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Dienstag, 5. August 2014

Ein Land, das nie Krieg führt

50 Jahre Vietnamkrieg, zelebriert die Presse. Aber haben die Amerikaner denn überhaupt je einen Krieg geführt? Haben sie gegen Vietnam Krieg geführt? Haben sie überhaupt seit Jahrzehnten noch einem ihrer Gegner in ihren Kriegen einen Krieg erklärt?

NEIN. Denn die Amerikaner hatten gar nie Gegner. Sie waren nur Vollstrecker einer gottgewollten Welt- und Menschheitsordnung, der zum Durchbruch zu verhelfen sie auf der Welt sind.

Seit Jahrzehnten führen die Amerikaner deshalb nur noch Vernichtungsfeldzüge gegen Rebellen gegen ihre Werteordnung. Sie aberkennen allen ihren Gegnern den Status als vollwertige Menschen, ihr Gegenüber ist deshalb auch nie ein Staat, als gleichberechtigter Kontrahend. Und so ein Gegner kann nur noch vernichtet werden.

Weil sich damit aber die Widerstandskraft des anderen erhöht, die eigene mit der Zeit schwächt, ziehen sie sich nach gewiser Zeit wieder zurück, wenn ihnen klar wird, daß sie diesen Kampf nicht gewinnen können. Und solche Kämpfe kann man nicht gewinnen, aus naheliegenden Gründen. Also ziehen sie wieder ab, hinterlassen aber dabei heilloses Chaos nachhaltig zerstörter Ordnungen, die nur einen Fehler hatten: daß sie nicht der Heilsvorstellung der Amerikaner - aus denen heraus sie ihre Interessen zu heiligen Geboten machen, die jedes Mittel rechtfertigen - entsprachen.

Wer keinen Krieg beginnt, der kann ihn auch nicht beenden. Nicht mehr und nicht weniger zeigt sich hier. Die Kultivierung des Krieges, den das Völkerrecht bedeutet, das nur Recht gleichrangiger Partner sein kann, ist nicht einfach ein zynisches Beschränken - es macht erst einen Krieg möglich. Hebt kriegerische Handlungen aus dem bloßen und aus seiner Natur folgenden Vernichten zu einer Handlung. Das ist auch der Grund, warum die USA, wenn sie ein Land verlassen, keine Staaten hinterlassen. Denn die USA kennen keine Staaten.

Genau das ist das Schema, das die USA seit Jahrzehnten verfolgt und praktiziert. Krieg haben die USA nie mehr geführt. Es waren morali(sti)sche Kreuzzüge, die ihren Interessen dienen sollten. Was wiederum ein Selbstbegreifen zum Grund hat, in dem sich die Amerikaner überhaupt als das gelobte Land selbst verstehen, moralischer Richter und Exekutive in einem. Das macht amerikanische Interessen zu Interessen Gottes. Wer nicht für die USA ist, ist damit gegen "Gott". Die Amerikaner haben die ganze Welt zum rechtlosen Land erklärt, in dem nur sie Recht SIND. Und das durchzusetzen dürfen sie jedes Mittel ergreifen.

Es berührt deshalb immer seltsam, wenn die Amerikaner von "Völkerrecht" sprechen. Denn sie kennen keine anderen Subjekte des Völkerrechts. Nur sie selbst sind ein solches, und sie sind das einzige. Sämtliche Institutionen sind ihnen nur soweit akzeptabel, als sie ihren Interessen dienen und andere zu knebeln vermögen. Im Zweifelsfall, d. h. im Fall ihrer Interesssen setzen sie sich über alle diese Institutionen ohne jeden Skrupel hinweg. Die Amerikaner anerkennen nur ein Völkerrecht - das Recht ihres eigenen Landes.

Und sie setzen damit übrigens in einer Tradition an, der sie letztlich entstammen. Denn damals, als sie Europa verließen, um sich in diesem "gelobten Land" niederzulassen, herrschte weltweit genau diese europäische Rechtsauffassung: Nur in einem christlichen Reich war Recht, nur Getaufte hatten Rechtsstatus. Nur sie waren Subjekte mit Rechten und dem Respekt als Gleichrangige, welche Gleichrangigkeit ein Rang der Institutionen war. Alles, was territorial darüber hinaus ging, war zur Landnahme frei, seine Bewohner waren rechtlos. Aus den realen Erfahrungen aber heraus, hat sich Europa mehr und mehr - ausgehend von der Kirche, die diesen Zustand sehr rasch als unmoralisch erkannte (der berühmte Fall des aus Südamerika zurückkommenden "Las Casas vor Karl V.") - zu einem Völkerrecht durchgerungen, das auch fremden Völkern Rechte und vor allem Subjektstatus zuerkannte. Nur menschliche Gier und Schwäche hat das immer wieder zu verhindern gesucht.

Aber die Amerikaner setzen genau dort an. Und sie prolongieren damit die Praxis, die sie in der eigenen Landnahme bis ins 20. Jhd. zur Anwendung gebracht haben, als sie das vorgefundene Land selbstverständlich als "herrenlos" und damit annektierbar, seine Bewohner als rechtlos und ohne Subjektstatus betrachteten. Es wird Zeit, diese Haltung als das zu erkennen und zu bezeichnen, was sie ist, und die Augen von iPods und Chevrolets und DisneyWorld-Wochenenden und Genmanipulationen wieder frei zu machen, die nämlich (wie der Technizismus selbst, der nur Anwendung von Vorhandenem ist, der NIE schöpferisch Neues schafft) derselben Kategorie angehören: Die Unkultur eines primitiven Volkes im Persönlichkeitsstatus eines Kleinkindes, dem jede Form unerträglich weil untragbar ist, weil sie die Persönlichkeitskraft dafür (noch) nicht hat.*

Die Art der Kriegsführung der USA ist deshalb keine Kriegsführung. Sie ist die Zerstörungsneugier eines Kleinkindes, das in seiner Unkenntnis einen Wecker zerlegt, um dann festzustellen, daß er nicht mehr funktioniert. Dem aber - welch charakteristischer Zug der Zeit! genau dort steht ja auch die Pädagogik! - die heutige Welt eine verniedlichte Welt aus Mickey-Mouse-Schultaschen und Pumuckel-Stühlen anbietet, zu der sie sich selbst umgestaltet, weil es die Zornausbrüche des ungezogenen Balgs fürchtet. Was die Amerikaner aber dringend bräuchten wäre schlicht und ergreifend Erziehung, wäre vor allem ... väterliche, männliche Autorität. Und sie werden so lange keine Ruhe geben, wie Kinder es nämlich auch tun, bis sie an diese Autorität gelangen. Denn Kinder kann man nicht "besänftigen", wenn man ihnen nachgibt, ihnen Grenzen weiter nimmt, man hypertrophiert dann nämlich ihre Ungezogenheit. Krankhafter Größenwahn ist die Folge.




*Die Attraktion, die der amerikanische "way of life" für so viele Menschen darstellt, beruht auf dem Versprechen einer Art "Kinderglücks". Das angeblich dann eintritt, wenn die Welt in ein Kinderzimmer umgestaltet ist, in dem nichts Erwachsenes, keine reife Form mehr stört, sondern in dem alles zum andauernden Vergnügen da ist. Natürlich gibt es eine solche Welt nicht, immer bricht Wirklichkeit ein, aber die wird weggedrückt, für "nichtig" erklärt. Der Mythos lebt, solange alle daran glauben. Deshalb ist es wesenstypisch für die Amerikaner der Gegenwart, im Grunde laute Mythen zu produzieren, und alle dazu zu zwingen, diese für echt zu nehmen. Hollywood ist tatsächlich ein repräsentatives Merkmal der Amerikaner geworden: sie produzieren nur noch Traum-, Kinderwelten. Billige Kugelschlecker und Jahrmarktswatte. Und zwar mit genau der Durchtriebenheit, die Kinder nämlich haben - die genau wissen, wo die wirkliche Welt daheim ist. Jedenfalls NICHT in ihrem Kinderzimmer. Deshalb ist jeder eine Gefahr, der dieser Kinderwelt ihre Relevanz abspricht. Die Amerikaner haben keine realen Feinde - ihnen ist aber jeder Feind, der diesen Schein anzweifelt. Die geamte US-Wirtschaft baut wie noch nie nur auf solchen Zukunftsversprechen auf. 

Die Ernte, die die Welt, und dabei vor allem Europa, dafür einfahren wird, daß - und soweit - es diesem Gehabe auf den Leim geht, steht jetzt bereits fest: Wie bei Kindern wird die USA mit einer Verachtung reagieren, die in Haß umschlägt.




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