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Sonntag, 20. März 2011

Nun ist er Geselle, nicht mehr Taube

Der Punkt ist so entscheidend, und wird meist völlig vergessen, den Johannes vom Kreuz genau so beschreibt, wie Theresia von Avila, beide bis in höchste Höhen der Mystik vorgedrungen, ja dort beheimatet. Beheimatet, eben. Also: von dort stammend.

Irene Behn schreibt, daß die Unterscheidbarkeit mystischer Ekstasen nur solange gegeben war, solange beide sich auf dem Weg befanden. Niemals aber waren diese Gnaden "esoterisch". Denn dann, im höchsten Punkt der Vollkommenheit und Gottesnähe, die Menschen auf Erden möglich ist, kamen beide und übereinstimmend an den Punkt, der das Wesen der Mystik so erhellt, ja im Grunde begreiflich macht:

Beide fanden sich auf einer "Normalität" wieder, die ihre Gottesnähe als Samenkorn in der Taufgnade verankert, wie sie jedem Getauften als Glied des Leibes mit dem Haupt Christus, der Kirche, geschenkt wird. Wird diese Gnade zur Vollendung geführt, wird jede Ekstase völlig unwesentlich (sofern sie all die Klippen, die zuvor mit ihr verbunden sind, glücklich umschifft hat, denn beide haben sich zutiefst, oft genug schamhaft und unangenehm berührt, gegen diese außergewöhnlichen Zustände zu wehren versucht) - der Mensch findet sich in der Vollendung seiner höchsten Berufung, der größtmöglichen Gottesnähe und -ähnlichkeit. Einer Ähnlichkeit, die ihn zu einem Gefäß für Gott selbst macht, bis der aus ihm spricht und handelt, ohne daß auf andere Weise (ontologisch, im Sinne des Pantheismus, des idealistischen Ineinsfallens) eins ins andere fiele.

Beide beschreiben die höchste mystische Stufe als eine Art "Rückkehr" in "normale" Bewußtseinszustände, in denen sie jedoch allezeit mit dem Bräutigam Christus auf tiefste mögliche Weise verbunden blieben. Sodaß Gott sich in der menschlichen Seele selbst am höchsten liebt, eben: in seiner Weise zu lieben.

Gott ist damit nicht mehr der flüchtige Hirsch, der sich wieder und wieder zurückzieht, die Taube, die erschreckt auffliegt. Er ist Geselle. Die Taube hat ihren Friedenszweig gefunden. Die Gnade hebt auch die Natur in die Verklärung mit hinein.

"Er erhebt," schreibt Johannes vom Kreuz, "ihre Erkenntniskraft zur Einsicht in Göttliches; denn schon verharrt sie einsam und entblößt von anderen zuwiderlaufenden und gottfremden Einsichten. Und ihr Wille bewegt sich frei zur Gottesliebe, denn schon verharrt sie einsam und frei von anderen Zuneigungen. Und sie erfüllt ihr Gedächtnis mit göttlichen Wahrnehmungen; denn sie ist auch schon einsam und bar von anderen -Vorstellungen und Gebilden. 

Denn alsbald, wenn die Seele diese Vermögen [von allen Gebundenheiten, Unfreiheiten, Eigenwilligkeiten, und daraus erstehenden Bildern; Anm.] ausräumt und von allem Unteren und von der Aneignung des Höheren losmacht und sie ganz in ihrer Leere beläßt, werden sie von Gott unmittelbar im Unsichtbaren un Göttlichen angewendet. Und es ist Gott, der sie in solcher Einsamkeit führt." 

Wenn also Mystik als unmittelbare Gotteserfahrung verstanden wird, schreibt Behn, so ist nicht die ekstatische Brautzeit, sondern die kaum noch ekstatische Ausgeglichenheit der mystischen Ehe das Kerngebiet der Mystik.

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