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Mittwoch, 13. August 2014

Geschichtsbetrachtung aus Selbstverachtung

Was sich in der Naturwissenschaft mit Wechselwirkung mit der Philosophie (und sogar: der Theologie, nicht zuletzt im Protestantismus) ausdrückte war das allmähliche Selbsterleben des entgeisteten Menschen in der Gefangenheit (weil Gefallenheit) in die physische Natur. Zunehmend erfuhr sich der Mensch ausgeliefert, der Hoffnung auf Geistigkeit durch die Philosophie zunehmend beraubt. Also kam es in der Philosophie des 18./19. Jhds. zur Ausprägung ganzer Systeme, die diesen Immanentismus (in Kant und Hegel) zu großen Systemen zur Welt selbst erklärten. Gott und das Weltganze "retten" konnten beide Systeme nicht, sie führten ihn quasi als unerkennbares Außen (Kant) hier, als Teil der Welt dort (Hegel) ein.

Gleichzeitig entstanden aus derselben Welt- und vor allem Selbsterfahrung (die nur noch den den Resten der Sittlichkeit der vorgängigen Jahrhunderte gehalten wurde, als quasi zweiter Pol, der manche Radikalität noch verhinderte - auch Darwin konnte sich nicht entschließen, "Gott" ganz aus seinem System zu werfen) weltimmanente materialistische Systeme, die mehr und mehr die Welt zu einem Solipsismus erklärten. Es dauerte nicht lange, daß diese Gedankensysteme sich in der Lebensführung wirklichten, und von dorther nach und nach die Humanwissenschaften durchdrangen. Bis zu einem der Höhepunkte, in der Entstehung der neuen Psychologie, die auch das geistig-seelische Leben des Menschen zur weltimmanenten Mechanik erklärten. Und zwar - weil es das tatsächlich mehr und mehr geworden war!

Was aber alle diese Systeme real übersahen und nach wie vor übersehen ist, daß sich das Objekt ihres Forschens VERÄNDERT. Es sinkt in dem Maß, als diese mechanistischen Ansichten die Menschen und ihre Sichtweisen durchdringen, tatsächlich auf dieses Niveau herab. Und zwar nach wie vor und ungebremst. Was diese Wissenschaften also erforschen und an Erkenntnissen zu Tage bringen ist kein "Wachstum" des Wissens über den Menschen, sondern es ist ein Mitgehen, eine Art "historisches Bestimmen", das mit seinem tatsächlichen Niedergang und Verfall parallel geht. Der eigentlich ein Auseinanderfallen mit Gott IST und dessen Endpunkt nicht ein rein innerweltlicher Mensch ist, sondern das Nichts, der Tod - im Falle des Menschen: die Hölle, die bereits in diese Welt herübergeholt wird.

Wenn also heute historische, vergangene Epochen "untersucht" werden, so trifft das Erkennen darüber immer weniger das, was damals wirklich passiert ist, was damals wirklich gewirkt hat. Sondern geht von einem bereits weit untergeistigen Zustand (wir vereinfachen, um das Auszusagende deutlicher zu machen) aus, um eine noch weit geistigere Epoche zu analysieren. Das muß zwangsläufig zu einem Fehlurteil führen. Und je niedriger wir fallen, desto mehr wird uns die Vergangenheit "schlecht" - was nichts als ein an fremdem Objekt formuliertes Selbsturteil ist!

Das Ablehnen der Väter, das Abschneiden der Tradition, ist also aus dem Ekel über unseren gegenwärtigen Zustand geborgen. Denn jede Wissenschaft ist nach dem Bilde der Zeit geformt, in der sie stattfindet. Sie fördert also auch nur jene Bilder, die sie in sich selbst trägt, und kann schon gar nicht mit berücksichtigen, daß das "Objekt" ihrer Betrachtung sich mit ihnen mit gewandelt hat. Die "relecture" des Wissens der Vergangenheit bringt also in Zeiten des Verfalls - der ein sittlicher Verfall bzw. ein Verfall der Sittlichkeit ist, und insoweit er es ist - nicht die ehrfürchtige Hochschätzung der Väter mit sich, sondern deren ... Verachtung. 

Was deshalb heute die Psychologie - als Paradebeispiel - über den Menschen aussagt, ist keine Wahrheit über den Menschen, sondern wird selbst immer tiefer in den mechanistischen Materialismus absinken. Aus dem bloßen Faktenbild (wir vereinfachen noch weiter, um besser zu zeigen) kann sich die heutige Psychologie deshalb gar kein begründbares "Normalbild" vom Menschen mehr machen. (In der Psychotherapie als wirkende Hand ihrer Theorie hat sie diesen Anspruch ja schon längst aufgegeben, klar, dort merkt man das Unzutreffende ja am ehesten)

Was die (von einer klaren Philosophie und Anthropologie nahezu bereits unbeleckte) Psychologie heute über den (an sich physisch-geistig polar konstituierten) Menschen sagt ist nicht, "wie er ist", sondern wie sich ein gar nicht mehr gekanntes Menschsein zufällig äußert. Aber es ist kein Wesensbild mehr, sondern zufällige historische Beschreibung unter denselben Schatten, unter denen die Forschungsobjekte stehen, oder die sie auf diese übertragen. (Nicht selten funktioniert die Psychologie ja nur deshalb, weil es ihr gelingt, den Patienten ein gewisses starres Welt- und Interpretationsbild einzuflößen, das diese wie entgeistete Zombies weiterleben, aber scheinbar wieder "funktionieren" läßt.)

So, wie die Humanwissenschaft heute den Menschen sieht und durch "Forschung belegt", ist er nicht, und ist er nie gewesen, so ist er nur aus den Fakten selbst erkannte zufällige faktische, historische Lage, aus der es kein Entrinnen gibt. Noch verainfachter gesagt: Wenn tatsächlich zunehmend "Mechanismen" aufgefunden werden, so nicht, weil es diese immer gab oder substantiell "gibt", sondern weil der unfreie Mensch der Gegenwart auf die Stufe dieses Mechanismus abgesunken ist. Und dieses Bild der Unfreiheit wird auf alle bzw. aufs Prinzip übertragen. Ohne zu wissen, daß geistlose Zeiten und Kulturzustände auch den Menschen mehr in die Leiblichkeit drücken bzw. ihn über ihre wesentlichen Wirkweisen nicht in seine Freiheit anzuleiten vermögen.

Oder, als virtuelle dialektische (Hegel!) Gegenwende, um die Freiheit noch zu retten: sie fällt in den Idealismus, das rein Virtuelle also, das meint, alles im Menschen sei ohne Physis rein gedanklich, Wirklichkeit selbst wäre bloßer Gedanke, Flucht in den reinen Schein, begleitet von völligem Relativismus.

Zusammengehalten meist in reinem Manichäismus, der Aufspaltung von Leib und Geist/Seele, die bestenfalls notdürftig (durch Anwendung falscher Methoden auf richtige Fakten) wieder geflickt wird. Sicherstes Zeichen der Unvereinbarkeit von realer, immer noch begegnender Weltwirklichkeit, und der Fähigkeit, diese zu sehen. Weshalb angesichts gewisser unübersehbarer Fakten die Psychologie sich ja vielfach in auffallende Weise schon mit der Esoterik vermischt, um "Wirkung" (und damit die Illusion von Wirklichkeit) wiederzugewinnen.





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