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Freitag, 8. August 2014

Schnee gibt's auch im Kaukasus

Welchem Zweck dienen Wirtschafstssantionen? Sie sollen Druck auf die Politik ausüben. Wie versuchen sie das zu erreichen? Indem ein Volk unter Druck gesetzt, wird, auf daß dieses Volk diesen Druck auf die Politik - von innen her, quasi - ausübt. Wirtschaftssanktionen machen also ein Volk zum Mittel der Politik. Nicht anders, als wenn man Zivilstädte bombardiert, um die Gesamtmoral eines Landes zu zerschlagen, und somit die Politik auszuhebeln.

Wirtschaftssanktionen richten sich also gegen ein Volk. Sie sind eine Form des "totalen Krieges". Wobei sie viel weiter gehen, viel tiefer ansetzen, als es aussehen mag. Denn internationaler Handel baut auf der Komplementarität und Verläßlichkeit der Partner auf. Man verläßt sich aufeinander, und man hört zum Beispiel auf, Karotten anzubauen, wenn das aus dem nachbarland auch geliefert werden kann, wo die Bedingungen vielleicht günstiger sind, und konzentriert sich vielleicht eher mehr auf Schweinebohnen, die im Nachbarland gebraucht, aber im wechselseitigen Vertrauen nun ebenfalls nicht mehr angebaut werden, weil sie dort ohnehin schlechter wachsen. Internationalität von Wirtschaft baut also auf Vertrauen auf. Wirtschaftssanktionen brechen mit diesem Vertrauen, sie gehen also sehr weit: sie zerstören dieses Vertrauen. 

Nun schießt Rußland natürlich zurück. Mit wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen hier, mit Neuausrichtungen auf andere Importquellen dort. Das muß es tun. Ein Land kann nicht einfach die andere Wange auch hinhalten, es wäre ein Versagen der Politik, die ja die Aufgabe hat, ihr Volk zu beschützen, und auch seinen Selbstwert zu verteidigen. Es wäre Verantwortungslosigkeit, wenn Politiker nicht mit Gegenwehr reagierten, denn hier geht es nicht um die persönlich-christliche Haltung der Politiker, sondern um ein Sachgesetz, das Gesetz der Erhaltung einer Identität.

Die EU hat beschlossen, das russische Volk zu treffen, um Putin zu treffen. Das ist die Natur von Wirtschaftssanktionen. Verbot von Rüstungsimporten betreffen die Vertrauensbasis auf Staatsebene, sie sind ein anderes Kapitel, aber auch hier gilt: Wo einmal Vertrauen zerstört ist, wo der andere, der sich im Vertrauen auf meine Zuverlässigkeit sich in Abhängigkeit von mir begeben hat, nun düpiert wird, ist es nur schwer, wenn überhaupt, wieder aufzubauen. Kein Fluß bleibt jemals derselbe.

Warum aber, bitte schön, schlagzeilt Die Welt dann, daß Putin mit seinen Importsperren - die Reaktion auf die EU-Sanktionen - "das russische Volk leiden" ließe? Es ist die EU, die das russische Volk leiden läßt, ganz bewußt. Sie ist es, die einen aggressiven Akt GEGEN DAS RUSSISCHE VOLK setzt. So, wie Lord Harris die deutschen Städte ausradieren ließ und damit einem Volk seine kulturelle Tradition regelrecht in Schutt und Asche legte. 

Und das weiß das russische Volk auch. Es betrachtet die zuvor vertrauensvoll in ihr Leben integrierten Länder Westeuropas plötzlich als gar nicht so wohlgesonnen, wie noch der Stangl-Wirt in Going (Tirol), der extra eine russische Balalaika-Gruppe einfliegen hatte lassen, vollmundig geschworen hat. Sie kommen nicht mehr. Und jahrzehntelanger Aufbau von Wirtschafts- und persönlichen Beziehungen ist mit einem mal ... perdu. Zernichtet. 

Und der Stangl-Wirt und seine Zulieferanten müssen nun ihre sauteuren (pardon, "hochwertigen") Kasnocken und original Tiroler Wurstaufläufe mit Trüffelekantinen, die vor allem russische Mittelstandstouristen, deren es viele, sehr viele gab, und die sich ihren Urlaub im Freundesland viel kosten ließen, selber essen. Oder an die Schweine verfüttern. Die, geschlachtet und zu original Tiroler Schopfbraten und Rippchen zerlegt, aber Rußland ja auch nicht mehr abnimmt. Rußland macht damit genau dasselbe. Nicht einfach als Retourkutsche, sondern weil es ein Wort von Politiker von Politiker ist. Auch hier soll also der Stangl-Wirt die Politiker an seinen Tisch holen, und ihnen sagen, was Sache ist. Wobei - zu spät ist es allemal.

Aber warum versucht man dem Stangl-Wirt zu suggerieren, daß "Putin" das russische Volk leiden ließe, weil es seine mit Trüffelkantinen aufgeplusterten Sauhaxen nicht mehr abnimmt!?

Putin, Putin ... als wäre Rußland eine simple absolutistische Monarchie! Absolutistischer jedenfalls, als der ganze unsinnige Parteienapparat im Westen, der jeden simplen Sekretärsposten (man lese übrigens Max Webers "Politik als Beruf") nach Parteibuch vergibt. Wie erst dieser Tage als Beispiel eine entsprechende Anweisung der Salzburger Energiebetriebe an die Öffentlichkeit gedrungen ist; ein purer Skandal, über den sich aber niemand lange mehr aufregt, in Österreich, denn so war und ist es in Österreich ja seit Jahrzehnten, es ist längst Teil der Alltagskultur.

Herr Stangl, das russische Volk, so meint der VdZ, wird die Absenz ihrer besonders aromatischen Schweinshaxen vielleicht bedauern, aber verschmerzen. Und sich wohl notgedrungen an Scheinskarree aus Tadschikistan oder China und Steaks aus Argentinien gewöhnen (die, freilich, hoffentlich besser schmecken als die von Maredo, denen es am Entscheidenden fehlt, weil das "just in - just out" für Steaks ein Verbrechen ist.) Die AUCH was haben, glauben Sie einem Liebhaber kräftiger Kost. Man muß sich nur umgewöhnen. Schnee gibt's auch im Kaukasus. Der von manchen ja überhaupt als die Wiege der abendländischen Kultur gesehen wird. Die Antike jedenfals sah ihn so. Prometheus war an den Elbrus geschmiedet. Erst deshalb wissen wir, daß es die Eiger-Nordwand auch könnte. Aber dorthin läßt sich kein Russe mehr schmieden.

Es war die EU, Herr Stangl, die die Ketten zerriß. Das mag man mögen, oder nicht mögen. Aber man muß es zur Kenntnis nehmen. Und damit die Folgen der Politik tragen. Hier, wie dort. Mit Ursache, Wirkung und Reaktion. Wenn Sie sich aber nun den Kopf zerbrechen, wie sie die Kredite für ihr neues Biotopstrohdumpelwumpelsolarium abzahlen sollen, wenden Sie sich bitte an Brüssel. Die haben dort Geld in Speichern lagern, die (wie es heißt) größer sind als jeder Büroturm in Moskau.

Fragen richten Sie aber bitte an Brüssel und Wien. Die Herren dort werden sich schon etwas gedacht haben, einen totalen Krieg anzuzetteln. Weil sie noch einmal gerne tausend Kilometer vor Moskau lägen. (Dieses Erlebnis hatte ja die heutige Politikergeneration noch nicht; wir sollten ihnen gönnen, was etwa der Vater des VdZ rutzeputz in seiner Lebenskiste verpackt hatte, sie wollen ja auch was erleben!) Dabei nicht vergessen: Politik ist immer ein Arkanum. Auf gut soll-österreichisch: "Was wissen denn mir einfachen Deppen. Die da oben, die wern's scho wissn. Alsdann, pack ma's."

Übrigens, Herr Stangl (der natürlich anders heißt ...), wenn schon von Eiger-Nordwand die Rede war: Die Schweiz hat es diplomatisch höchst klug und gerecht gehalten. Die  haben nicht wirklich selber Sanktionen verhängt. Sie habe nur - vertragstreu in allen Dingen - soweit "Sanktionen" beschlossen, als die Schweiz sich nicht als Umgehungsweg benutzen lassen wollte. Das, schreibt die NZZ in einem Gespräch mit dem russischen Botschafter in Bern, wissen die Russen sehr gut zu unterscheiden. Vermutlich, Herr Stangl, werden einfach ihre trüffelkaramelisierten Bohnenschnitzel durch ... Käsefondue ersetzt werden. Dann leidet vielleicht überhaupt niemand mehr, werte Die Welt. Denn Leute wie der VdZ ziehen gutes Käsefondue sowieso jedem Trüffelschwein vor. Und Bern ist sogar interessanter als Kufstein und Going samt Wellnessoase und Ajurveda-KnowHow zusammen.

Oder glauben Sie wirklich, daß die russische Hausfrau in Nowij Uralsk ab sofort kein Gemüse für ihren Borschtsch mehr am Markt zu kaufen kriegen, wie uns die Welt einreden will? Die konnte sich Ihr handverlesenes Biokarotterl (Biomöhrchen) oder das garantiert glutenfreie Schopfstückerl des Bauern aus Mittersill auch bisher nicht leisten. So, wie die meisten Österreicher bzw. Deutschen.




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