Ein wenig stockt einem der Atem, was dieser Vortrag des (katholischen?) Bischofs Anthony "Tony" Palmer, der Jorge Bergoglio, Papst Franziskus, zu einem seiner spirituellen Väter erklärt - neben Pflingstkirchlern, Freikirchlern - zeigt.
Sind wirklich alle sich auf "Jesus Christ" berufenden "Kirchen" nur Teil desselben? Nur Teilaussage derselben Aussage? Ist es so, wie angeblich Jorge Bergoglio zu Palmer meinte, daß die Katholiken "reformiert" sind? Daß die Unterschiede nur auftauchen "if we are Catholics again"? Ist das nicht dasselbe Vorgehen, unter dem ein neuer Humanismus auftritt, der da verkündet, daß aller Streit, alle Auseinandersetzung dadurch zu beseitigen wäre, indem sich das ... Konkretere einfach AUFLÖST? (Worin die Protestanten natürlich enorme Vorsprünge hätten.) Ob in der Psychologie, in der political correctness ... der Feind ist immer derselbe: Der, das, was konkret ist, das überhaupt ETWAS ist, und bleibt.
Nein, und ohne Zweifel: Nein. Die Grundbewegung der Protestanten, denen alle diese Teilkirchen entsprungen sind, ist nicht, einen katholischen Aspekt zu verstärken. Sie ist eine Grundbewegung gegen die Wahrheit. Sie ist mit der Wahrheit inkomtatibel, wo sie übereinstimmt, ist es Äquivokation, der Hintergrund, der eine Aussage überhaupt erst macht, wahr macht, ist völlig anders. Wahrheit, die konkret ist, die Gestalt hat. Die dogmatischen Unterschiede sind so groß, daß die Teilmenge mit dem Islam noch größer scheint. Sie ist eine Abwendung von der Wahrheit, ja deren Verneinung. Daß das in den unzähligen protestantischen Strömungen nicht immer klar wird, hängt damit zusammen, daß viele doch nach Wegen suchen, irgendwie die offensichtliche Ablehnung des Heils zu vermeiden, zu offensichtliche Widersprüche doch wieder zu vermeiden, zu verschleiern. Wer die Geschichte der protestantischen Bewegungen und Kirchen näher studiert, kommt zu keinem anderen Schluß.
Ein Papst aber, der sich für "just the clergyman of all the 2,2 billion people of ALL Christians" erklärt? "That Pope ist openly charismatic," sagt Tony Palmer. Ein Papst, der einfach die Ökumene damit klärt, indem er alle Protestanten zu Katholiken erklärt? Oh ja, und so leben wir alle in einer einmaligen historischen Zeit, in der das, was wir tun, nicht einfach wichtig ist, nein, es ist historisch einmalig entscheidend. Jetzt ist die Zeit. Das war sie für die Protestanten interessanterweise immer. Und JEDER Protestant fühlt sich berufen. "Its the glory that glues us together, not the doctrines. (...) Most of your fear is based on propaganda." Aha. Zeit, umzudenken, oder? Wen interessiert noch Wahrheit. Die Verzopften, höchstens. Selbst klare Fehlinformation hilft da weiter. Es sei 1999 endgültig der Zwist zwischen den Kirchen beigelegt worden, man hätte sich in der Definition der Rechtfertigung geeinigt. "It brought an end to the protest of Luther." Eine klare Fehlinformation, und niemand sagt das deutlicher, als die Protestanten.
Das fragile Wortspiel, auf das sich in dem Dokument einige Protestanten und die Kirche einigten, vermeidet elegant die entscheidenden Passagen, den entscheidenden Punkt: wirkt die Gnade auf das Fleisch? - gibt es die "causa formata", die Verdienstlichkeit der Werke? Niemals haben die Protestanten das zugegeben, selbst die Quäker haben sich deshalb von ihnen abgewandt. Wo sie wie Zwingli (und teilweise auch Luther) das scheinbar doch - irgendwie - taten, die Kirche und ihre Autorität als bedeutend bezeichneten, geschah es aus Pragmatismus unter dem Eindruck der auflösenden Folgen ihrer Behauptungen, die bald allzu sichtbar wurden und überall neue Kirchengründer aus dem Boden schießen ließ.
Argumentierbar wurde es freilich nie, weil es den eigentlichen Grundsätzen - jeder ist sich selbst einziger Ausleger des Glaubens - völlig widerspricht. In diesem Gebäude voller Widersprüche, das sich Protestantismus nannte, und bald in weit über 500 Richtungen zerfiel. Wozu der Protestantismus bis heute die Grundlage der Philosophie, die Metaphysik ablehnt, weil er das muß. Es würde ihn zu offensichtlich der Widersprüche überführen. Wo Protestanten doch der Katholischen Kirche naherücken, ist es immer der Druck der Wirklichkeit, der sie irgendwann dazu zwingt, und dem sich einzelne denn doch beugen. Was ihnen hoch anzurechnen ist.
Aber spielt das heute überhaupt noch eine Rolle? Wo wir uns doch alle liebhaben? Praise the Lord! Hier baut sich eine Kirche aus, die ENDLICH. ENDLICH mit dem Zeitgeist ins Bett geht. ENDLICH verschwindet jeder Zwist. Wie sagt der Papst in seiner Videobotschaft an die freikirliche Versammlung hier? "I am speaking no Italian, no English ... but heartfully." Ah ja. Heartfully. Without content. Wir sind alle Brüder und Sünder, und nur wegen unserer Sünden getrennt. Aha. Wir haben ja alle denselben Glauben, bitteschön. Nur nicht dieselben Inhalte, an die wir glauben. Aber spielt denn das noch eine Rolle, im Glauben? Ist doch ein Grund, ins Zungengebet einzufallen. Nicht in Italienisch, nicht in Englisch ... language of the heart, oh Lord Jesus. Und dann machen wir iPod-Videos, und zwitschern sie der Welt, damit sie sich - wie wir! - bekehre. Denn uns eint doch ... die "unitiy of faith"! (Da haut es einen doch glatt um.)
Das Himmelreich ist nicht einfach angebrochen, nein: Die Utopie hat sich verwirklicht! Die Liebe ohne das, was es zu lieben gäbe, weil es die Kenntnis nicht mehr braucht. Nicht mehr. Denn früher, ja früher dachte man das ja. Ach was, vergessen wir das Denken ... diesen Saft früherer dunkler Jahrtausende.
Jawohl, das paßt zum Karfreitag. Es erklärt viele Wunden Christi.
Und dazu paßt wie die Faust aufs Auge dieses Video: Kardinal Bergoglio empfängt den Segen einer freikirchlichen Vereinigung. Mit einem pikanten Detail ... lügt der Papst? Der Verfasser dieser Zeilen hat es bereits mehrfach hier dargelegt: Ja. Nicht einfach nur hier und direkt und einmalig, wo es offensichtlich ist. Er lügt aus charakterlicher Struktur heraus. Denselben Strukturen, die exakt dem Wesen des Zeitgeists entsprechen, und sämtlichen (charismatischen, d. h. genuin protestantisch-mystizistischen) Erneuerungsbewegungen der Kirche zugrundeliegen, und die Kirche von innen her zersetzen. Was nicht heißt, daß die eine oder andere Aussage des Papstes nicht richtig wäre, in jedem Fall zu erwägen ist. Aber die Lüge ist nicht primär eine Frage "richtiger Fakten".
In diesem Zusammenhang übrigens eine interessante Seite, mit äußerst bemerkenswerten Analysen, die von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen stammt. Den Protestanten ist ja jede explizite antichristliche Stellung, ja jede Sekte in sich eine Gefahr. Sie haben nur - so seltsam das klingen mag - dogmatisierte Aussagen, an denen sie sich festhalten können. Niemand bekämpft den Häretiker so wie der, er - eine bestimmte - Häresie vertritt. Das aber hat ihnen auf unterschiedliche Weise durchaus anerkennenswerte Meriten eingetragen. So im Kampf gegen den Evolutionismus (dem sie in Wahrheit freilich nur Creationismus entgegenzustellen haben; die größte Gefahr für Protestanten stellt deshalb dar, wenn sich wissenschaftliche Aussagen der Evolutionisten bewahrheiten würden), oder wie auf dieser überaus umfassenden und oft sehr gescheiten Aufklärungsseite gegen Sekten, Esoterik und weltanschauliche Strömungen der Gegenwart.
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