+Fritz Molden, 1924-2014 - Copyright: Die Presse |
90jährig, ist er nun gestorben - Fritz Molden, eine der Legenden, auf denen sich ein Selbstverständnis von Österreich aufgebaut hat und aufbaut, nach dem man nur noch Sehnsucht empfinden kann. Weil sie das Bild einer Anständigkeit, mutigen Geradlinigkeit, Handlungsfähigkeit und Vernünftigkeit, aber sogar eines Heimat- und Familiengeists bieten, wie es schier nur noch Vergangenheit sein kann. Ohne in allem seiner Auffassungen (gewesen) sein zu müssen.
Der Verfasser erlaubt sich, den Nachruf der Presse hier abzubilden, fürs Archiv. Aber Molden gehört auf diese Seiten. Er soll darüber hinaus nicht-österreichischen Lesern dieses Blog zeigen, auf welche Männer dieses Land vielfach aufgebaut war. Sein Leben widerlegt so viele Dummheiten, die über dieses Österreich heute verbreitet werden und seine Idee zur Unkenntlichkeit verunzieren. Von Leuten, die meist nicht einen Funken von jenem Mut, jenem Anstand und auch jenem Geist haben, den Molden verkörperte. R. i. p.
(aus: Die Presse, 11. Jänner 2014) Wie die Charaktereigenschaft eines Mannes beschreiben, der so viele
Leben besaß? Wie den Widerständler gegen Hitler und späteren
Südtirol-Aktivisten, wie den Zeitungserben, Druckerei-Tycoon und
Waldheim-Verteidiger, den Buchverleger und Großpleitier Fritz Molden
charakterisieren? Ganz leicht: Ein Wort fasst all das pralle Leben
zusammen, das soeben zu Ende gegangen ist: Mut. Der Mann hat sich etwas
getraut. Vieles ist ihm geglückt, manches ist schiefgelaufen, er hat all
das mit der Attitüde des Döblinger [einer der Wiener "Nobelbezirke"; Anm.] Großbürgers ertragen. Mit Ironie,
Schlagfertigkeit und einer Portion Übermut. Fritz Molden verstarb heute
früh im 90. Lebensjahr. Molden war während der Weihnachtsfeiertage
erkrankt und seither im Krankenhaus Schwaz behandelt worden.
Molden hat in vollen Zügen gelebt. Dass dabei „Die Presse“ für ein
Gutteil seines Lebensbogens geliebtes Herzstück und finanzielles
Sorgenkind war, lag am Elternhaus in der Döblinger Osterleitengasse. Er
war zehn, als Nationalsozialisten den „Ständestaatkanzler“ Engelbert
Dollfuß ermordeten. Bruder Otto war schon beim Freikorps, Vater Ernst
stellvertretender „Presse“-Chef. Ein Liberaler, ein Anti-Nazi, ein
Gelehrter, ein Großbürger, verheiratet mit Paula von Preradović, die
später die Strophen der Bundeshymne in der Zweiten Republik schaffen
sollte.
Schon am Tag des Anschlusses, am 13. März 1938, verhaftet
die Gestapo die Brüder Otto und Fritz. Doch das ist ihnen keine Warnung.
Am 7. Oktober jubeln sie dem Wiener Erzbischof Kardinal Theodor
Innitzer zu, der im Dom zu Sankt Stephan erstmals – und in
Großdeutschland einzigartig – lauten Protest von der Kanzel wagt.
Todeszelle, Strafbataillon
Die Hitlerjugend schlägt am nächsten Abend in rasender Wut zurück,
verwüstet das Erzbischöfliche Palais, und Fritz prügelt sich mit den
Nazis. Ein neuerliches Verhör durch die Gestapo ist die Folge, auch
Mutter Paula wird verhaftet. Der Hass des Gymnasiasten auf die braunen
Eindringlinge verleitet ihn zu einem missglückten Fluchtversuch nach
Holland, die Strafe folgt auf dem Fuß: Todeszelle am Morzinplatz [wo das Gestapohaus in Wien, 1. Bezirk, stand; Anm.], dann
die „Begnadigung“, die einem Todesurteil gleicht: Strafbataillon der
Wehrmacht in den Pripjatsümpfen bei Kiew. Molden hat Glück, landet mit
einem Streifschuss in der Etappe. Und retiriert mit einer
Widerstandszelle nach Italien. Ein fliegendes Feldgericht kann ihn nur
noch in Abwesenheit zum Tode verurteilen.
So beginnt Fritz Moldens „zweites Leben“. In der Schweiz nimmt er 1944 Kontakt zu Allen Welsh Dulles auf, der später CIA-Chef und sein künftiger Schwiegervater wird. Zwischen September 1944 und Mai 1945 reist er unter falschem Namen in deutscher Uniform sieben Mal nach Wien und zwölf Mal nach Innsbruck. Einmal erkennt ihn ein Schulfreund auf der Kärntner Straße. Ohne Folgen, wie er Christian Ultsch in seinem letzten Interview 2013 schildert.
Die
Folgen trägt dafür seine Mutter, die Dichterin. Trotz Gestapo-Folter
verrät sie ihre Söhne nicht. „Nach dem Krieg wurde sie operiert, sie
lebte noch bis 1951, immer krank.“
In Innsbruck gesellt sich der
junge Molden zu Karl Gruber und Ludwig Steiner, sie übernehmen dort
Regierungsmacht, dann braucht ihn sein Vater Ernst bei der
Wiedergründung der „Presse“ in Wien. Fritz kann Geld heimbringen: von
der CIA aus Amerika. Mit 34 ist er Wiens Zeitungskönig mit dem Blatt der
Großbürger und dem Boulevardblatt „Express“, dessen Chefredakteur Gerd
Bacher [Redakteur und Chefredakteur zahlr. Publ., später ORF-Generaldirektor; Anm.] heißt. Der markante Neubau an der Heiligenstädter Lände macht ihn
zugleich zum Besitzer von Wiens größter Zeitungsdruckerei.
Bacher ist
auch an seiner Seite, als es in den Fünfzigerjahren gegen die von den
Kommunisten kontrollierten „Weltjugendfestspiele“ in Wien geht. Die
beiden produzieren Sondernummern zur Aufklärung der Österreicher
angesichts des infamen Spiels der Sowjets. Sie haben dabei erste
Kontakte zu dem aufstrebenden Stern der Sozialdemokratie, Bruno Kreisky [ab 1971 langjähr. Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender, Anm.]
Dieser nimmt die zwei Freunde auch nach New York mit, als es darum
geht, die neofaschistischen Unterwanderungsversuche Italiens in Südtirol
vor die Weltöffentlichkeit zu bringen. Von den Gesprächen bei den UN
kann „Die Presse“ als einzige Zeitung authentische Reportagen liefern.
Verkauf des Zeitungsimperiums
Molden und Bacher, Pfaundler und Heuberger: Sie haben zuvor lange
Zeit den Südtiroler Widerstand aktiv unterstützt. „Kreisky und
Landeshauptmann Wallnöfer haben alles gewusst“, erzählte Molden immer
wieder. „Auf einen gesprengten Strommast mehr oder weniger soll's uns
nicht ankommen“, habe der SPÖ-Außenminister im vertrauten Gespräch
gemeint. Als der Volkstumskampf die ersten Todesopfer fordert, ziehen
sich Bacher und Molden zurück.
Mit vierzig Jahren verkauft Molden
sein Imperium: die „Presse“, „Wochenpresse“, Druckerei, das
Verlagshochhaus. Aber die hochfliegenden Träume haben ihn nicht
verlassen. Er gründet seinen Buchverlag, macht Bacher zum
Generalbevollmächtigten und boxt sich zum fünftgrößten Verlag im
deutschsprachigen Raum hinauf. 1982 dann der Absturz, der Konkurs. Alles
ist weg, das Haus in Döbling, der Firmensitz in Grinzing, nur das
Refugium in Alpbach hat er zuvor auf Ehefrau Hanna überschreiben können.
Längst
ist er da zum Zeitzeugen geworden. In den Achtzigerjahren reaktiviert
die Republik nochmals seine Kontakte zu Amerika: Er übernimmt die
Verteidigung des Bundespräsidenten Kurt Waldheim vor der
Weltöffentlichkeit. Und beharrt als ehemaliger Widerständler darauf,
dass Österreich das erste Opfer der Hitler-Barbarei geworden sei. „Da
zeigt sich, wie wichtig Aufklärung in den letzten Jahren gewesen wäre.
Das führt zu völlig falschen Beschuldigungen gegen Österreich“, sagte er
im „Presse“-Gespräch.
Mehr Selbstbewusstsein, das war seine
Forderung: „Vielgeprüft und neu erstanden – ich für meine Person würde
denen, die nach mir kommen und sich als Österreicher fühlen, ein solches
runderneuertes Land als Heimstätte und zum ordentlichen Gebrauch
wünschen.“ So enden seine Memoiren unter dem Titel „Vielgeprüftes
Österreich“.
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