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Mittwoch, 16. März 2011

Identifikation mit der Braut - II

Fortsetzung von Teil 1) -  Die Frau wird übergeben

Solche Riten, mit lokal oft abweichenden, stets aber die selben Inhalte bezeichnenden Ausfaltungen, die nachweislich selbst in der Westgotenzeit bestanden, hielten sich bis ins 17. und 18. Jahrhundert, im Ritus 1962 - wie erwähnt - hielt sich der Bezug auf diese anthropologischen Wirklichkeiten explizit bis in unsere Zeit. Theologisch freilich ist diese fundamentale Anthropologie unverändert gültig. Wobei man heute sogar verschweigt, daß die Handreichung, die auch heute noch üblich ist, ein altes, ein uraltes heidnisches Übergabezeichen war - der Übergabe der Braut an den Bräutigam, nein: IN dessen Gewalt als Haupt durch Überreichung (Reichung) der Hand. Ein alter "Zuführungsritus," der durchaus noch heute (in anderen Zusammenhängen) lebt.

Bis in die Neuzeit war auch üblich, daß nur der Mann der Frau einen Ring angesteckt hat: "Christus erwirbt sich die Kirche" (nicht umgekehrt) - Ausdruck derselben Wirklichkeit, und Reminiszenz an ... den Brautkauf, an heidnische oder vorchristliche, also weltliche Bräuche. Erst im letzten Jahrhundert, und vor allem im deutschsprachigen Raum, wurde ein "Ringtausch" daraus, als Ausdruck des für beide gleichen, einenden Bandes, das die Ehe ja (auch) ist: beide unterliegen ja denselben Rechten, und Pflichten, in der Treue, der Hingabe etc. "Nimm diesen Ring, als Zeichen DEINER Treue, im Namen des Vaters ..."

Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: in nicht wenigen Riten (und Ritualen) findet sich die Auffassung, daß der Mann die Stellung als Haupt nicht zu seinem Vergnügen, sonder zur Pflicht anzunehmen habe! Und so ist das auch immer verstanden worden und zu verstehen - auch hier besteht keine Beliebigkeit.

(Und DARIN liegt nämlich heute oft das größte Problem: der Kreuzesscheu bei den Männern, die in diesem Punkt gegen allen Zeitgeist agieren müßten. Reidick vermutet dieses Motiv auch seitens der Kirche, denn im 20. Jhd. finden sich zunehmend solche Hinweise aus den Ritualien getilgt - ohne daß sich die Auffassung der Kirche darin je geändert hätte: man kann von Sakramentalität nicht sprechen, ohne diese Haupt-Leibes-Struktur der Gatteneinheit zu meinen. Selbst die "Gepflogenheit", zur Verehelichung eine Hl. Messopfer abzuführen, hat dort seinen speziellen Grund: Eucharistie und Ehe sind die beiden "Kirchensakramente": die Ehe ist das wichtigste die Kirche darstellende Sakrament. Dort ist heute wohl auch der letzte Ort, wohin sich die Erinnerung an den eigentlichen Inhalt der Eheschließung - als hierarchische Zueinanderordnung von Frau und Mann zur Einheit - in der Verlesung des Epheserbriefes zurückgezogen hat. Bezeichnend, daß auch hier oft schon nur noch von "Liebe" geredet wird. Liebe ohne Sein ... reduziert zu einem leeren, selbstischen Gefühl. Selbst den uralten "Tobias-Segen" hat man ja ausgeräumt und durch Liebesgeschwafel ersetzt.)

Ein wenig von alledem lebt freilich schon noch heute - nicht nur im Verlobungsbrauch der Ringgabe. Sondern wenn z. B. die Braut dem Bräutigam zugeführt wird. Daß das vom Vater geschieht, ist ein Anklang an germanischen Brauch, trifft aber keine geringere anthropologische Wirklichkeit, die sich auch in den Natursitten wiederfindet.

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