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Donnerstag, 5. Januar 2023

Dann ist es Liebe

Immer wieder Perlen in den Dialogen in der Paramount-TV-Serie "1883". Wie die folgenden:

Der Sargeant, der den Treck mit nach Oregon begleitet, kauft der Zigeunerin, die im Treck einen Wagen besitzt, alleine, weil von allen verlassen und als Zigeunerin von den anderen Osteuropäern, die im Westen ihr Glück suchen, ausgestoßen worden war, einen aus Paris stammenden Handspiegel. 
"Wenn man vor dem Verhungern steht, werden die kostbarsten Stücke wertlos, wenn man nur ein Stück Brot dafür einhandeln kann." 
Wert gibt es nur im Rahmen eines funktionierenden Kulturganzen. Zerfällt eine Kultur - und jede Kultur ist wiederum aus dem Kult, aus der ernstgenommenen Religion genährt - erkennt man das auch daran, daß alle Werte unsicher werden. In einem kulturlosen Raum ist auch der wertvollste Klimpen Gold nicht mehr wert als ein Stein. Beides kann man nur noch dazu benutzen, den Feind zu erschlagen.
Als der Sargeant am Abend zu ihr kommt, um nach dem rechten zu sehen, sagt sie ihm, daß sie für ihn gekocht habe, und lädt ihn ein. Daraufhin holt er einen Spiegel hervor, den er am Handelsposten ersteigert hat. Es beginnt einer der schönsten Liebesdialoge im Film, den ich kenne. Gedreht 2021 in Hollywood, von Paramount. Man höre und staune:
Sie fragt ihn, warum er ihr einen Spiegel schenkt. 
"Wenn ich so schön wäre wie du, würde ich mich unentwegt in den Spiegel sehen und meine Schönheit bewundern."
"Du willst mich nicht heiraten. Aber du kaufst mir Geschenke."
"Du bist traurig und hast Angst. Du hast auch jedes Recht dazu. Wenn ich etwas geben kann, was dich glücklich macht, und dich beschütze, dann ist das kein Verbrechen."
"Du willst mich glücklich sehen."
"Klar will ich das."
"Du willst daß ich mich sicher fühle."
"Ja, Ma'm."
"Das ist Liebe."
Schweigen.
"Wenn ich zulasse, daß du dich um mich kümmerst, dann nicht aus Angst. Das heißt, ich liebe dich auch."
Sie öffnet ihr Kleid, läßt es zu Boden fallen, steht nackt vor ihm.
"Sehe ich ängstlich aus?"
Sie geht langsam auf ihn zu.
"Ich bin nicht der, der sich fürchtet, sondern du."
Sie küßt ihn zärtlich, er beginnt zurückzuküssen.
Ende der Szene

Einige Filmminuten und einige weitere feine Szenen später, diese kurze Sequenz. 

"Hier draußen (im Wilden Westen, Anm.) gibt es keine Wolke der Zivilisation. Hier gibt es nur freien Himmel. Hier gibt es keine Regeln, und wenn die Liebe kommt, brennt sie hier nur wie ein Feuer. Wenn du den Geliebten verlierst (was der Proponentin wenig zuvor geschehen ist, Anm.), dann wird dieses Feuer zur Hölle. Aber Du wendest dich ihr zu, und plötzlich verliert der Teufel das Interesse an dir. Und du darfst wieder leben."

Oder, andere Folge, andere Szene, sinngemäß: Ein unberührtes Land erkennt man daran, daß man verstummt, wenn man es sieht. Wenn man keine Worte dafür hat, man es nur noch großartig findet, ist es jungfräulich. 

"Wir haben seit Wochen nur Gras gesehen. Keine Tiere, keine Vögel, nicht einmal Eidechsen. Aber keinen Beweis, daß die Menschheit überhaupt noch außerhalb von uns existiert. Dafür ist die Prärie mit Knochen übersät. 

In der Stadt fällt das Böse des Menschen nicht auf. Denn seine schmutzigen Hände haben die Stadt erbaut. Aber an diesem Ort, wo Unschuld wie ein Mineral im Boden ruht ... sind unsere dreckingen Hände wie die Apokalypse, sieht man nur noch diese Spuren von ihr."  

Oder:

"Was wollen die?"
"Komantschen. Sie wollen Abgaben. Alle, die auf dem Weg nach Westen hier anhalten, um ihre Tiere zu weiden und Wasser aufzunehmen, müssen Abgaben bezahlen." 
"Abgaben? Bei den Komantschen? Hier ist Amerika, ein freies Land!!"
"Alle die glauben, hier ist Amerika, leben in Washington."
Und so weiter. Diese US-TV-Serie habe ich längst empfohlen. Es gibt sie offenbar bald vollständig in deutscher Synchronisation.

***

Dann heißt, sich zurecht zu finden, eine Welt erschaffen. (Anm.)

Was immer sonst noch - man muß die USA endlich einmal auch wirklich zu verstehen beginnen. Ich bin da ganz sicher. Sie hat sich uns viel zu einfach als "Unseresgleichen" etabliet. Aber sie ist es nicht. Und man wird sie nur verstehen lernen, wenn man Menschen in ihrer Großartigkeit findet. Denn jeder Mensch kann großartig sein.

Und ich bin auch sicher, daß man einen Menschen erst lieben kann, wenn man ihn verstehen will. Und man kann ihn nur verstehen, wenn man jeden Menschen als nächsten Anlauf Gottes begreift, uns eine Großartigkeit zu zeigen. Auf daß alle Menschen und mit ihnen die ganze Schöpfung großartig werde.

Kapelle Badenweiler Marsch, währenddessen Vorhang. Die Blonde von der Nordseehalling bitte mit dem Hut durch die Reihen gehen.


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Erstellung 30. Dezember 2022 - Ein Beitrag zur