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Mittwoch, 11. Januar 2017

Wenn aus dem Pony ein Pferd wird

Man schätzt, daß von der Mitte des 19. Jhds. bis zu den frühen 1960er Jahren 5 bis höchstens 7 % der Schulabgänger ein Universitätsstudium absolvierten. Heute liegt die Quote bei 40 %, und die Politik möchte diesen Prozentsatz am liebsten noch weiter steigern. Aber diese Massen widersprechen dem Sinn der Universität, den sie nur noch durch Verschulung und "Ausbildung" abwehren konnte. Normiert an "Wisssensstandards" (Stichwort "Bologna"), die den Sinn von Vorlesungen - als Momente der Forschung, der Entwicklung des Denkens, auch oder gerade beim Vortragenden, dem man in einer Vorlesung "beim Weiterdenken zusehen kann, "ab absurdum führen. Stattdessen wird er durch inhaltliche Kriterienfestlegung zum "Kontrolleur" einer Standarderfüllung, die immer mehr von außen, vom Staat, von Nutzen und Gebrauchtsanforderungen vorgegeben wird, . Stattdessen wird "richtiges Wissen" vermittelt, und Studium wird zum Erfüllen inhaltlichen Wiederkäuens, wo man sich mit google und Wikipedia Normerfüllung abliefert.

Und mit dieser Haltung, nun zertifiziert das "Richtige zu wissen", gehen die Studenten auch von den Unversitäten wieder ab. 'Die gar keine Zeit mehr hatten, auch die Wechselfälle ihres eigenen Lebens (und sei es die in diesen Jahren normale Phase von Verliebtheit, von Standortbestimmung, und was auch immer) durchzuleben, um so als Ganze zu reifen.

Damit fehlt es am Entscheidenden, an dem, was Bildung von Wissenspaukerei unterscheidet. Die leicht manipulierbare Massenabgänger produziert, die nur noch an Prüfungen und Kriterienerfüllung orientiert waren. Von einem wirklichen Aneignen - als Selbstdenken* - kann keine Rede mehr sein. Die Massenuniversität kann den Grundgedanken der Universität nicht mehr erfüllen. Sie muß zu einer Standardisierung auf niedrigem Niveau führen. G. K. Chesterton bezeichnete das schon 1922 als die größte Gefahr für unsere Kultur.

Schule und Universität aber sind wie Pony und Pferd, man kann nicht eines aus dem anderen machen, es sind zwei verschiedene Arten, sagt dazu Professor Marius Reiser. Das wird heute dadurch verwischt, daß man das Pony zum Pferd erklärt. Weitergeführt kann man in einigen Jahren die Universitäten schließen und durch Bibliotheken mit Lehrbüchern ersetzen, was umgekehrt das Verschwinden der eigentlichen Bibliotheksarbeit führen wird. Denn die Massen werden keine Bücher mehr lesen, außer jene, die man eben für einen Zweck unbedingt lesen muß.**









*Inhalte aufzunehmen kann ja nur heißen, sie so anzueignen, daß man sie nciht nur selbst formell reproduzieren kann, sondern schöpferisch reproduziert, indem man sie als Modelfall des Denkens selbst hervorzubringen in der Lage ist, zu dem man eine Stellungnahme entwickelt hat. Dazu braucht es zuerst eine Phase des autoritativen Gehorsams - wie in Kindheit und Jugend - um diese Formen aufzunehmen, in sich zu tragen, die man im Erwachsenwerden dann "objektiviert", also mit der Reife der Persönlichkeit beurteilt. Aber das wird schon generell völlig verkannt. Denn auch die Schulen gehen heute genau den umgekehrtem, falschen Weg, und wollen schon Fünfjährige zu "kritischem Beuwßtsein" bringen. Was nur heißen kann, daß die jungen Generationen überhaupt nichts mehr aufnehmen, überhaupt nicht mehr gebildet werden, sondern in dieser Unreife verharren, und mit derselben Unreife Universitätsprüfungen absolvieren, um dann "das Richtige zu wissen" weil wie einen Weltschutz vor sich her zu tragen, mit durch Diplome "attestierter Bildung".

**Antiquare können davon ein Lied erzählen. Sie haben dem VdZ geschildert, daß es in den letzten Jahrzehnten zu einem dramatischen Wandel gekommen ist. Selbst "akademisch Gebildete" haben heute keine Bibliotheken mehr in ihren Haushalten, nur noch ein paar billige Ausgaben jener Bücher, die sie zum Studium "gebraucht haben", neben ein paar Exemplaren billiger Belletristik-Massenware. Was sie heute vorfinden sind antiquarisch wertlose "Gebrauchtbücher", aber keine facettenreichen Bildungslandschaften mehr, in denen sich der Mensch wie in einem Garten des geistigen Weltreichtums, der Weltmöglichkeit ergeht. Wirkliche Privatbibliotheken, wie sie früher so häufig waren, gibt es nicht mehr. Das, was das frühere Hauptgeschäft der Antiquare war, das Aufkaufen von Bücherbeständen wirklich gebildeter, gutbürgerlicher Kreise, mit dem sie eine wichtige Kulturfunktion erfüllt haben, ist mangels Ankaufmöglichkeiten, aber auch dem entsprechend fehlenden Käuferschichten schon jetzt verschwunden, und wird mittelfristig völlig verschwinden.





*081216*