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Dienstag, 1. April 2014

Das kann gar nicht anders sein (2)

Teil 2) Ein Rechtssystem als Schnittmenge subjektiver Rechtsempfinden




Lokales oder nur auf bestimmte Bevölkerungsgruppen bezogenes Recht gab es aber bis in die hohe Zeit der Aufklärung, und der Verfasser dieser Zeilen kann das nur für gut heißen. Jede Region, jede Stadt hatte zuvor ein Recht "nach diesem oder jenem Recht", das es gewählt oder zugewiesen bekommen hatte, etwa bei Stadtgründungen. Gleichzeitig hatte jeder das Recht, nach dem Recht der Bevölkerungsgruppe, der er zugehörte, der er entstammte, abgeurteilt zu werden. Erst allmählich und im Grunde durch einen elementaren Vorgang, der ganz Deutschland umfaßte - die Loslösung der persönlichen Verbindung von Herrschaft und Bevölkerung zugunsten einer territorialen, abstrakten Auffassung - vor allem aber dann in der absolutistischen Zeit, die zugleich die Zeit der Aufklärung war, wurde das Recht auf der Grundlage eines neuen (territorialen) Staatsbegriffs vereinheitlicht und auch der subjektive und regionale Aspekt zurückgedrängt oder abstrahiert. Es kam bis in die Neuzeit vor, daß in manchen Dörfern jedes Haus einem anderen Recht weil einem anderen Rechtsherren unterstand. Und das Recht der Städte bezog sich immer auf die "Bürger", denen es dienen sollte, deren Rechtsempfinden es auffing. Fremde unterstanden nicht diesem Recht. 

Mit den vermehrten Rückgriffen auf das alte Römische Recht aber - im besonderen der Staufer Friedrich II. führte zu seiner Renaissance, denn nur so konnte er sich dem traditionellen und persönlichen Rechtsempfinden, wie es auch die Kirche pflegte, entziehen; von ihm zieht sich über Renaissance, Absolutismus und Zentralstaatswirtschaft über die Reaktion in den bürgerlichen Revolutionen seit dem 18. Jhd. (die ein Kampf der freien mittelständischen Wirtschaft gegen den zu starken Staat waren) ein Strang - hielt dieser abstrakte Rechtsgedanke Einzug. Das Recht wurde damit prinzipieller, und damit allgemeiner anwendbar. 

Um gleichzeitig erneut in Gott zu gründen: Im Kaiser als Quelle des positiven Rechts. (Man verzeihe die Vereinfachungen.) Mit den Städten, mit dem Handel, mit dem Geld, das den traditionellen, freien Adel austrocknete, sodaß er durch Kaisergünstlinge als neue Elite ersetzt werden konnte, holte sich der Kaiser die Macht wieder zurück, und mit der pekuniären Macht (eines wirtschaftlichen Systems, das sich bereits zur Geldwirtschaft gewandelt hatte) auch die Macht, ein abstraktes und allgemeines Rechtssystem durchzusetzen. Noch im hohen Mittelalter hatte in den deutschen Stammlanden der König und Kaiser so gut wie nichts zu vermelden! Es blieben ihm die Straßen und bestimmte Richtstellen, wo sein Recht - aber nur dort - galt, neben seinen Hausgebieten natürlich.

Eines der schwierigsten Vorhaben Deutschlands im 19. Jhd. war, nach der Reichsgründung das unterschiedliche lokale Recht zu vereinheitlichen, und bis heute berücksichtigt, wie man sieht, das Recht persönliches und lokales Rechtsempfinden. Übrigens gibt es noch heute im spanischen Grundstücksrecht den Sonderfall eines aus germanischen Zeiten stammenden Rechts, nach dem Angehörige dieser Volksgruppe handeln und gerichtet werden.

Wie schwierig, ja unmöglich die "Integration" - das heißt: die Vereinheitlichung - unterschiedlicher Wert- und damit Rechtsvorstellungen sind, will aber immer noch niemand zur Kenntnis nehmen. Es wird tabuisiert, weil es einer Utopie zuwidersteht, die dogmatisiert wurde. Die deutsche Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt kommt gleichfalls über Andeutungen nicht hinaus - das wird nur "schwierig" ... was unmöglich ist. Die Welt berichtet von ihrer Reise nach Rumänien. Und sie berichtet, daß die Roma in Rumänien selbst kaum integrabel sind. Denn sie haben andere, mit dem Rest des Landes (und der EU-Verantwortlichen, inclusive Hasselfeldt) inkompatible Wertvorstellungen. Daß die Roma in Ghettos und in Armut (nach unserem Begriff, also im Vergleich zu unserer Lebensweise) und Elend (nur dort kann Sozialpolitik ansetzen: in der Sittlichkeit, und damit auch hier: bei der Religion) leben, ist damit kaum zu ändern. Denn jeder will in einem Raum leben, in dem seine Wertvorstellungen und damit sein Rechtsempfinden auch Geltung haben. (Kein Rechtsempfinden aber kommt ohne absoluten Bezug aus, der die persönliche Gewissenslage legitimiert. Das kann nur von außen kommen, kein Mensch gibt sich sein Weltgefüge, auf das er sein Rechtsempfinden aufbaut, selbst.) Wenn die EU also Milliarden bereitstellt, um die Roma zu "integrieren", so ist das gleichbedeutend mit der Ansage, die Kultur der Roma aufzulösen. 

Das Problem können aber nicht unterschiedliche Rechtsempfinden sein. Sondern ein Recht, das sich bereits zu sehr auf bestimmte Lebensformen festgelegt hat. Eine mittlerweile derart durchgemischte und weiter durchmischte Bevölkerung wie in Europa kann also gar nicht anders als zum einen parallele Rechtsräume schaffen, und zum anderen das eigentliche Staatsrecht auf ein abstraktes Minimum zu reduzieren. Genau das Gegenteil dessen, was die EU aber tatsächlich betreibt, die sich in sämtliche Details einmischt und sie europaweit vereinheitlichen will.

Treibt man den Gedanken konsequent weiter, so erkennt man nämlich, daß geltendes staatliches Recht immer nur ein Kompromiss, eine gewisse gemeinsame Schnittmenge aus dem bei jeder Person und -gruppe in diesem Staat, in all ihren sozialen Eingliederungen und Bezügen, hier oder dort anders gelagerten, individuellen Rechtsempfindens und damit Schuldmaß sein kann. Selbst die zehn Gebote beschreiben nicht einfach abstrakte, ein für allemal ausbeschriebene Taten, sondern in der Frage der Gewissensprüfung und Schuld braucht es die Kenntnis der persönlichen Motivgefüge und Freiheitsgrade, um zu erkennen, wieweit eine Tat auch wirklich diese Untat ist. Es wäre großes Unrecht, das zu vergessen, denn die Bewertung subjektiver Umstände ist ein hohes Gut, das wir uns in unserer Kultur errungen haben! Es baut auf der Erkenntnis auf, daß objektive Wahrheit immer die Gestalt eines Subjekts sucht wie trägt, ohne damit ins Relativistische zu verschwimmen.

Unser Recht baut somit auf der christlich-jüdischen Ansicht auf, daß der Mensch Abbild Gottes ist. Und deshalb ist sein subjektives Gepräge immer ein Bezugssystem innerhalb der Vernunft - ein Begriff, der wieder nur Sinn macht, wenn er sich auf die göttliche Vernunft und Wahrheit bezieht - bzw. zu ihr. Ob es den heutigen Denkgewohnheiten und -intentionen entspricht oder nicht, die sich gerne in ein Land "objektiver innerweltlicher Rationalität" hineinphantasieren - jedes Rechtssystem wurzelt im Transzendenten, in der Religion.

Wenn außerdem, wie in diesem Fall des Afghanen, feministische "Schutzgruppen" verlangen, daß Taten (oder bestimmte Taten) an Frauen unabhängig von der subjektiven Gewissenslage be- und verurteilt werden sollten, dann verlangen sie im Grunde genau das, aber mit Exclusivität für sich, was sie im anderen Fall ablehnen: Daß - kasuistisch - in jedem Fall, der ein bestimmtes äußeres Tatgepräge trägt, nach IHREM subjektiven Rechtsempfinden geurteilt werden müsse. Wer das nicht möchte, handelt gegenüber Zuwanderern und Fremden ungerecht.




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