"Da diese Anfangenden so glühenden Eifer für geistliche Dinge in sich fühlen, so erwächst in ihnen aus solchem Gedeihen ein gewisser Schößling verborgenen Hochmutes - obgleich Heiliges an sich demütigt - und sie beginnen, einige Genugtuung über ihre Werke und über sich selber zu empfinden.
Und daraus entsteht weiterhin eine etwas eitle, und mitunter sehr eitle Neigung, geistliche Dinge vor anderen auszubreiten und mitunter sogar sie lieber zu lehren als zu lernen; und sie verdammen andere in ihrem Herzen, wenn sie bei jenen nicht die von ihnen selber beliebte Art von Andächtigkeit gewahren ... S
olchen vermehrt nicht selten der Dämon die Inbrunst und das Verlangen nach allerhand guten Werken, damit Hochmut und Anmaßung in ihnen gemehrt werde.
Und einige kommen sogar dahin, daß außer ihnen niemand für gut gehalten werden darf und daß sie jene bei jeder Gelegenheit mit Wort und Werk verdammen und verkleinern. Sie fliehen - wie vor dem Tod - vor allen, die ihre Aufgeblasenheit zum Schrumpfen bringen, um sie auf sicheren Weg zu weisen.
Mitunter suchen sie andere Beichtväter, wenn sie Schlimmes zu bekennen haben, damit ihr Beichtiger sie in allem für gut halte; und es gefällt ihnen, diesem immer nur Gutes von sich zu sagen, und mitunter in Ausdrücken, die es noch besser erscheinen lassen.
Manche von ihnen fühlen sich mitunter nicht von ihren Mängeln beschwert, mitunter aber sind sie über ihr Versagen allzu niedergeschlagen, da sie schon Heilige sein möchten. Sie bestürmen oft Gott, sie von ihren Fehlern und Unvollkommenheiten zu befreien, mehr, um nicht länger von ihnen belästigt zu werden als um Gottes willen; und dabei lassen sie außer acht, daß sie am Ende, wen sie davon befreit würden, nur noch hochmütiger würden."
Johannes vom Kreuz, "Dunkle Nacht"
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