Die TU-Wien hat in einem "interdisziplinären Projekt" die beim Hypo-Alpe-Adria-Bankenskandal verschusterten 19 Milliarden Euro, die Österreichs Steuerzahler in den nächsten Jahren aufbringen werden müssen, anschaulich gemacht. Und dazu mit 40 Studenten eine Stadt im Modell ausgearbeitet, die mit diesem Betrag zu errichten wäre. Es wäre eine Stadt mit "Lebensqualität", meinte der Projektleiter im Standard. Und sie wird "Hypotopia" genannt. Eine Utopie vom Glück also, ein Wunschbild, wie sich heutige (vor allem junge) Menschen.
Auf welchen Beinen eine solche Utopie steht ist aber das eigentlich Interessante daran. Denn es wirft ein Bild auf die geistige Verfaßtheit der Gegenwart.
Die Highlights der Milliardenstadt, die auch auf Nachhaltigkeit setzt, sind:
- eine Müllverbrennungsanlage
- ein Fußballstadion
- eine Brauerei
- ein Bahnhof
- eine Stadtbahn
- autofreie Straßen
- vertikale Farmen
- ein Wasserkraftwerk
- ein Windpark
- Flussboote
Nun sollte man Utopien nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn in ihnen zeigen sich immer die als "gut" erkannten Maxime einer Generation, einer Kultur. Was also läßt sich herauslesen?
Zunächst fällt auf: Es fehlen Banken, es fehlen aber auch Polizeistationen, denn in dieser Stadt der Zukunft soll es ja keine Verbrechen geben. Es fehlen aber auch - und das ist das Bemerkenswerteste - Sakralgebäude. Es gibt keine Kirchen oder Pfarrzentren oder Tempel. Das sei diskutiert, aber offenbar nicht angenommen worden, werde aber bei einer geplanten weiteren Ausarbeitung der Stadt nun doch folgen, schreibt der Standard. Man sei sich aber noch nicht klar, wie es "zeitgemäß" gelöst werden könne. Religion also als zusätzliche Funktion eines ansonsten bereits "guten Lebens", sofern es eben von jemandem "doch" gebraucht wird. Ihr Maß aber wird von woanders her bestimmt. Nicht ... umgekehrt.
Und wer meint, daß die Vertikalfarmen (in Form riesiger senkrechter Trapezoide am Stadtrand) zufällig sind, irrt. Denn sie sind nur noch explizit, was diese Lebensform - denn hier wird eine Lebensform entworfen, keine "Stadt"; wer Architektur sagt, meint immer Lebensform und -gestaltung - an sich bedeutet: Loslösung vom Raum, der einer Loslösung vom Boden entspricht. Die Welt wird (siehe u. a. Heidegger) zum "Gestell", zur Nutzanwendung und Eigenschaft. Landwirtschaft wird aufgelöst, sie wird zur "Pflanzenzüchtung", nein, zur Lebensmittelproduktion. Die Welt, umgebrochen auf Funktionen, auf Nutzen. Leben, Vitalität wird von einem "perfekten Außen" erwartet, das zu gestalten unserer Ratio unterliegt. Da braucht es keine Prozessionswege und keine Altäre in Tempeln.
In diesem Rahmen sind auch sämtliche "Werte" zu betrachten, die im wesentlichen der neuen Sentimentalreligion entstammen, die sich seit Jahrzehnten definitiv von den USA ausgehend ausgebreitet hat. Die einen fatalen Fehler hat: Sie simuliert Gefühle, sie läßt fundamentales Fühlen und sie läßt Geistigkeit gar nicht mehr zu, schneidet aber der Reflexion den Weg ab, indem sie das Gegenteil behauptet. Die deshalb schizoid ist, und schizoid macht. Den Menschen also von seiner Basis abschneidet.
Bis in die hohe Neuzeit herauf wurden auf der ganzen Welt Städte genau umgekehrt gebaut: Initium war die Verankerung in der kosmischen und transzendenten Ordnung. Deshalb nahm jede Stadt, jede Ansiedlung, ja jedes Haus von einem sakralen Zentrum ihren Ausgang. Der alte "Herrgottswinkel", der das Herz eines Hauses war und ist, zeigt das auch im Christentum nachdrücklich. Und über die Bedeutung des Feuers, der Frau als dessen Hüterin, muß man nicht lange reden. Niemandem wäre es eingefallen, auf ein Leben zu setzen, das nicht in göttlicher Zustimmung durch Einfügung in seinen Plan, der der ganzen Welt zugrundeliegt, gegründet ist.
Morgen Teil 2) Der Traum vom zukünftigen Leben als Traum vom Schrecken
*200814*