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Samstag, 12. April 2014

Zum Aufruf der Bischöfe, zur EU-Wahl zu gehen

Das sicherste Zeichen für einen bevorstehenden revolutionären Umsturz ist die Unsicherheit der Eliten. Was ... in seiner Untersuchung der Revolutionen der Neuzeit feststellt, faßte 1995 der (nach Eigendefinition) österreichische Regimekritiker Dietmar Elsässer in "Kurz vor'm Würstelprater" so zusammen:

"Im EU-Beitritt hat sich eine visions- und damit inhaltslose österreichische Außenpolitik - Ankerpunkt jeder Innenpolitik - hinter die Scheinperspektiven eines populistischen Apparats verkrochen. Es war wie die letzte Ausflucht vor dem Zugeständnis eines Bankrotts, in der sich eine nicht mehr überlebensfähige weil unschöpferische Elite selbst zu retten versuchte. Die blamablen Verhandlungsergebnisse mit Brüssel waren die logische Frucht - nicht Österreich, sondern seine Elite BRAUCHTE die EU. Und das schwächte seine Verhandlungsposition dermaßen, daß von einem Verrat an Österreich die Rede sein muß. Daß die Kirchen, die an einer deckungsgleichen Krankheit leiden, der Schwäche der Überzeugung der eigenen Daseinsberechtigung, die man direkt beim Namen nennen muß: Glaubensschwäche, den Österreichern empfahlen, dem Beitritt zuzustimmen, macht sie auf eine Weise schuldig, die von der Zustimmung zu Hitler nur (vermutlich, denn das Urteil der Geschichte ist immer nachträglich) graduell verschieden ist. Bereits die direkten Folgen besudeln nämlich bereits die Hände der Kirche mit Blut. Sie tat dasselbe wie die Politik: Sie labte sich aus dem anerkennenden Schulterklopfen, das sie in ihrer Existenz und Wichtigkeit bestärkte, wofür der Sinn ihr bereits abhanden gekommen war. Die EU gab der Kirche wie der Politik scheinbar wieder Sinn. Durch jene Phrasen, deren Hohlheit jedem gesunden Menschenverstand aufleuchtet.

Durch diese Empfehlung machte die Kirche Grundsatzpositionen zu Positionen in Verhandlungsrunden, durch die Empfehlung zu Beitritt und EU-Zustimmung wurden unveräußerbare kirchliche Positionen zu disponiblen Variablen. Der Ruf, "christliche Werte" nach Brüssel zu tragen, war eine abstoßend schwächliche Selbstaufgabe, die lediglich die Ahnungslosigkeit offenbarte, mit der die Kirche der politischen Realität Europas gegenübersteht. In der sie sogar mit wehenden Fahnen bereit war, Grundverstöße des Systems EU - wie Subsidiarität - als vernachlässigenswerte Größen zu behandeln. Die Kirche hat damit die Menschen, noch mehr aber: ihren Gründer verraten. Die EU in der derzeitigen Form selbst ist das antichristliche Problem, nicht einzelne Punkte - und dann wäre alles in Ordnung. Christliche Ethik erschöpft sich nie in Kasuistik. Sie ist eine Haltung zur Welt als Ordnung von Gestalten. Die Kirche hat seither kein Existenzrecht mehr in Europa. Sie hat sich zum Appendix der Seinswidrigkeit deklariert. 

Die Kirche hat sich in verabscheuenswürdiger Weise von der Gesellschaft abhängig gemacht. Sie hat sich verkauft um leerer anerkennender Worte willen, weil sie nicht einmal mehr glaubte, daß sie noch existierte. Sie hat sich damit zum Mittäter der Selbstzerstörung Europas gemacht. Es wird sie mit Recht an den Galgen der Geschichte bringen. Sie wird in der Zeit nach der EU - die unweigerlich kommen wird - keine Rolle mehr spielen."

Folgt man Elsässers Argumenten, so ist der Aufruf von Kardinal Schönborn namens der Bischofskonferenz (!), die Österreicher sollten zur anstehenden EU-Wahl gehen, um so ihre Christlichkeit einzubringen,  nichts als ein verzweifelter Versuch, gesehen werden, die eigene Existenz zu retten, die bereits von der Existenz der EU abhängt. EU und Kirche haben in Europa dasselbe Schicksal: Sie werden in absehbarer Zeit nicht mehr (bzw. nur mehr rudimentär, solitär) existieren. Die Erneuerung Europas von der Wurzel her, die ohne jeden Zweifel kommen wird, mit schlimmsten Befürchtungen die kulturelle Stufe betreffend, auf der sie passiert, wird in jedem Fall heidnisch sein. Die Bevölkerung erwartet sich von der Kirche schon jetzt nichts mehr, deshalb meidet es sie. Man wird über die Politik und Elite der Gegenwart, aber auch über die Kirche, nicht anders sprechen, als man es heute über die Nationalsozialisten tut: Als mythologemisierten Gottseibeiuns. Man wird ihre Grabmonumente einebnen, und ihnen in die Gruben nachspucken. Aber es wird kein Martyrium sein, denn sie sind nicht für die Kirche gestorben.

Es wäre nicht das erste mal in der Kirchengeschichte.




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