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Sonntag, 14. Februar 2021

Gut plus guter plus Guterstes ist gleich China, oder so (1)

Wenn man um die engen Verbindungen des Großkapitals mit dem chinesischen "Modell" weiß, wundert man sich nicht weiter darüber, daß auf Youtube viele der Spielfilme der letzten Jahre, die in China produziert wurden, so einfach und kostenlos abrufbar sind. Anders als im Westen produzierte Filme, die peinlich auf Urheberrechtsverletzungen achtgeben und ihre Filmschätze hüten wie ihren Augapfel, daß nur ja kein Betrachter in den cinematischen Genuß kommt, ohne seinen Obolus am Eingang entrichtet zu haben. China macht es kostenlos.
 
Und wer - pars pro toto - den Film "Die Achthundert - The Eight Hundred" anschaut weiß, warum. Denn so haben es die Chinesen heutigen Zuschnitts gern, ja so brauchen sie es unbedingt: Kein Volk kann bestehen, kein Volk kann groß werden, das nicht auf einem Heldenmythos aufgebaut ist. Jeder Versuch, Zukunft auf einer gescheiterten Vergangenheit aufzubauen, muß umgekehrt scheitern. Wir erleben das ja derzeit. Und eine der Langzeitstrategien der 'Kommutalisten'*, die sich auf eine nicht begrenzbare Vorzeit berufen können.

Wir bringen deshalb den Hinweis auf diesen Film nicht als Empfehlung. Wenn er sehenswert ist, dann als Studienobjekt und für solche, die daran interessiert sind. Warnen aber sogar davor, das (ähnlich wie die Machwerke Steven Spielbergs) überzogen und mit dem Holzhammer präsentierte Schaufensterarchetyp "Heldenepos" als vermeintlich akzeptablen Kern des Films zu schlürfen. 

Oder die Jugend schlürfen zu lassen. Denn der Film würde in den Augen des VdZ zu sehr verwirren, und diesen an sich so großartigen, ja eine ganze Charakterbildung übernehmen könnenden Archetyp in ein dermaßen häßliches Gewand zu stecken. 

Und das trotz eines Epos, der ganz offensichtlich mit Hollywood konkurrieren, ja dieses in jeder Hinsicht erreichen oder übertreffen zu können. Angeblich hat "Die Achthundert" gigantische achtzig Millionen Dollar gekostet. Und man meint es zu sehen. Wie an der opulentesten Ausstattung, in der sich Massenszene an Massenszene reiht (bei zweieinhalb Stunden Dauer), mit Method-Acting-Schauspiel-Simulation bis zur Parodie, und so strapaziertem Symbolismus, daß er die Erzähllinie in tausend Einzelteile zerschießt. Sprich: Vor lauter Symbolen und Strass-Geflunkere sieht man kaum noch eine Handlung. Der dementsprechend auch jede gewachsene, also über Identifikation (und damit Vernunft!) funktionierende Dramaturgie fehlt. 

Was natürlich, wie sonst, durch laufend eingeblendete Erklärungen und einer Erzählstimme zu kitten versucht wird. Aber da ist nichts zu retten. So etwas kann nicht einmal noch den patriotisch ersoffensten Produzenten verborgen bleiben, wenn sie in ihren Privatkinos, bei Moët & Chandon und Salzcräckern, einen ersten Grobschnitt vorgeführt bekommen. Der VdZ wäre gerne beim PreScreening dabei gewesen, wüßte gerne, was man noch gemacht hat, um den Eintopf doch noch zu retten. Man kennt sich bis zum Schluß nicht nur nicht "auskennt", sondern selbst zum Notgriff rennt, an dem man sich etwas wie eine Erzählung zusammenschustert. Was "Die Achthundert" aber nicht zu leisten vermag. 

Höhepunkt der Lächerlichkeit, die sich somit ergibt, und in der der Film sogar noch Spielbergs Groteske "Gefährten - War Horse" übertrifft, ist in diesem von Geld aus jeder Pore schwitzenden Film die "durchgängige Linie" eines durch jede dritte Szene trabenden weißen Pferdes. Während durch Kameraeinstellung und Szeneneinstreusel ständig irgendwelche Symbole in den schließlich völlig überladenen Plastikblumenstrauß gesteckt werden, die nicht einmal nach einer Stunde noch Orientierung darin geben, was man überhaupt sieht.


Dabei hätte man aus der Geschichte sicher etwas machen können. Hätte man nur nicht versucht, sie in jene Reihe von Filmen zu stellen, mit denen China sich selbst die letzten ein- oder gleich fünfhundert Jahre der Vergangenheit in Bausch und Bogen schönredet, in denen das Reich der Mitte keineswegs geglänzt hat. Man hört nicht zufällig allenthalben, daß das Problem des China des 21. Jahrhunderts das Überwinden der zahllosen Demütigungen und Verletzungen einer Volksseele, die es so gar nie gab, und die dennoch seit Mao wieder aufgerichtet, also konstruiert werden soll. Mit dem frommen Wunsch, daß sich die Gegenwart als logische Entwicklung aus der Vergangenheit präsentiert.

Schwer in einem Land, in dem die Versuchung, auf derartig riesige, ja gigantische Macht zu verzichten - man stelle sich vor: Als "ganzer" Staat kann man dann eineinhalb Milliarden Menschen in die Waagschale werfen! - einfach zu übermächtig ist. Wie soll man in einem Land eine "natürliche Linie" in der Geschichte finden, wo an eine Lösung, diese zahllosen Völker und Volkschaften in eine selbst gewählte Form staatlicher Unabhängigkeit zu entlassen, also wirklich "Natur" zuwählen, nicht einmal mehr im Traum zu denken ist. Und wo die zum Staatssystem erhobene Gehirnwäsche, wie sie der Technizismus möglich macht, schon zu lange gewirkt hat, als daß noch schöpferisches Leben möglich sein könnte. An die Opfer und der Bewältigung von Schuld als einziger Schlüssel zum inneren Frieden, also zur "Natur", wagen wir dabei gar nicht zu denken. Denn dann schaudert es einen nur noch.

Teil, ja unverzichtbarer, wesentlicher Teil dieser Gehirnwäsche ist eben dann, die Vergangenheit so umzulügen, daß sie ins gesollte Narrativ paßt. Auf die dabei erfolgte Partiallähmung der seelischen Kräfte, die eine verwurzelte, "wirkliche", schöpferische Seelenentfaltung auf gar nicht absehbare Zeit verhindert, meint der Technizismus ja ohnehin verzichten zu können. Für den der Nationalismus, der den Sockel einer natürlichen Heimatliebe umdeutet und mißbraucht, ein hervorragend geeignetes Instrument der Herrschaft ist. Das weiß auch das heutige China, das auf gespenstisch geschickte Weise mit den natürlichen Bedingungen des Menschseins im Interesse des Totalitären umzugehen versteht.

Auch bei uns, übrigens, daß wir uns da nur nichts vormachen, liegt der Sachverhalt kaum anders. Und beileibe nicht nur in Deutschland, wo ein so offensichtlicher Geschichtsdogmatismus zugange ist, daß man schon alleine deshalb mißtrauisch werden sollte, ob nicht das, was in der Gegenwart (die immer eine Resultante der Vergangenheit ist) verschleiert werden soll, in Fehlern begründet liegt, die viel viel früher schon gemacht wurden, als behauptet wird. Der Fehler, um es konkret zu machen, war nicht 1933ff, sondern um ihn zu erkennen gehe man noch weitere hundert und mehr Jahre zurück.

Morgen Teil 2) Es gibt immer einen David