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Mittwoch, 19. März 2014

Wird "aus Liebe" geheiratet?

Vor kurzem schwirrte ein seltsamer Satz durch den öffentlichen Raum - der vom "Scheitern der Liebe", mit der Scheidung, Wiederverheiratung und so weiter umschrieben wurde. Und er war eingebettet in eine seltsam romantisierende Vorstellung, nämlich die, daß Ehe und das Gefühl (das Gefühl) der Liebe Synonyme wären. So, als würde man die "große Liebe" heiraten, und es nicht schaffen, diese Liebe am Leben zu halten. So, als sei die Liebe eine Zugestoßenheit, und die Ehe der Ort, an dem die Flamme dieses Zugestoßenen am Leben gehalten würde. Oder nicht.

Aber haben diese Liebesgefühle und ehe wirklich so viel miteinander zu tun? Kommt es bei der Ehe wirklich auf diese Liebesgefühle an, die wir irgendwann und heute so häufig entbehren, und wonach zu verlangen nur zu verständlich ist, weil es ja ein elementares Lebensrecht beträfe? Ist Ehe nicht etwas ganz anderes, ein Vorhaben, ein Projekt, das Liebe "schafft" - Johannes Paul II. hat von einem "Schmelzofen der Liebe" gesprochen, und er hat das richtig gesprochen - und nicht einfach konsumieren läßt, ist sie da schön, ist sie nicht mehr da ... schade, dann ist eben die "Liebe gescheitert"? Ist nicht die wirkliche Liebe genau dann in ihrer Geburtsstunde, und alle Geburtsstunden sind Stunden des Schmerzes, wenn sich eben keine Liebe fühlen läßt? Wenn der Tod zu durchwandern ist, aus dem heraus sich eine ganz andere, nämlich erst die richtige Liebe herabsenkt? Dann wirklich nicht machbar, dann erst wirklich als Zugestoßenheit?

Wird heute, im Zeitalter der großen Freiheit, wirklich mehr als früher "aus Liebe" geheiratet? Stehen die heute Heiratenden - und es werden ohnehin immer weniger, 2013 in Österreich gerade einmal noch 38.000 Paare - wirklich in reiner Liebe vor dem Standesbeamten (von Altar zu reden verbietet sich ja fast schon), und hoffen dann einfach, daß diese "Liebe" auch hält, und wenn nicht, "ist sie gescheitert"? 

Der Verfasser dieser Zeilen hat so seine ernste Zweifel, ob wir es heute mit mehr Liebe zu tun haben, als in der ach so verdammenswerten früheren Zeit, als man sachliche Überlegungen als eigentliche Ehegründungsmotivation ansah. Als man sich zwar freute, und an jenen Paaren freute, wo die Liebe auch wirklich schon in Gefühl und Verliebtheit erkennbar und vorhanden war, aber auch nicht mehr. Weil man wußte, daß das, worum es in der Ehe ging, eben nicht dieses "Gefühl" war, sondern - daß Ehe ein Vorhaben ist, ein Entschluß, sich in eine Form zu begeben, die einen zur Liebe umschmelzt, auch durch Zwang, auch durch Druck, auch durch Gewalt. Zur wirklichen Liebe.

Und plötzlich stehen wir dann vor den ganz schrecklich trockenen Bedingungen des öffentlichen Lebens, der Stellung im Gesellschaftsganzen, die die Ehe hat und haben muß, weil sie sonst gar nicht ist. Plötzlich ist diese Liebe, die dann "scheitern kann", ein sehr sachliche, nüchterne Frage geworden. Und plötzlich ist dieser Schleier der Romantik, den auch dieses Gerede vom Scheitern mit einem kräftigen Schuß von tragischen Gefühlen tränkt, und dabei so unverdaulich macht, zum Nichts zerronnen. Und plötzlich liegen die Bedingungen, die Ehe gelingen oder scheitern lasse, die Überlegungen die der Entscheidung zugrunde liegen, eine einzugehen, auf ganz anderen Ebenen, denn plötzlich sieht man die Ehe in ganz anderen Wirkverhältnissen

Denn die Liebe ist eine Frucht der Ehe, sie steht nicht - als verbindliches Gefühl schon gar nicht - an ihrem Anfang. Beziehungsweise ist die Liebe die Bereitschaft, den anderen lieben zu WOLLEN, und das, in diesem Bedingungen, lernen zu wollen. Dann, wenn beide das wollen, ja zu den Bedingungen sagen, dann hat die Ehe ihren Sinn erfüllt. Denn dann führt sie die Beteiligten, dann führt sie überhaupt den Menschen zur Verwirklichung seiner höchsten Potenz.

Deshalb ist das Reden von Liebe wenig bis gar nicht hilfreicht, spricht man von Ehe und Bedingungen ihres Gelingens. Und selbst glückliche Ehen sind praktisch ausnahmslos irgendwann einmal Prüfungen unterworfen, wo sich eben die Ehesubstanz bewähren muß - als Entscheidung. Weil es scheinbar mehrere Partner geben könnte, die "zu einem passen".

Das Vermögen der Liebe hängt nicht an irgendwelchen Gefühlen. Gefühle sind trügerisch, sie zeigen an, aber sie urteilen nicht. Das kann nur die Vernunft, als Rückbindung an den Sinn, die Wahrheit, in der Liebe. Deshalb ist es eine Frage der Sittlichkeit, ob Liebe gelingt, keine der Gefühle, keine eines verhängten Schicksals einer gefühlten und dann zu Ende gehenden Liebe, die "scheitert". Es scheitert etwas anderes. Und nicht zufällig leuchten gerade jene Ehen als Ort der Liebe, die hohe Sittlichkeit auszeichnet. Wer einen anderen Weg versucht, irrt. Nicht im Lieben, sondern im Verstehen und im Wollen. Das Fühlen zeigt damit das Vorhandensein von Liebe an, aber es IST nicht die Liebe selbst. Die Stimmung der Liebe ist die Sittlichkeit, und deshalb direkt die Keuschheit, als Synonym des Sittlichen. Nur in ihr wird nämlich das Wollen zum anderen und durch den anderen in der Sphäre der Vernunft, des Geistes - und damit des Geistes der Liebe - gehalten.

Das alte Volksgefühl hat es völlig richtig empfunden. Es kannte Personen, die nicht (mehr) heiraten konnten, die niemand heiraten wollte, weil die Sittlichkeit verloren war. Und wenn einem zum Tode Verurteilten in der Rechtssprechung lange Jahrhunderte aus altem, mit der kulturell subtileren Gestald auch subtilere Formen angenommenem Rechtsempfinden heraus die Möglichkeit offenstand, daß der Delinquent begnadigt wurde, WENN ihn ... eine Hure heiraten wollte, so deshalb, weil man wußte, daß diese Aufgabe die härteste sein würde. Sodaß nur eine Sühne und Buße die andere ablöste. Und nicht wenige wählten sie deshalb gar nicht. (Man lese dazu die schöne Novelle "Ein Umweg" von H. v. Doderer.)

Ihr Gelingen ist also damit eine Frage der Klarheit der objektiven Bedingungen. Während Unsittlichkeit vor, natürlich auch in der Ehe verwirrt den Geist, den Verstand verwirrt. Das macht das Scheitern so vieler Ehen nicht zum Scheitern von Liebe, sondern zum Scheitern des Irrtums, dem härter Konsequenzen erwachsen, als man eigentlich wollte, vielleicht und vielfach freilich: als man erträgt. Und viele der heutigen "Rezepte", eine Ehe am Leben zu halten, greifen wesensgemäß zu kurz, verfehlen die Substanz einer Ehe, weil sie sich darauf richten, aus dem Irrtum, aus dem verfehlten Weg, doch noch einen Profit zu schlagen, vielleicht indem man andere Sexualpraktiken empfiehlt. Die den Einzelnen aber in sich halten, sodaß die Kluft in Wahrheit gar zum Bruch wächst.

Aber dann wird die Ehe eben zum gut zu erwägenden Entschluß, aus der Erwägung heraus, ob man die Herausforderung auch zu tragen vermag, oder wieweit sie einem eben helfe. Der das Ziel hat, zu lieben zu lernen, weil man anders - "frei", ohne Ehe geblieben - zu wenig liebt, weil jeder zu wenig liebt, der nicht eine Ehe eingeht, und damit, im Selbstüberschreiten, zu sich selbst kommt, zur Freiheit selbst. Als der Ort, an dem sich das Wesen der Welt zeigt, das von allem Anfang an im Wort gründet, das sich in Liebe zurückbindet an seinen Ursprung, den Vater, als dem der alle Form in sich enthält, die in der Liebe, als Wesensform, als Sinn, als Wort ausgehaucht wird auf daß es dieses Rückopfer und damit das Hin-und-Herwesen-in-Eins bewirke, das es darstellt.




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