert, die in der ORF-TVthek nachgesehen werden kann. Denn erst auf dieser Ebene kann man über Wahrheit oder Unwahrheit in der Geschichte diskutieren. Und da gäbe es zu dieser Sendung genug zu sagen, denn letztlich fehlen den Interpretatoren, fehlt Blom der weitere Horizont. Gerade in gegenwärtig neurotisierten Fragen, wie jener der Frauen und ihrer Rolle, ist das erkennbar. Aber sein Buch (gleichen Titels wie der Film) ist lesenswert, knüpft sogar auf eine Weise an Interpretationen etwa von Modris Eksteins an, die an Plagiat anmuten. Und Blom fehlt der wirkliche ontologische Horizont. 

Leider. Sein Buch hat seinen Wert also zuerst aus dem Modus des Aufbegehrens des Jugendlichen, der einfach mit dem Gegebenen nicht einverstanden ist, dagegen opponiert. Aber Blom bricht nicht wirklich neue Bahnen auf.

Er weiß nämlich nicht, daß eine Zeit aus der Gesteinsbildung ihrer geistigen Bewegungen auch "Strömungen" der Sichtweisen, nicht zuletzt als Formen der Sprechweisen hervorruft, die etwas wie una voce evozieren. Denn alles, was "eine Zeit" tut oder denkt ist Aussage, es ist nur eine Frage, welche Aussage es denn nun ist. Und damit sind wir bei zutiefst ontologischen, metaphysischen Fragen. Das macht die Blom'sche Interpretation oft hinterfragenswert. Wenngleich wahr bleibt, daß Geschichte zu interpretieren ist. Nicht weniger als die Gegenwart, zu der uns aber jede Distanz - Zeichen der fehlenden Interessehaftigkeit allen Forschens, das heißt: daß das Forschungsergebnis figurales Gewicht in der Gegenwart hat - fehlt, weshalb sich aus der Gegenwart heraus, in die wir alle involviert sind, geschichtlich absolute Bedeutung praktisch NIE erkennen läßt. Der Gegenwartsmensch kann das, worin er involviert ist, nie in seiner Gültigkeit über die Zeit hinaus erkennen, sobald er figural eingebunden ist. Und sei es, daß er akademische Anerkennung möchte.

Jeder Mensch, wer immer er sei, was immer er tut, ist aber mit derselben Grundfrage konfrontiert, in der sich je nach persönlichem Sittlichkeitsstatus das tiefste eigentliche Geschehen wiederspiegelt: Wo sich die Abwandlung des Allgemeinen in seinem Persönlichen, in seinem Individuellen, ausdrückt und zeigt. Tiefste Geschichtsinterpretation, die in nucleo alles enthält, ist also immer die Konfrontation mit der Frage nach dem Sein, nach dem was wirklich IST, nach ... Gott.






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