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Samstag, 22. März 2014

Aus kleinen Fehlern aufbauend

Das Faszinierende an dieser Dokumentation über den Untergang der Titanic liegt an der hohen Plausibilität der Thesen, warum sie untergegangen ist. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach sind die Erzählweisen falsch, die kursieren: Weder ist die Titanic vom Eisberg, mit dem sie kollidiert war, aufgeschlitzt worden, noch ist sie als Ganzes gesunken, sondern zerbrochen.

Geht man den Gründen nach, wie auf diesem Video dokumentiert, kommen erstaunliche Tatsachen ans Tageslicht. Denn die Schiffsplanken des Rumpfs sind nicht geplazt, sondern geplatzt sind Nietenreihen. Man hatte vermutlich aus Beschaffungsschwierigkeiten Nieten niederer Eisenqualität (die vom Meeresboden geborgen und untersucht wurden) verwendet. Das heißt, daß winzige Schlackeinschlüsse solches Metall brüchiger machen. Außerdem wurde nur jede zweite Reihe der Nieten dreifach (wie eigentlich notwendig), sondern nur in Doppelreihen genietet.

Als die Titanic kollidierte, wurden die Rumpfplatten eingedrückt (nicht: aufgeschlitzt), und genau diese nur doppelten Nietenreihen sind geborsten, die Plattenreihen aufgeplatzt. Das Wasser drang von den bereits beim Zusammenstoß betroffenen sechs Segmenten (mit einer so hohen Anzahl hatte niemand er Konstrukteure gerechnet) vom Bug her aber dann weiter, Segment um Segment vor. Denn noch einen Fehler hatte die Konstruktion: Zwar hatte man das Schiff in Abschnitte geteilt, die voneinander durch automatische Schotte isoliert werden konnten, aber diese Schotte gingen nicht bis ans Deck. Ging also wie bei der Titanic der Bug rasch unter Wasser (durch die hohe Anzahl der geplatzten Segmente), wirkte sich das tödlich aus. Denn nun ist Sektor um Sektor das Wasser übergeschwappt, und die Sinkgeschwindigkeit der Titanic nahm progressiv zu.

Daß das Schiff dann auseinandergeplatzt ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß es in zwei Teilen, 600 m voneinander entfernt, am Meeresboden liegt. Außerdem gibt es Aussagen von Augenzeugen, die das bestätigen, die aber unerklärlicherweise kaum Beachtung fanden. Der Film zeigt sehr plausible technische Überlegungen - die Titanic zerbrach vom Kiel her, nicht von oben her. Und ausgerechnet von der Stelle ausgehend, die als die überhaupt unzerstörbarste des Schiffes angesehen wurde.

Was diese These aber vor allem so plausibel macht: Wie bei allen großen Dingen der menschlichen Geschichte haben auch hier vermutlich winzige, kleine, alltägliche Entscheidungen - nicht die "großen" Gedanken und Konzepte! -  das Scheitern des Gesamtkonzepts, die katastrophische Wende bewirkt. Vielleicht hat irgendein Materialeinkäufer, ein leitender Arbeiter, ganz nebenbei diese Entscheidung getroffen, ohne die Tragweite auch nur annähernd sehen zu können. Ein Logistikmitarbeiter kam und meldete den drohenden Engpaß, sein Gegenüber meinte, er werde sich darum kümmern. Ein zweiminütiger Telephonanruf, ein kurzes Gespräch mit einem leitenden Ingenieur, ein geistesabwesendes Nicken in den Verhandlungen mit den Lieferanten, eine kurze Oberflächlichkeit im Nachdenken, ein winziger ablenkender Gedanke an die zerbrochene Tasse beim Frühstück, ein Verkäufer des Eisenlieferanten, der fachlich zwar gut war, aber nicht im Entferntesten an das Unwahrscheinlichste dachte, was keine Belastungsprüfung je zum Inhalt gehabt hatte: daß nämlich auch so hohe Scher-, nicht alleine Stoßkräfte auf die Nieten (deren Köpfe nämlich absprangen) einwirken könnten, vielleicht hätte aber auch ein leitender Ingenieur der Werft die Folgen nicht erkannt ... - es reichte, und andere Nieten wurden geliefert und verwendet. Die Titanic wäre sonst möglicherweise gar nicht untergegangen, oder hätte sich länger über Wasser gehalten, sodaß mehr Passagiere gerettet hätten werden können. Erst auf der Grundlage dieses "kleinen" Fehlers haben sich dann die weiteren Fehler (zu wenige Rettungsboote, zu ehrgeizige Navigationsroute, zu hohe, nicht an die Sichtweite angepaßte Geschwindigkeit, die Unwahrscheinlichkeit eines so weit südlich treibenden Eisbergs, etc.) so verheerend ausgewirkt. Fehler, die aber prinzipiell nicht zu vermeiden sind! Die zwar theoretisch nicht vorkommen, aber in der Praxis sehr wohl, und zwar mit Gewißheit.**

Das alles macht die Titanic zu einer so großartigen Metapher der Moderne.






*Als der Verfasser dieser Zeilen noch ein Bauunternehmen hatte, betraf eine der schwersten Reklamationen ebenfalls eine solche "Kleinigkeit": Als für Lieferungen nach Deutschland Dampfsperren (weil dampfdichte Wandaufbauten) eingebaut werden mußten (während seine übrigen Häuser diffusionsoffene Aufbausysteme waren), entschied ein Vorarbeiter (aus der Erfahrung mit dem üblichen Wandaufbau), weil die Dampfsperrfolie ausgegangen war,  für nur 1 m² Fläche, Dachpappe einzubauen, um keine Verzögerung im Produktionsablauf zu riskieren. Jeweiliger Warenwert: wenige Cent. Aber diese hatte geringeren Diffusionswiderstand. Das Haus wurde in Deutschland auftragsgerecht montiert, bezogen, und der erste Winter kam. Aber genau an dieser Stelle ... platzten die Wasserrohre, weil sie natürlich nun durch die Durchfeuchtung der Isolierung abkühlten und auffroren.

**Als der Verfasser dieser Zeilen während des Studiums in den Ferien (Ende 1970er, Anfang 1980er Jahre) bei Mercedes in Sindelfingen am Fließband arbeitete, stellte er dort fest, daß ein Drittel (!) der Mitarbeiter ausschließlich kontrollierende Aufgaben hatten. Und DENNOCH waren 1 1/2 Autos von 100 ausgelieferten Wagen "Montagsautos", bei denen einfach nichts paßte, wie ihm ein leitender Angestellter gestand.


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