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Samstag, 2. August 2014

Vom Gewußten, das gar keines ist

Wenn nun also klar ist, daß alles Gewußte im Geglaubten fundiert - selbst das Gewisse, das das Gewußte konstituiert, ist ja ein als wahr Geglaubtes: eine Wahrheit wird nur geglaubt, nie "errechnet" - so ist auch klar, daß die Haltung dem Sein selbst gegenüber, Gott gegenüber, die Struktur auch des sogenannten "irdischen Gewußten" bestimmt. Deshalb gibt es auch etwas wie einen Gesamtstand einer Kultur in ihrer Fähigkeit, überhaupt zu "wissen". So, wie es eine Befähigung einer Religion gibt, Wissen(schaft) zu generieren.

Spätestens hier ist es an der Zeit daran zu erinnern, daß der Glaube, Wissenschaft ließe sich vom Glauben, von der Religion trennen, noch sehr jung ist. Selbst im 19. Jhd. bestand noch gewisse Scheu, auch wenn sich dieses Denken bereits Bahn gebrochen hatte. Aber es ist ein fataler Irrtum: es gibt überhaupt, betrachtet man es genauer, kein "rein irdisches Wissen", so wie es keine "rein irdische Logik" gibt. Wo immer davon gesprochen wrid, sind es lediglich Hilfsbegriffe, die notdürfig abzugrenzen versuchen, und dabei nur eine Tendenz bezeichnen. Denn es gibt ja nur zwei Richtungen - zu Gott, oder von ihm weg.

Um die nötige Richtung des Verstehens anzudeuten (aber um Gottes willen: nicht sie erschöpfend zu "erklären") kann gesagt werden, daß der eigentliche Akt des Wissens der eines Festhaltens an der Wahrheit einem Geglaubten ist. Während das Geglaubte aus dem Geist der Wirklichkeitsbewegung selbst, in der er weht, entsteht, dessen Art sich an der Sittlichkeit scheidet, die der Atmende hat, und in der Reaktion auf die Welt zur Wahrheit (oder zum Irrtum) nicht zuletzt kraft der Phantasie aus vom Geist Geoffenbartem*, Aufgegriffenem gestaltet. Um es in der Sprache zurückzuhauchen.²

Wenn sich die Wissenschaft in Europa seit der Renaissance in diesem einen Irrweg verfing, so konnte sie das groteskerweise nur auf der Basis der bisherigen Geschichte: sie hat sich an der christlichen Wahrheit so berauscht, daß sie meinte auf sie verzichten zu können. Möglich geworden, weil das Grundbewußtsein, der Zustand der Kultur, ihre Weltdurchdringungsfähigkeit zutiefst von der Wahrheit geprägt war. Mit der fatalen Folge, daß das Werk dieser (noch ganzheitlichen) Kulturhaltung dann zum Fetisch selbst wurde: Aus der technischen Mächtigkeit erwuchs der (im Sittlichen entstandene - die Renaissance zeigt einen Wandel der sittlichen Haltung an -) Glaube an eine technische Konstituiertheit der Welt, die durchaus ohne Gott zu denken wäre. Und verwechselte das Beschreibende von "Gesetzen", die als Tätigkeitsausfluß des Seins selbst verstanden wurden, als Analogien zu Gott also (insofern kann natürliches Wissen in einer Linie mit Erkenntnis Gottes gesehen werden) - mit dem Ursprung.

Wissenschaft blieb nur insofern und dort noch produktiv, als sie sich immer wieder der Strenge der ihr zugrundeligenden Gesetze bewußt wurde, auch wenn ihr Erhellungsvermögen zwangsläufig damit immer beschränkter wird. Wo sie diese Frage aber zugunsten der Weltimmanenz zu lösen versucht und gelöst zu wissen vermeint, löst sie sich zwangsläufig zum bloßen Gerede, das höchstens noch logizistisch (weil in gewisser ahnender Scheu) Schlußelemente verwendet, auf. Wissenschaft "weiß" dann immer mehr - von immer weniger.

Denken wird selbst beim Studium der Geschichte zum Heraussuchen von gerade passenden Elementen, die nur noch äquivok, zum wesenlosen Sprechgleichklang entblättert, verwendet werden, "gleiches Denken" zur Anpassung von "Meinungen". Schon deshalb, weil auch das Geglaubte, das wie gesagt erst das Gewußte konstituiert, nicht machbar ist, und doch in der Sittlichkeit des Menschen gründet, ja, eben genau in der Sittlichkeit gründet. Die im Denken also offenbar wird! Das heutige Denken und Weltanschauen ist alsohäufig nur noch direkt dem Feigenblatt zu vergleichen, das sich Adam und Eva umbanden, weil sie sich in ihrer Sünde zu verbergen suchten.

(Es gründet eben wirklich alles - auch alles was eine Kultur zu leisten vermag - in der Möglichkeit zur Schuldvergebung, die nur von außen, vom Sein her möglich ist, und der realen, fleischlichen Erlösung von der Sünde, also in der sakramentalen Gnade. Hier möge man doch genau jede, wirklich jede Religion der Menschheit betrachten, und die Rolle, die die Reinigung in ihr spielt.)

Das was also in der Wissenschaft passiert ist und heute in Selbstfortzeugung immer ungezügelter passiert ist mit Recht als Revolution zu bezeichnen, die Franz von Baader so definiert, daß sie eine Bewegung ist, die sich von ihren eigenen Quellen abschließt, ihren eigenen Fundierungen entgegensteht, und deshalb zwangsläufig im Chaos endet, weil den Ast absägt, auf dem selbst sie (noch) sitzt.  (Man muß deshalb sehr genau beachten, was an dem, was heute so rasch "Revolution" genannt wird, nicht bereits auf einem revolutionären Zustand reagiert, also im eigentlichsten Sinn gar keine Revolution ist, sondern damit Reform genannt werden müßte. Die ja die Neuerschließung der Quellen beabsichtigt. Umgekehrt ist manche Reform kein solche, sondern Revolution - solchen Bestrebungen gehen deshalb auch Neudefinitionen des Ursprünglichen einher, und dort steckt dann die Revolution.)

Deshalb kann auch eine gesamte Wissenschaft irren, auf Holzwege gehen, die sie ins fruchtlose Niemandsland führt. Und das Verwunderlichste ist manchmal zu beobachten, daß diese Möglichkeit für die (jeweilige) Gegenwart als so unmöglich gesehen wird - während die Geschichte der letzten Jahrhunderte das Gegenteil doch nahelegen müßte: Denn solche totalen Paradigmenwechsel kamen häufiger vor, als man erinnert. Nach wie vor kaum ins Bewußtsein der Bevölkerungen gedrungen ist ja etwa der dramatische Wechsel, der vor etwa 80 Jahren stattfand. Was sich heute als "Gewußtes" offenbart und von den Menschen meist als "Wissen" geglaubt wird,  ist in den allermeisten Fällen Abraum aus einer längst überwundenen "Wissenschaft" des 19. Jahrhunderts! Meist aus mangelhafter Rezeption der Entwicklungen der Philosophie folgend, die nämlich vor 100 Jahren begriff, daß sie die Grundlagen des Erkennens neu zu denken habe und deshalb vor allem Erkentnniskritik wurde. (Wenn man heute oft den Ruf nach "Ganzheitlichkeit" hört, so mischen sich hier Schlagworte aus eben dieser Entwicklung mit dem ganzen Sack an überholtem "Wissen", der am Rücken noch mitgetragen wird, sodaß altes Wissen auf neue Schlagworte anzuwenden versucht wird.) Was sich immerhin noch so stark in der Physik ausdrückte, die als erste Naturwissenschaft an diese Erkenntnisgrenzen stieß und um die Relativität ihres "Gewußten", also die Abhängigkeit von Erkenntnisvoraussetzungen zu wissen begann.

Aber damit ist auch klar, daß nichts die Menschen so konkrete und real trennt - wie die Religion. (Die aber für die Form realen - nicht nur dahergeredeten - Gottesbezugs und damit auch der Struktur des "Gewußten" wesentlich ist.) Sie macht selbst den natürlichen, scheinbar weltimmanent möglichen Lebensvollzug als Einenedes, also eine Kultur als Gestalt des Lebensvollzuges eines Volkes, einer Ansammlung von Menschen "seiendes", unmöglich.** Eine Annäherung über sogenannte "Fakten", über "Gewußtes", ist nämlich genau NICHT möglich. Einher geht also eine sogenannte "Bildung", die auf diesem nunmehr bestenfalls notwendigen schemenhaften Nachfollzug gewisser "Denkfiguren" beruht. Wo "Einfall" den Geist ersetzt und der Selbstwahrnehmung vorgaukelt, zu "denken", während nur tote Sprache umgestellt, und das Element des Neuen durch Irrationales (man schaue auf die Kunst, aber eben auch auf den ganzen Bereich der Esoterik) zu ersetzen versucht wird. Mit dem fatalen Ergebnis, daß das heute "Neue" praktisch immer die Wiederholung eines alten Sprachgebrauchs ist, Epigonentum, weil das Alte, das ja auch nur aus dem Gesamtzustand der jeweiligen historischen Epoche einer Kultur verstehbar wäre, noch dazu gar nicht mehr verstanden und zur bloßen Anwendung wird.



²Wo immer der Mensch deshalb auf den Geist reagiert, selbst wenn es der eine Einzige Gottes wäre, so ist sein Ausatmen gewissermaßen "gefiltert" von seinem sittlichen So-Sein. Genau so, wie der Mensch nur das einatmet, was ihm sein sittlicher Zustand - als Anruf an den (welchen?) Geist - gestattet weil vorwählt. (Worin sich begründet findet, daß das Einatmen eines Geistes, der dem eigenen Zustand widerspricht, der ihn fordert, der ihm seine Deformiertheit klarmacht, entweder in Zerknirschtheit und sittlichem Höherstreben - oder im Haß und Beharren, das damit Abstieg und Gegenwehr ist, beantwortet wird. 

Denn dabei ist die Frage des Einatmens des Geistes nur die eine Hälfte der Wahrheit - die andere ist ja die des Ausatmens, in dem der Mensch seiner Haltung zur Welt Gestalt gibt. In jedem Fall also findet sich in dem Ausgehauchten, im Gesprochenen, Getanen, auch der sittliche Charakter und Freiheitsgrad eines Menschen. Jeder Irrtum gründet in Sittlichkeit, die im Tun und Reden zum Wirkfaktor wird. Die heute so häufige Aussage, daß alle Weltsichten (und Religionen) gleichermaßen ihr Recht und gleichrangig Wahrheit hätten, ist im Grunde der simple und geistlose Versuch, den eigenen Zustand zu verschleiern, die Schuld und das schlechte Gewissen zu verbergen. Gleiches gibt es vom Versuch zu sagen, Beurteilung des Anderen auf formelle "Qualität" (wozu auch gewisse moralische und moralistische Aussagen zählen) zu verlegen: weg vom Sein, hin zum Schein.

*Und das wurde in der Geschichte des abendländischen Denkens nie anders gesehen - schon in der Antike angefangen, deren Rolle, die sie den "Musen" zuschrieben, damit verständlich wird.

**Leider wird in manchen Bestrebungen, die von einer "Aussöhnung von Wissenschaft und Religion" sprechen, diese Grundbestimmung des Erkennens oft viel zu wenig beachtet. Meist, indem der Wissenschaft eine Autonomie bei Aussagen "über die Welt" zugesprochen wird, die sie gar nicht hat. Und nicht selten beginnen dann Religionsvertreter, ihre Religion zu ändern - WEIL die Welt angeblich so und so "ist". Dabei sind sie es, die der Wissenschaft sagen (bzw. gesagt haben und sagen müßten), wie die Welt IST, sonst sind Wissenschaft und Logik überhaupt nicht möglich.






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