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Sonntag, 24. August 2014

Was Musik kann

Nichts an dem Lied(text) ist logisch, oder von nichts könnte man wirklich sagen: Ja, so wäre es. Es bleibt eine Art assoziative Lautmalerei, fragmentarische Aussage, und insofern "trotz Text" weitgehend instrumental. Und doch hat Hubert von Goisern etwas getroffen, was eben nur Stimmung ist - und sie hält diese Fragmente zur (nonverbalen, immanenten, poetischen) Wahrheit zusammen. Wahr auch als Anhalte für Handeln. Man möge von ihm nur keine relevante philosophische Analyse erwarten. Aber es ist vor allem die Musik, die alles enthält, die weiß, ohne es zu "wissen".

Man überfordert deshalb gerne Musiker, die mit ihrer Musik die richtige Aussage treffen, aber sie niemals analytisch formulieren können, ja in ihren Gedankengebäuden, darauf hingedrückt, lächerlich inkonsistent sind. Sie artikulieren es eben in Stimmungen, und das ist ihre mächtig wirkende Leistung, denn der Mensch denkt und handelt aus Gestimmtheiten (die von unfreier Laune zu scheiden freilich nur wenigen gelingt), sein Sein ist Rhythmus, damit klangliches Gestaltbild. Musiker werden gar oft sogar peinlich, wenn sie diese Autorisierung in ihrer Begrenzung nicht akzeptieren, und ihr Denken die Höhe ihrer Musikalität nicht erreicht. Was oft der Fall ist.

Denn in diesem ihrem Werkmedium werden sie, die Musikschaffenden, eben frei. Indem sie sich zu dem, was in ihnen klanglich-rhythmisch chthonisch wirkt, verhalten, es im Werk herausstellen, sich damit erst selbst erkennen.

Musik ist deshalb oft viel wahrer - aber auch gefährlicher, weil leicht irreführend, denn für eine Gesamtlösung des Menschseins in der Welt reicht sie im Normalfall nicht hin - als das Denken der sie Schaffenden. Und diese sind oft viel reifer in ihren Werken, als dort, wo man sie zur Vollfigur alltäglicher Obliegenheiten zwingt. Wo sie dann rasch einmal nur unbeholfen herumtappen, weil ihnen das Medium der Alltäglichkeit - und diese soll keineswegs geringgeschätzt werden, ja sie ist der Grund und Bezugspunkt für den Künstler selbst, ohne die er sich gar nicht fände - immer fremd bleibt.

Hier scheidet sich sogar der Lyriker vom Schriftsteller, der Künstler vom Intellektuellen oder Philosophen, trotz überschneidender Mengen. Denn letztlich, letztlich ist doch alles Poesie. Was immer der Mensch weiß, ist ein poetisches Bild. Ja, nur das weiß er wirklich. Denn alles Wissen ist ja nur der Glaube, daß das "artikuliert Gewußte" auch gewußt wird. Das zu zeigen, als Fundament des Wirklichen, auch im Alltag, ist künstlerische Aufgabe, egal in welchem Medium, in dem es sich enthält und aus Formkraft Gestalt nimmt.

Gleichzeitig zeigt eine Zeit die die Gegenwart, in der allerorten und jederzeit Musik zu hören ist, Wortgeräusch, eine gefährliche Tendenz zur Irrationalität an. Als Verweigerung der Mühe der Wahrheit, die eine sittliche Forderung der Wahrhaftigkeit des geführten Lebens, nicht nur der Kritik, darstellt. Denn nur wer wahrhaftig lebt, kann auch wahrhaftig denken. Nicht nur "richtig". Nur dessen Lebenswerk ist damit auch von den wirklichen Wirklichkeiten durchtränkt und geformt. Wer falsch lebt, denkt auch irgendwann falsch. Wer sich in falscher Architektur bewegt, wird zu sich selbst gespalten. Denn er macht sich selbst taub, und spielt auf falscher Tastatur. Die man zwar zu beherrschen lernen kann, aber nur "in gewissen Hinsichten". Der Künstler und der (nur) Virtuose sind also zwei völlig unterschiedliche Charaktere und werden bedauerlicherweise oft zu wenig auseinandergehalten.

So ist der entscheidende Reifepunkt der künstlerischen Existenz ausnahmslos das Abstreifen jener Verhangenheiten, die ihn von seinem Medium, dem Wasser in dem der Fisch alleine schwimmen kann, entfremden. Sie machen sein Werk sogar verlogen oder eitel. Denn er ist nur dem Werk verpflichtet, nicht dem Publikum. Sein Kriterium darf nie der Nutzen sein. Wer mit den Augen des Publikums denkt, das zwangsläufig und richtig in seinem Lebensvollzug im Nutzengeflecht des alltäglichen Lebens steckt, hat bereits verloren. Und zwar ... sich. Das macht ihn zur exemplarischen Existenz, denn Reife beginnt immer im Ergreifen der letzthinnigen Einsamkeit in der Welt.

Wie es ein mit dem VdZ befreundeter Maler unlängst ausdrückte: "Es kommt für uns darauf an, wie man lebt. Das Werk ist dann ein Zweites, und seine Entstehung, seine Gestalt unterliegt ganz anderen, historischen Bedingungen." Seine Daseinsberechtigung erfließt aus der bewußt unnützen (als: nicht der Nützlichkeit eingeordneten) Lebensform alleine. Wie beim Mönch, wie beim Eremiten, wie beim Philosophen, wie beim Priester.







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