Etwas, das nicht in den Händen des Dichters selbst lag, sondern ihre metaphysische Würde empfing die Dichtung von einer übermenschlichen Instanz, und was als Muse, als Gott, als Wahn über den Dichter hereinbrach. Der mußte nur die Fertigkeit so gut wie möglich besitzen, um den technischen Bau eines Werkes wissen. Aristoteles sieht es als höchstes Ziel, in allem Tun und Hervorbringen dem Vernunft- und Wertgehalt nachzugeben.
Schon bei den Römern freilich läßt sich eine deutlichere Tendenz zur "Incarnation" des Göttlichen im Dichter selbst feststellen, und das zeichnet sich in den Jahrhunderten vor Christus im Begriff des "Vates" ab. Im Vates war bereits der Prophet gemeint, der das Wort der Götter verkündete, und dazu brauchte es die rhythmisierte Form des Erhabenen. Noch deutlicher war der Dichter auch Hervorbringer, solange er seine Werke auch vortrug, wie es in alter Zeiten immer war, wo er auch "Sänger" hieß.
In diesem Punkt war die Kunst also bemerkenswerte Vorläuferin einer Incarnation der Götter selbst, die sich in den ersten vergöttlichten Imperatoren abzeichnete. Sofern sie nicht im religiösen Verständnis der Römer überhaupt längst angelegt war, denn ihm war alles Gelingen bereits direktes Wirken der Götter.
Um eben diese Zeit aber verschwindet die Poetik als eigene Disziplin des Machens. Für über 1000 Jahre.
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