Man kann sich den hierarchischen Aufbau der Schöpfung so vorstellen, daß ein universales, überhelles Licht sich nach unten hin in jeweils einer nächsten Stufe - dem Seienden, den "Dingen", dem, das "etwas ist"- wie durch ein Prisma bricht. Jede dieser nunmehr auseinanderfallenden Spektralfarben wird in einer nächsten Stufe, in der es weiter auf ein "etwas" trifft, von diesem neuerlich gebrochen. Das passiert in alle Richtungen und Ebenen, mit dem Zentralausgangspunkt des unendlichen, universalen Lichts, aus dem alles stammt, und in dem alles enthalten war und ist. Sein muß, beständig sein muß, weil es diese Farbenbrechung, die man als "Wesen" der Dinge bezeichnen könnte, nur gibt, solange dieses Zentrallicht besteht.
Jene Punkte, an denen sich das Licht bricht, sind Einheiten der Welt - Seiendes, das von seinem Wesen definiert wird. Was kein Wesen hat ist auch nicht, denn "was" sollte es auch sein? Dieses Wesen ist also die jeweilige gebrochene Lichtfacette. Und sie steht darin niemals nur für sich.
Die Welt ist kein auseinandergefallenes Licht, ist keine bloß summative Sammlung von Atomen, sondern jedes dieser Teile enthält sein Bezüge auf die unmittelbare Umgebung, auf seine Herkunft, und auf das Ganze. Nichts kann also einfach nur "aus sich heraus seiend" begriffen werden, sondern in ihm zeigt sich indirekt zumindest weit mehr. Denn es ist Beziehung. Keine Spektralfarbe ist "aus sich", sondern - wie jeder Maler weiß - bezieht es sein Selbstsein untrennbar und "gleichzeitig" aus dem Umfeld, der Beziehung auf das Nächste und das Insgesamt.
Das Beispiel, das der Verständlichkeit halber mit möglichst einfachen, alltäglichen Begriffen* zu arbeiten versucht, funktioniert übrigens auf gleiche Weise mit den Tönen, die in gewisser Weise sogar dem Licht vorausgehen, denn ohne Ton, ohne Schwingung gäbe es das Licht nicht, und was die Dinge formiert, also zu einem "Etwas" macht ist sogar zuerst der Ton. In ihm bricht sich dann das Licht bzw. führt es den Ton als "Schwingung", als Frequenz, als Rhythmus mit sich. Alles "das etwas ist" ist deshalb zuerst ein Hörendes. Was nicht hört kann nicht einmal leuchten, als brechen des Zentrallichts. Was sich nicht auf diesen Ton - nennen wir ihn: logos, Wort, als das was auf etwas hinzielt, sich auf etwas zu bewegt, Sinn - bezieht, und zwar laufend, also als Seinsmodus bezieht, fällt ins Nichts.
In diesem Seiendsein (als ein "etwas das ist", weil und nur soweit es am Sein überhaupt, am Licht überhaupt teilhat) hat alles das "etwas ist" zwar ein gewisses Eigensein, aber nur, solange es im Begriff steht, der dieses "etwas das ist" als einen Bezugsknotenpunkt konstituiert wie faßt. Damit ist klar, daß alles immer nur bzw. auch nur aus seinen Beziehungen² erkennbar sein kann.**
Alles Lichthafte ist somit nicht direkt erkennbar, sondern nur über seine Brechung, über die Dinge. In der Erkenntnis dieser Dinge kann der Erkennende (und das muß ein Subjekt sein, weil ein subjektiver Akt notwendig ist, um es zu erfassen, ein Entschluß, "in diesem Ton zu schwingen", der bei der Pflanze stumme Ausgerichtetheit nach dem Licht (über die Sonne), der beim Tier Instinkt, beim Menschen aber Wille als geistige Gerichtetheit ist) am Lichtspektrum im Erkannten teilhaben, um daraus indirekt am gesamten Licht teilzuhaben.
Damit ist nachvollziehbar, daß es keine Gesamtheit der Schöpfung als "Einheit der Welt" geben kann, die diese Zueinanderordnung der Dinge, in der das jeweils Untere vom Oberen abhängt, das Obere auf das Untere aber ausgerichtet ist, sich in ihm nämlich seiner Selbst und seiner Mächtigkeit erfreuend, nicht beachtet. Diese Zueinandergeordnetheit (Hierarchie) ist damit überhaupt der Weg, in dem die Welt sein kann - oder ins Nichts fällt.
Mit der Erkenntnis der Dinghaftigkeiten (dessen, was "etwas ist") wird also im Einzelnen, im Erkennenden das Zentrallicht angestrebt, und mit dem Wachsen der Erkenntnis (das zu einem Wachsen der Erkenntnis der Bezüglichkeiten wird) wird im Erkennenden das Zentrallicht "wirklich", indem er es immer mehr in dessen Gestus nachahmt, indem er dem Zentrallicht also ähnlich (analog) wird.
Die Stufen der Schöpfung lassen sich deshalb anhand dieser Disposition auf das Ganze, das Zentrale hin ordnen. Erst daraus läßt sich die Geistigkeit des Menschen auch erfassen, die auf das Lichthafte (als das eigentliche Wirkliche nämlich!) ausgerichtet ist. Bei allem Nicht-Menschlichen fehlt dieser geistige Impuls, und er ist dort in nur je beschränkterer Weise vorhanden, der etwa bei der Pflanze ganz von seiner Umgebung abhäng, beim Tier bereits etwas weiter zu sehen ist (und bis zur Intelligenz geht), um im Menschen den Gesamtgestus des Universalen zu fassen vermag.
Der Mensch ist deshalb ja auch in der Lage, es sich überall auf der Erde einzurichten, und mit allem auf irgendeine Weise zurechtzukommen, wenn er genug Geist - logos, Sinn, Licht ... - in Analogie nachgebildet, also in seinem Existieren als und in der Welt realisiert hat. Und er kann dies kraft seiner Beziehungsbezogenheit, er kann dies kraft seiner Position innerhalb jener Hierarchie, in die hinein er gestellt ist, in die hinein er als logos-Analogie aus logos heraus geschaffen, gezeugt und geboren ist.
Das Maß des je individuellen Geistes des Menschen ist also zwar prinzipiell auf das Universale ausgerichtet, aber je nach seiner Stellung in dieser vom Licht ausgehenden, also Heiligen Ordnung kann er nicht nur ausschließlich je seine Facette, seine Farbe und Tönung realisieren, sondern gerade IN diesem Realisieren seines Ortes (denn er bzw. alles "was etwas ist" ist damit ja auch Ort, aus logos heraus), liegt seine Teilhabe am Universalen. In dieser Tönung liegt als Bezogenheit, in der jeder Teil vom Ganzen erzählt, seine Möglichkeit zur Teilhabe am Zentrallicht.
*Begriffe sind Verweise auf den logos und brauchen deshalb die Offenheit auf ihn hin, sonst werden sie tot und unbegreiflich, reine Verschubgegenstände in einer sinnentleerten Sprache.
²Der Leser möge nur irgendeinen Gegenstand zur Hand nehmen, egal welchen, und ihn einmal aus dieser Warte betrachten. Sofort wird ihm klar werden, daß dieser scheinbar kleine, für sich stehende Gegenstand ein Gesamterzählung der Welt enthält, daß sein scheinbar so begrenzter Sinn - und wenn es nur ein Löffel oder ein Wörterbuch ist, das vor ihm liegt - auf all seinen Ebenen eine indirekte Erzählung der ganzen Welt ist. Daraus wird auch klar, daß es - Calderon zeigt es so schön in seinem "Großen Welttheater" - zwar eine hierarchisch-kulturelle Bezogenheit als Einordnung in "oben und unten" von allem gibt, und daß diese wesentlich ist, also nicht "zu vernachlässigen", daß sich daraus aber kein Unterschied der Würde der Menschen ableiten läßt, sondern im Gegenteil: daraus alle in derselben Würde stehen. Wenn man heute also von "Gleichberechtigung" u.ä. spricht, so ist im rechten Verständnis nur diese gleiche Würde gemeint, die aber NIEMALS die hierarchische Bezogenheit aufheben kann, sondern im Gegenteil: sie voraussetzt und sogar braucht.
Wer eine Matroschka betrachtet, diese russische Puppenkonstruktion, wo in einer ununterbrochenen Kaskade eine je kleinere Puppe in einer je größeren steckt, kann eine Ahnung bekommen, was damit gemeint ist: Sie tragen alle das gleiche Bild, aber sie sind alle an ihrem "hierarchischen" Ort. Man kann eine Matroschka nicht beliebig zusammenbauen, sonst erhält man nicht das Ganze, das, worauf sich die jeweilige Größe der Teilpuppen bezieht und für dessen Gesamtheit es notwendig ist.
**Die Quantenphysik hat vor allem das gezeigt: Nichts, kein Teilchen ist "für sich", sondern es ist nur "actu", also nur als Aktives überhaupt, und darin von seiner Umgebung, seinen Bedingungen bedingt wie diese gleichermaßen bedingend. Das Newtonsche Konzept der Physik, in der alles als "für sich stehend" betrachtet und gemessen wird, ist mit der Quantenphysik nicht (oder nur in einer gewissen Herabstufung, einer Art "reduktiven, in Dingheiten gefaßten Ding-Welt", vereinbar.
*101216*