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Montag, 14. März 2011

Das wirkliche Argument

Das wirkliche Argument gegen die Kernkraft liefern nicht die realen Störfälle, nicht Tschernobyl, nicht Harrysburg, und was sonst noch an Unfällen vorfiel, teils ohne daß wir davon wußten. Und auch nicht Japan. Alle diese Katastrophen und Unfälle sind kein Argument, und die Verantwortungslosigkeit bestand auch nicht darin, diese Kraftwerke auf seismisch bedenklichen Stellen zu bauen. Auch die niemals sichere Endlagerung, mit der wir bewußt Teile der Erde unzugängig auf Jahrtausende machen, sind es nicht. Das alles kommt bestenfalls dazu, ist nur eine weitere Seite ein und derselben Medaille.

Das wirkliche Argument gegen die Kernkraft findet sich nur im Rahmen der Stellung des Menschen zur Schöpfung, zur Natur. Das Wesen der Kernkraft ist frevelhaft, das ist der Punkt.

Abstruse Gedanken eines ausgeflippten Blogschreibers? Ich fand Unterstützung (endlich, möchte ich sagen, denn lange Jahre war ich mit diesen Gedanken vermeintlich wirklich allein) bei Martin Heidegger in "Die Technik und die Kehre", und zuvor schon bei G. F. Jünger, und nicht nur diese haben ähnliche Überlegungen angestellt.

Heidegger beschreibt, worum es geht, indem er vom Wesen moderner Technik aufgeht. Diese ist kein Entbergen mehr, sondern sie faßt die Natur als eine einzige Bereitstellung bestimmter Kräfte und Resourcen auf. Ganze Landstriche (bei Flüssen oder Staukraftwerken z. B., ich möchte erweitern: Wind- und Solarkraftwerken) werden ihrer selbst beraubt und zur "Bereitstellung" entwürdigt. Materie, in der Atomkraft, wird nicht als sie selbst, sondern in ihrer Zerstörung als Energiespeicher betrachtet.

Ackerbau wird motorisierte Ernährungsproduktion. Ganze Landschaften werden zu Rohstofflagerstätten. Uran wird zum Lieferanten von Atomenergie, der Frevel ist völlig unabhängig von der Verwendung in "friedlich" oder "zu Kriegszwecken" - es ist immer derselbe Frevel an der Schöpfung. Flüsse werden zu Energiespeichern, werden von der Maschine (Turbine) her definiert. Keine Fischleiter kann hier darüber hinwegtäuschen, daß sein Wesen zerstört bleibt, daß er verschwindet, daß aus dem Fluß ein Kanal wird. So wie Wälder zu Zellstoffreservoirs werden.

Was meine ich, was meinte Heidegger? Ein Beispiel macht es deutlich: "Das bäuerliche Tun fordert den Ackerboden nicht heraus. Im Säen des Korns gibt es die Saat den Wachstumskräften anheim und hütet ihr Gedeihen." Es ist eine Grundhaltung den Dingen gegenüber. Und aus dieser heraus verändert sich das Verhalten der Welt, mit der wir umgehen: wird vom "Untertanmachen der Erde" zum Herabwürdigen der Schöpfung zur "Bestelltheit", die alles umfaßt und auf bestimmte Eigenschaften reduziert.

Die ja nur momentan nützliche Eigenschaften sind, also die Erwartungen nicht einmal aus rein technizistischem Geist heraus erfüllen, weil sie uns mit weiteren und noch größeren ungelösten Problemen zurücklassen, die wir nur aufschieben, wegschieben können! Die Frage der Atommüllagerung ist ja nur eines der plakativsten, bewußtesten davon.

Die Dinge werden ihrer Ganzheiten und ihrer Eingebundenheiten in Ordnungen beraubt, die immer Geheimnis sind und bleiben. Dadurch wird die Natur als Ganzes vernichtet, weil wir die Dinge töten.

Bis wir nur noch von toten Landschaften umgeben sind - und das ist das sicherste Zeichen, wie richtig diese Gedanken liegen, die solche Entwicklung vorhergesagt haben und vorhersagen. Wir machen Teile der Welt zu möglichst ungesehenen Deponien, über die wir oft genug nicht einmal Teppiche breiten, unter die alles gekehrt wird.

Es ist eine Haltung, die allegorisch für ein heutiges Verhalten gesehen werden muß: die Folgen unseres Verhaltens (denn von Handeln will hier bei weitem nicht gesprochen sein) sollen einfach unsichtbar gehalten werden. Und immer mehr unseres Verhaltens überantworten wir fernen, ungesehenen, zukünftigen Landschaften und Perioden, ungelöste Fragen und Probleme die wir schaffen aber nicht lösen können - schieben wir fort, oder auf. Hoffen auf im wahrsten Sinn okkulte Mächte, die eines Tages aufstehen und diese Fragen beantworten. Das ist zum mindesten tiefer Aberglaube. Und betrifft die Ökologie-Bewegungen zum Teil sogar noch mehr als bloße Utilitaristen des Wirtschaftslebens, die dem Ganzen der Dinge gegenüber manchmal noch mehr aufgeschlossen sind, als von ihrer Mission überzeugte halbblinde, aber im schlimmsten Sinn technizistische "Umweltaktivisten".

Aber es ist dasselbe Verhalten, das uns eine Technik anwenden läßt, die keine menschengerechte Technik ist, weil sie nicht mit der Natur arbeitet, sondern die ihre wesentlichen Probleme verborgenen Mächten überantwortet.

Die sich dann und wann spürbarer melden, wie jetzt in Japan, noch geheimnisvoller, noch mächtiger, noch ungelöster und unlösbarer. Mit im wahrsten Sinn des Wortes unvorhersehbaren, aber dennoch: immer schon dunkel geahnten Folgen.

Atomkraft zu nutzen - und es ist höchst verräterisch, wie sehr in diesem Punkt der Materialismus des Kommunismus und der zum Kapitalismus pervertierte freie Markt in eins fallen! - ist keine Errungenschaft positiver menschlicher Forschungskraft, und ist keine "Nutzung" der Natur, die wir ja zerstören, um sie "nutzen" zu können. Sie ist an sich ein Übel - in der Art, wie die Welt betrachtet und benutzt wird. Daß es zu Katastrophen kommt liegt nicht mehr und nicht weniger als in der Natur dieser Sache: ist nur die andere Seite desselben Wesens.

P. S. Um jeden Zweifel zu beseitigen, mit welcher Form von Verantwortungslosigkeit wir els hier zu tun haben, ein Artikel der "Zeit" von Andreas Maier. Der in Form einer Reportage über Gorleben klar macht: es gibt derzeit nicht einmal ein, ja, nicht ein einziges Atomendlager in Deutschland! Alle derzeitigen Lagerstätten sind "Zwischenlager", sind Provisorien. Man weiß momentan nicht einmal, wie man - vorausgesetzt, Gorleben wird vom Gesetzgeber überhaupt genehmigt - die Behälter mit den Uranabfällen in den "Salzstock" (der sie dann für Jahrtausende udn Jahrzehntausende abschirmen soll) hinunterbringt. Was immer also behauptet wird, daß die "Castoren" unterirdisch gelagert werden - es stimmt nicht, es sind Mißverständnisse oder bereitwillig verbreitet Lügen. In Wahrheit lagern derzeit die Atomabfälle in schlichten (grünen) Lagerhallen. Ganz einfach. - Wir lösen (und beileibe nicht nur hier) technische Vorgänge aus, die wir vorgeblich (!) nutzen oder brauchen, die wir nicht einmal ansatzweise im Griff haben. Sondern die - auch also auf diesem Gebiet! - als Gesamthabitus unserer Form von Fortschritt und Wohlstand und Zivilisation in die Ferne, zeitlich oder örtlich, geschoben werden. Kindern gleich, die die Augen schließen, und nun meinen, sie seien verschwunden.

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