Die Fälle mehren sich und mehren sich, fast täglich bereits tauchen solche Meldungen auf: man nimmt nun mehr und mehr die Provider in die Pflicht, um gesetzliche Vorgaben umzusetzen. Nun hat etwa der Europäische Gerichtshof die Sperrung rechtswidriger Seiten wie Kino.to durch Provider erlaubt, berichtet die Welt.
Internetprovider können dazu verpflichtet werden, den Zugriff auf
einzelne Webseiten zu sperren, so diese rechtswidrige Inhalte
bereitstellen. Zu diesem Ergebnis kommt der europäische Gerichtshof in
Luxemburg in seinem Urteil.
Nun könnte man - und das ist ja das Tückische - im Einzelfall durchaus darüber diskutieren, was gut und was rechtens ist. Auch bei Urheberrechtsverletzungen, keine Frage, und auch der Verfasser dieser Zeilen ist im Grunde ein Leidtragender, weil auch seine Werke auf eine Weise benutzt werden, die Diebstahl oder Enteignung gleichkommen.
Aber man vergißt längst einen Knackpunkt dabei: Eines ist es, etwas für gut oder richtig zu halten. Ein anderes aber, ob ein Staat verpflichtet ist, alles Schlechte direkt zu bekämpfen. Eines ist es, das Rauchen für schlecht zu halten. Ein anderes, es überall zu verbieten. Hier geht es sehr rasch um prinzipielle Fragen, nämlich um Fragen der Anthropologie und des Sinns von Welt und Leben, sowie den der Freiheit, ja des Staates überhaupt.
Und genau deshalb ist diese Reglementierung des Internet in der Form, wie wir sie so still und heimlich bereits erfahren - so heimlich, weil so fragmentiert, daß uns das Gesamtbild, das sich da bereits abzeichnet, verborgen bleibt, wir werden nur eines Tages aufwachen und staunen, was sich da aufgezogen hat - ein sehr politisches und prinzipielles Problem. Das mit der Aufspaltung der Kultur direkt zusammenhängt. Denn wenn die Kultur noch einen Wertekonsens hat oder hätte, ist es wenig Problem. Dann wird auch allgemein nur festgelegt, was ohnehin jeder (oder: fast jeder) TUT. Dann drückt ein Rechtssystem also nur aus, was ohnehin alle an Rechtsempfinden leben und haben.
Aber das ist nicht mehr so. Tatsache ist, daß wir in Europa mindestens zwei (die in Wahrheit drei sind) UNVEREINBARE Geisteshaltungen haben. Sie unterscheiden sich in grundsätzlichem Wollen, in Sinn und politischer Ausrichtung diametral (wenn sie auch ganz anders laufen, als etwas "rechts und links" als Spontanantwort ergeben könnte, GANZ anders) Und Tatsache ist auch, daß sich eine bestimmte Richtung durchgesetzt hat.
Indem nun das gesamte Leben eines bereits gefährlich auseinandergefallenen Europa mehr und mehr aufs Internet verlegt wurde - es ist ein Verlegen als freier Akt der Umgestaltung des Lebens, nicht aus rationalen Überlegungen wie "Effizienz" o. ä., die es zur Notwendigkeit gemacht hätten, wie immer vorgegeben wird - wird damit auch der Fluß von immer mehr Lebensabläufen übers Internet gesteuert. Und er wird damit auch inhaltlich steuerbar.
Mit solche Gesetzen, deren Sinn- und Weltanschauungshorizont das Entscheidende ist, weil sich von dort her definiert, was "gut" und "schlecht" ist, und das angesichts dieser Spaltung der Wertempfindungen in Europa (das sich dieser "Pluralität" sogar noch brüstet, dabei auch hier nicht weiß, wovon es überhaupt spricht), hat sich ein Kontroll- und Suppressionsinstrument gebildet, das jeder dieser Haltungen zur Verfügung steht. Und das sie auch nützen wird.
Dabei ist selbst diese prinzipielle Unvereinbarkeit der Weltanschauungen nicht er schlagende Punkt. Sondern es ist die Folge davon, diese Weltanschauungen zu politisieren, wozu eine Weltanschauung aus ihrem Wesen heraus natürlich drängt (denn wer nicht "vertritt", durchzusetzen sucht, woran er glaubt, hat ja gar keine Anschauung, sondern "kennt" sie höchstens, oder hält sie für "cooler", ansonsten ist ihm alles gleichgültig).
Der Zugriff auf die Provider, wie er jetzt gestattet wurde, wird damit ohne jeden Zweifel zum Filterinstrument der jeweils herrschenden Anschauungsgruppe. Denn wenn man bei illegalen Filmdownloads auch noch rasch zu einer allgemeinen Wertebasis vorstößt, so wird bei politischen Fragen sehr rasch eine Grenze erreicht. Unter dem vorgeblichen Ziel "höherer Interessen" läßt sich sehr rasch alles ausschließen, was "defaitistisch" genannt wird: was also geschlossenes politisches Agieren einer politischen Gruppe erschwert. Im Krieg ist jede Äußerung gegen schlechtes Kommissbrot ein solcher Akt.
Aber in Zeiten wie diesen befinden wir uns längst mitten in Kriegen. Wo es ums Ganze geht, und das scheint es bei immer mehr politischen Fragen zu gehen, wird das Einzelrecht bedeutungslos, ja schädlich. Wir befinden uns im Krieg, und allmählich gestalten wir unsere Gesellschaften auch zu Kriegsgesellschaften um. Zentralistisch, totalitär und aggressiv. Wo der große Bruder für uns entscheidet, was wir tun und lassen, was wir hören und denken, vor allem aber sagen dürfen.
Wie gesagt: Das Problem ist nicht so sehr eines des Internet. Das Problem ist, daß wir fast unter Zwang, mittlerweile - immer mehr Vorgänge selbst des alltäglichsten Lebens sind ohne Internet und social media gar nicht mehr bestreitbar - aufs Internet gedrängt wurden und laufend mehr werden. Der Staat sieht es sogar als seine eigenste Aufgabe an, diese Netze zu bauen und zu perfektionieren, und er formt etwa in den Schulen bereits die Menschen so, daß sie sich nur noch in diesen Netzen bewegen, indem er sie zu verpflichtenden Prothesen macht. Damit aber hat sich der Staat ein Instrument aufgebaut, mit dessen Hilfe er tatsächlich Steuermöglichkeiten hat, die ihm nicht mehr zustehen. Und sich aber auch unter den Zwang gestellt, solche Steuerungen durchzuführen, weil er sich mit einer Verantwortung beladen hat, die das ihm - HEUTE - Mögliche und Zustehende weit überschreitet.
Wir befinden uns also auch hier in der bemerkenswerten Situation, daß wir nicht mehr nur fragen können, ob Einzelmaßnahmen (wie die Sperre von kino.to) gut und richtig sind. Sondern wir müssen uns schon auf vielen Gebieten fragen, ob an sich überlegenswerte Möglichkeiten in dieser europäischen geistigen Situation nicht viel weitreichendere schlimme Folgen haben werden, die viel grundlegendere Werte - wie Freiheit - gefährden. Denn eines ist, die Verletzung von Urheberrechten (als Form von Diebstahl) bei Gericht zu verklagen. Ein anderes aber, die Möglichkeit dazu generell und vom Staat her jede Rechtswidrigkeit zu unterbinden. Denn was rechtswidrig per definitionem ist, ist keineswegs mehr einfachhin allen Europäern gemeinsame Wertebasis, sondern unterliegt der Definitionshoheit herrschender Anschauungs- und Machtgruppen. Die Frage ist heute nämlich, ob es überhaupt noch um das Ganze gehen kann, weil dieses definierte Ganze gar nicht mehr legitim weil Vorwand zum Mißbrauch ist. Sodaß jeder konstruktive Wille, der immer noch das Ganze über das Einzelne stellt, in Wahrheit der Destruktion dient. Der Verfasser dieser Zeilen deutet gerade das Mißtrauen, das bereits so weit verbreitet ist, oder etwa so bemerkenswert zunehmende separatistische Strebungen in Europa, als Indiz dafür, daß weithin darum gewußt wird, daß das Ganze, auf das sich diese jene berufen, bereits tot ist. Und man mit der leeren Hülle nur noch Mißliebige totschlägt.
Wenn aber etwa der österreischische EU-Abgeordnete Ewald Stadler davon spricht, daß er nach seinen ersten Jahren in Brüssel zur Auffassung gekommen ist, daß man das EU-Parlament auflösen müßte, so weist das in diese Richtung. Die im übrigen weite Teile der europäischen Bevölkerungen ja längst verspüren! Nur fehlt ihnen der Mut, weil sie sich in diesen Fragen natürlich weit überfordert sehen müssen, Veränderungen auch selbst zu verantworten - eine der grundlegenden Schwächen der heutigen Massendemokratien, übrigens. Daß Stadler nicht wie so viele (man erinnere sich an die bemerkenswerten Meinungswandel NACH erfolgter Abstimmung zum EU-Beitritt in Österreich so mancher Grün- und Linkspolitiker) in Brüssel zum EU-Apostel wurde, spricht zweifellos für ihn. Auch wenn er manchen seiner Lichtblicke gewissen charakterlichen Neigungen zur Antinomie verdanken mag, sie sind nicht weniger berechtigt und "richtig" wie die Neigung so vieler EU-Apostel, dazugehören zu wollen. Es tut nichts zur Sache, und hat gewiß auch seinen Sinn. Stadler ist nicht weniger Glied dieser Gesellschaft, wie wir, und wie Harmoniesüchtigere, und damit nicht weniger legitim und zeitgemäß, ja wenn nicht zeitgemäßer als so viele andere, ist seine Haltung.
Nur eines ist auch klar: Veränderungen, wirkliche Veränderungen, wie sie die Bevölkerungen Europas längst ersehnen, von jenen zu erwarten, die alles, ihre Existenz, ihr Einkommen, ihre soziale Stellung, ihre Macht diesen politischen und EU-Systemen verdanken, ist defacto ausgeschlossen. Oder, wie Adorno es einmal ausdrückte: Es gibt nichts Richtiges - im Falschen. Die Systembetreiber haben es längst begriffen. Sie wissen sich längst im Krieg. Nur ... pscht!
Zitieren wir zum Abschluß noch einmal Die Welt
Internetrecht-Experten und Bürgerrechtler kommentierten das Urteil der Luxemburger Richter in ersten Reaktionen kritisch: Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, moniert, mit dem Spruch würde der EuGH die Grundlage für eine weitreichende Netzzensur legen: "Was der EuGH heute für urheberrechtsverletzende Inhalte entschieden hat, könnte morgen auch für politisch oder anderweitig unliebsame Internetseiten gelten. Netzsperren gefährden die Meinungs- und Informationsfreiheit, während sie zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen weitestgehend untauglich sind."
Wir befinden uns also auch hier in der bemerkenswerten Situation, daß wir nicht mehr nur fragen können, ob Einzelmaßnahmen (wie die Sperre von kino.to) gut und richtig sind. Sondern wir müssen uns schon auf vielen Gebieten fragen, ob an sich überlegenswerte Möglichkeiten in dieser europäischen geistigen Situation nicht viel weitreichendere schlimme Folgen haben werden, die viel grundlegendere Werte - wie Freiheit - gefährden. Denn eines ist, die Verletzung von Urheberrechten (als Form von Diebstahl) bei Gericht zu verklagen. Ein anderes aber, die Möglichkeit dazu generell und vom Staat her jede Rechtswidrigkeit zu unterbinden. Denn was rechtswidrig per definitionem ist, ist keineswegs mehr einfachhin allen Europäern gemeinsame Wertebasis, sondern unterliegt der Definitionshoheit herrschender Anschauungs- und Machtgruppen. Die Frage ist heute nämlich, ob es überhaupt noch um das Ganze gehen kann, weil dieses definierte Ganze gar nicht mehr legitim weil Vorwand zum Mißbrauch ist. Sodaß jeder konstruktive Wille, der immer noch das Ganze über das Einzelne stellt, in Wahrheit der Destruktion dient. Der Verfasser dieser Zeilen deutet gerade das Mißtrauen, das bereits so weit verbreitet ist, oder etwa so bemerkenswert zunehmende separatistische Strebungen in Europa, als Indiz dafür, daß weithin darum gewußt wird, daß das Ganze, auf das sich diese jene berufen, bereits tot ist. Und man mit der leeren Hülle nur noch Mißliebige totschlägt.
Wenn aber etwa der österreischische EU-Abgeordnete Ewald Stadler davon spricht, daß er nach seinen ersten Jahren in Brüssel zur Auffassung gekommen ist, daß man das EU-Parlament auflösen müßte, so weist das in diese Richtung. Die im übrigen weite Teile der europäischen Bevölkerungen ja längst verspüren! Nur fehlt ihnen der Mut, weil sie sich in diesen Fragen natürlich weit überfordert sehen müssen, Veränderungen auch selbst zu verantworten - eine der grundlegenden Schwächen der heutigen Massendemokratien, übrigens. Daß Stadler nicht wie so viele (man erinnere sich an die bemerkenswerten Meinungswandel NACH erfolgter Abstimmung zum EU-Beitritt in Österreich so mancher Grün- und Linkspolitiker) in Brüssel zum EU-Apostel wurde, spricht zweifellos für ihn. Auch wenn er manchen seiner Lichtblicke gewissen charakterlichen Neigungen zur Antinomie verdanken mag, sie sind nicht weniger berechtigt und "richtig" wie die Neigung so vieler EU-Apostel, dazugehören zu wollen. Es tut nichts zur Sache, und hat gewiß auch seinen Sinn. Stadler ist nicht weniger Glied dieser Gesellschaft, wie wir, und wie Harmoniesüchtigere, und damit nicht weniger legitim und zeitgemäß, ja wenn nicht zeitgemäßer als so viele andere, ist seine Haltung.
Nur eines ist auch klar: Veränderungen, wirkliche Veränderungen, wie sie die Bevölkerungen Europas längst ersehnen, von jenen zu erwarten, die alles, ihre Existenz, ihr Einkommen, ihre soziale Stellung, ihre Macht diesen politischen und EU-Systemen verdanken, ist defacto ausgeschlossen. Oder, wie Adorno es einmal ausdrückte: Es gibt nichts Richtiges - im Falschen. Die Systembetreiber haben es längst begriffen. Sie wissen sich längst im Krieg. Nur ... pscht!
Zitieren wir zum Abschluß noch einmal Die Welt
Internetrecht-Experten und Bürgerrechtler kommentierten das Urteil der Luxemburger Richter in ersten Reaktionen kritisch: Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, moniert, mit dem Spruch würde der EuGH die Grundlage für eine weitreichende Netzzensur legen: "Was der EuGH heute für urheberrechtsverletzende Inhalte entschieden hat, könnte morgen auch für politisch oder anderweitig unliebsame Internetseiten gelten. Netzsperren gefährden die Meinungs- und Informationsfreiheit, während sie zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen weitestgehend untauglich sind."
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