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Sonntag, 6. April 2014

Sicherheit durch Ordnungs-Netze

Wenn ich etwas will, dann ist die Güte des Willens keine Frage des Gutes, sondern ob ich das Gut lieben kann. Nur dann nämlich kann ich es genießen. Und Wille geht auf Genuß des Erstrebten aus. Er ist nicht gut, wenn er etwas gebraucht, um etwas anderes zu erreichen. Denn dann liebt er das Gewollte nicht.

Das zeigt, wie bedeutend die (sittliche) Gesamt-Verfaßtheit eines Menschen ist. Denn nur in dem Maße, als er geordnet ist - also sein Geist, aus dem ja die Bilder und das Wollen stammen, auf das er sich richtet - ist auch gewährleistet, daß die Hingabe an das Gewollte als purer Akt dem Guten dient, oder nicht.

Zur Illustration: Eine Tafel Schokolade zu wollen ist in sich nichts Schlechtes. Sie wird es aber in einem größeren Bezugsrahmen, wenn der Wollende nämlich ungeordnet ist, sodaß dieses Teilwollen eine Stellung einnimmt, die ihn im Ganzen schädigt, sodaß er (sagen wir einfach einmal so:) zuckerkrank wird. Oder nehmen wir die geschlechtliche Begierde. Oder das Streben nach Besitz. 

Das Überhandnehmen von Technizismus, dem das Auftreten der Magie beizustellen ist - Technik IST auf eine Weise Magie - zeigt also immer den sittlichen Verfall einer Kultur an. Wenn alles zum Zweck wird, nichts um seiner selbst willen geliebt werden kann. Die Menschen sind dann einfach unsicher.

Und tatsächlich kann man heute diesen Mangel an Vertrauen weithin beobachten. Gerade in dem hektischen Mühen um Rechtfertigung des eigenen Handelns ist diese Ungeordnetheit erkennbar. Der heute zu beobachtende öffentliche Diskurs ergießt sich über weite Strecken auf Systeme der Selbstabsicherung. Solch ein Zeitalter wird zwangsläufig ideologisch. Denn die geistige Verfaßtheit der Menschen weiß um seine Ungesichertheit im Sein der Welt selbst, die ihm keinen Halt mehr gibt (denn der kann nur durch o. a. Liebe und Hingabe gegeben werden). 

Also behaupten wir umso mehr die Bedeutung des Materiellen - und zeigen damit eigentlich die Richtung an, in der die Lösung läge! Denn immerhin ist die Welt ja tatsächlich eine Zueinanderordnung aller Dinge, die sich ineinander im Bestand halten. Das ist Kosmos, das ist Welt. Und über den Menschen verankert sich dieser Bestand im Ewigen, in Gott. Denn nur in ihm kann Geist in der Welt wirken, weil er nur in der Freiheit des Menschen seine Vollgestalt erhalten kann.

Die Geschichte der Menschen ist deshalb auch eine Geschichte der zunehmenden Unsicherheit über die Tragfähigkeit der kosmischen Ordnung. Und sie ist eine Geschichte des Verlusts der Gegenwart göttlicher Ordnungsidee, eine Geschichte des Verlusts der Gegenwart Gottes. Sie ist eine Geschichte des Versuchs der Schaffung von Vergewisserung, von Sicherheit. Gerade im totalitären Wollen zeigt sich das deutlich, in seinem Streben nach totaler Kontrolle. Denn Sicherheit gibt es nur in einer totalen - kosmischen bzw. zur kosmisch erhobenen, "in allem wahren" - Ordnung. Sie ist die Geschichte des Versuchs, Gott durch den Menschen zu ersetzen. 

Fehlt diese Sicherheit aus der sittlichen Verfaßtheit, in der sie immanent nämlich ist, weil der Mensch selbst geordnet ist, damit frei, damit fähig zur Liebe, damit fähig zur Hingabe, damit zum (richtigen) Genuß in dem er sich nicht verliert, so fällt der Mensch in Unsicherheit. Und diese versucht er durch gedankliches Bemühen wieder herzustellen - durch Weltanschauungen, durch Ideologien, durch Gedankensysteme, die wasserdicht zu machen er sich ständig müht weil mühen muß. Denn jeder Widerspruch wird ihm zur Mahnung an diese Unsicherheit, die er dann nicht mehr vergessen kann. Der besonders unsichere Mensch - ein hinweisendes Beispiel - spricht deshalb auch besonders viel. 

Und die Systeme des Internet, die alles überspannen, die Geschwindigkeit, in der die social media in das Leben der Menschen eingedrungen sind (eine Geschichte, die durchaus bereits beim Buchdruck begann), weisen genau darauf hin: der Mensch kann sich so in der Illusion wähnen, in ein kosmisches System eingebunden zu sein, in eine Ordnung, die ihn hält. Seine Sicherheit fällt natürlich sofort und in dem Moment, wo dieses Netz des Dauergeredes reißt. Dann fällt er neuerlich ins Nichts. Weil er mangels Hingabe keine Dingwelt hat, die ihn hält. Das Internet (mit social media) spielt deshalb aus sich heraus eine tief nihilistische und immer aggressiveren Rolle, duldet immer weniger Löcher in diesem Netz. Denn es hat existentielle - den Menschen im bewußten Dasein sichernde - Bedeutung. Sie simulieren Ordnung, machen "sicher", weil sie sich der Gedankenwelt bedienen, und damit jenes Zu-sich-kommen des Menschen vortäuschen, das eigentlich aus der Hingabe an die Dinge erwächst. Und zwar aus dem Verhalten dazu, in dem erkannt wird, daß das "ich" NICHT diese Dinge IST, und damit überhaupt IST. (Hingabe bedeutet also keineswegs "Verlorenheit an" die Dinge, sondern die Fähigkeit, sie zu lieben, sie als "anderes" sein zu lassen. Was nur geht, wenn das Ich sich NICHT selbst zu konstruieren, bildlich zu bilden versucht.)

Dieses Ich aber erwächst erst aus dem Gedächtnis, wenn dort die Einsicht und der Wille (weil in der Wahrheit) im Gedächtnis in sich selbst ruht. Das Internet, die social media, versuchen damit, dieses Gedächtnis zu ersetzen, versuchen selbst Gedächtnis zu sein - und damit Quelle, Ort des "Ich". Sie simulieren dieses "nicht vergessen" zu sein, ohne es freilich zu können (weshalb bei eifrigen Nutzern dieser Medien - aus stetig wachsendem unbewußtem Wissen um die Ungesichertheit - die Frequenz notwendig steigt, in der sie sich verbinden.)

Hingabe ist die Basis des Gerufenwerdens: in ihr kommt das Ich zu sich, weil es einen Auftrag erfährt, im Wollen und Lieben sich selbst erfährt. Fällt dieses Netz aus, gibt es (mehroder weniger) nichts (Reales, Welt-, Dinghaftes) mehr, das ihn noch beim Namen ruft - und ihn damit initial konstituiert. Man beobachtet auch in der Entwicklung des Kleinkindes dieses Geschehen. Das Kind erfährt zuerst, daß es ein "ich" ist, ein "jemand", WEIL es beim Namen gerufen wurde und wird. Kinder sprechen deshalb erst von sich in der dritten Person, erfahren sich als Teil der Weltordnung, als "Objekt" in dieser Ordnung. Sie lernen erst allmählich, über die Erfahrung des Nicht-Ich an den Dingen, diesen Namen als "ich" zu erfassen, um dann wirklich "ich" zu sagen.

Reich Gottes bedeutet aber die wirkliche (nicht: eingebildete, nicht behauptete, nicht konstruierte, nicht "nur bewußt da seiende") Gegenwart eines kosmischen Gesamtsystems (man verzeihe die technische Ausdrucksweise, aber der Mensch braucht eben gerne Bilder), die sofort reißen würde, wenn man einmal nicht daran denkt. (Auch hier: eine der Grundfunktionen des Internet, die permanente Präsenz aller Gedanken, ein Wesensbestandteil dieser Sicherheit, Anspielstation in jedem Moment neuerlich aufbrechender Ungewißheit.) An das der Mensch über Gott selbst - in Jesus Christus - (und auch hier: über reale Dinge - die Sakramente, die Liturgie, den Kult) wieder Anschluß findet, wenn er denn will, und wenn er sich denn Gott auch (im Selbstopfer, dem Gegenteil also von selbstgehaltenen und -konstruierten Weltbildern) öffnet. Denn das Reich Gottes, die kosmische Ordnung für die Welt, ist nur präsent im persönlichen Akt. Sie übersteigt bei weitem und in Dimensionen alles, was der Mensch aus innerweltlicher Ordnung, die sich auf diese Weise in reinem Zweckdenken erschöpft, alleine heraus hervorzubringen vermag.




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