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Sonntag, 24. August 2014

Gott und Welt erkannt, wie man lebt (1)

Robert Spaemann knüpft auch an C. G. Jung an, wenn er in seiner Meditation zum 25. Psalm die kindliche Erfahrung in der Familie als Grunderfahrung der Struktur des Kosmos selbst beschreibt. In den Eltern, im Zueinander von Vater und Mutter, erfährt das Kind damit auch die Wesenheit Gottes, des Ursprungs der Welt, in dem sie gegründet ist, aus dem sie hervorgeht. Das Kind erlebt die Welt als aus dem Zusammenspiel von Vater und Mutter hervorgegangen und davon abhängig. Und zwar in der Polarität. Denn es selbst ist speziell zu Anfang ganz der Mutter zugehörig, und in diese Geborgenheit, diesem Einssein, tönt nach und nach das Wort des Vaters.

Erst allmählich löst sich das Kind, indem es zu sich selbst erwacht, indem es allmählich einen Ich-Begriff bildet, und allmählich ein Selbst aufbaut. Und es begreift, über Krisen, daß auch die Eltern Sünder sind, Schwächen haben, wie es selbst. Deshalb folgt auch meist eine Gotteskrise in der Pubertät, dieser Phase des Suchens nach einem eigenen Standpunkt aus dem Ich heraus, in der auch die Eltern mehr und mehr in ihrem menschlichen Sosein erkannt werden. 

So zeigt sich in den Geisteshaltungen, den Weltanschauungen der Kinder, dann, später, als Heranwachsende, als Erwachsene, ganz exakt die Struktur, die das Kind zu Anfang erfahren hat. Das ist weit weit mehr, als einfache gedanklich mögliche Weltbilder, die hier vermittelt wurden. Es ist die Struktur der Herangehensweise an alles, was an weltlichen Inhalten nach und nach auftrifft, und zu ordnen ist. Die Weise, wie es geordnet ist, folgt diesem "Archetyp", wie Jung es dann nennt. 

So also denkt dann der Mensch, wie er diese Weltfundamente erfahren hat. Er denkt in Erde und Gott, er denke in Mann und Frau als dem Wesen des Werdens und Seins aller Dinge. Hier Geist, dort die Materie, die aufnimmt und sich dem Geist nach formt.

Weil aber diese Struktur der Polarität Mann-Frau WAHR ist, also sich mit den Seinsstrukturen der Welt deckt, sie zum Ausdruck bringt, hat eine abweichende, andere erfahrene Struktur schwerwiegende Auswirkungen im Verhalten. Denn die Matriarchalität, die heute erfahren wird, läßt den Menschen den Geist als WIRKUNGSLOS (oder gar nicht vorhanden) erfahren. Das Kind erfährt den Geist, das Wort, den Vater, und damit Gott als machtlos.

Das treibt viele, ja die meisten Menschen, aus selbstevidenten Gründen, zu "wirkungsvolleren" Methoden, um Welt gründen zu können. Die Dinge gewissermaßen selber in die Hand zu nehmen. Zu Techniken, zu denen auch Gedanken gehören bzw. werden können, zu Methoden, zur Magie (als Zerfallserscheinung einer Religion), zu Methoden die "Geisterfahrung" evozieren sollen. Oder auch zum Moralismus, der Technik der Heilserlangung.

Das Denken unserer Zeit verweist deshalb exakt auf die real vorhandenen Strukturen der Familie, die sich auch in den Staat hinein verlängern. Der Autonomismus der Gegenwart, dieser Irrglaube (dem man im größeren Maßstab das zum Nebel gewordene Wort "Demokratie" umhängt), aus sich selbst heraus alles erbringen zu können, ist damit die direkte Folge der Enthauptung der Familien, wie sie durch Gesetze, als politischer Wille, seit Jahrzehnten ganz konsequent verfolgt wird. Das Kind erfährt die Mutter, die Erde, die Materie, als gleichzeitige Selbsthervorbringerin des Wortes, der Formen, die zu Gestalten der Welt werden.  Es erfährt den Vater als entselbstet und machtlos, als Teil der Mutter. (Jede Verweisung auf entsprechende Gottes- und Religionsbilder ist gefordert und keineswegs zufällig.)

Nahezu alles, was heute an Ideen und Weltanschauungen und -fragmenten durch die Luft schwebt (im wahrsten Sinne des Wortes; immerhin stammt auch das Wort "Geist/spirit" von "Atmen"), ist in dieser Verwüstung der hierarchischen - das heißt: geordneten - Polarität von Mutter und Vater, von Mann und Frau zu suchen. Die mit bloßem "Machismo" nicht zu sanieren ist, der ja nur die mangelnde Gestalterfülltheit verhüllen soll, auch wenn er im Einzelfall seine Berechtigung haben mag, als geringeres Übel sozusagen. Vieles, was als Patriarchalismus daherkommt, ist gar kein solcher, sondern entspringt der Erfahrung der Unfähigkeit, der Ungeduld der notwendigen Mühe, aber auch der Entmächtigung durch gesellschaftliche Prozesse und Gesetze, den Grund der Welt zu legen. (Ein Umstand, aus dem sich schon alleine vieles im praktischen Islam und seinen Schattierungen erklärt.) Fehlt das Wort, fehlt die Behauptung, fällt die Welt wieder ins Nichts. Das Schicksal auch der "Muttersöhnchen", der heutigen Generationen (Narzißmus wird selbst von der UN-WHO als "häufigste neurotische Störung" des Westens reklamiert), die gar keine Vatererfahrung mehr haben, die in einer Welt aufwachsen, die nur noch von der Mutter abhängt.




Morgen Teil 2) Wer die Grundstruktur der Welt verkennt, trifft nur noch Fehlurteile




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