Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 6. März 2014

Kirche als Ort der Verdammnis

Im Kirchenbau zeigt sich die kulturale Situation der Menschen. Hat man nicht davon gesprochen, daß der Mensch des Mittelalters in düsteren, dunklen Kirchen die Heiligen Geheimnisse feierte? Dann muß man von einer Widerkunft dieser Düsterheit bei manchen gegenwärtigen Kirchenbauten sprechen. Die Begegnung mit dem Licht wird zum alleinigen Fokus, das nur noch ber eine kleine Öffnung in der Decke (des Bunkers einer ansonsten nackten, kahlen, ja furchtbaren Welt - Selbsterleben der Gegenwart!? - einbricht, in der brüchigen Balance von Entschwinden und Einbrechen, aus der konischen Raumform aber dem Entschwinden (perspektivisch gesehen zeigt diese Linienführung Ferne an) verwandter als dem Nähern. Gott hat seine Formulierbarkeit verloren, seine Konkretheit, er hat uns in einer nackten, schrecklichen Welt zurückgelassen.

Die Welt wurde durchchristlicht - und die Gebäude wurden hell, von Glasfronten durchbrochen (Gotik). Die Welt wurde entchristlicht - und die Kirchen werden wieder düster, die Welt wieder zur Katakombe.

Das Lichtfenster hier wirkt wie ein Ausstieg, eine Einladung, der Welt zu entfliehen, die an die Katakomben, Gräber eher erinnert, als an die Welt als Ekklesia, der Schöpfungsordnung, die der Kirchenbau des Mittelalters zum Ausdruck brachte. Die Kirche selbst ist nicht mehr societas perfecta, Ort der Hoffnung und Schönheit, wo sich Gott in die Welt hinein inkardiniert und von dort aus umwandelt, in sich hineinführt. Sie ist Absprungsort, der niemanden mehr birgt. Die Fleischlichkeit selbst ist keine Wohnung Gottes mehr. Die Welt ist zu einem Bunker geworden, das Christentum ist dabei zu entschwinden. Die Kreuze (rechts an der Wand) scheinen jeden Moment zu Boden zu fallen, ihre Halterungen gelockert, oder bestenfalls noch als Nietnägel für Bauplatten geeignet, in der x-Form definitiv profaniert. Ja, geht man diesem Gedanken nach, erscheint die rechte Wand von außen her bedrängt, von der Unterwelt her, und zwar so sehr bedrängt, daß es die Platten kaum noch aushalten, der Schrecken jeden Moment hereinbrechen könnte.

Paul Virilo spricht es bereits in seiner "Bunkerarchitektur" an, wo er über die Bunkerbauten Deutschlands im Zweiten Weltkrieg meditiert. Während oben alles in Schutt und Asche fällt, warten wir unten, in den Stollen, auf das Ende der Welt. Die es als Ort des Wohnens nur noch virtuell gibt, über die Tastatur als verlängerte Hand der Feigen, zum Fleischlichen der Welt ohne Kontakt, über den Bildschirm, der als einziges Licht ins Dunkel versunkene Welt hereinleuchtet.

Als hätte Gott sein Incarnation rückgängig gemacht, oder wäre nie inkarniert. Als wäre die Schöpfung von ihm verlassen, und er zeigte sich nur noch von Ferne. Der eigentliche liturgische Raum ist auf einen Stehplatz reduziert, eine Liturgie kann sich hier gar nicht mehr entfalten, sie ist ja ohnehin kaum mehr existent. Gott wirkt nicht mehr in die Welt hinein. Er hat sie angewidert verlassen, winkt von Ferne. Selbst der Tabernakel (unter Augenhöhe eines Stehenden, auf Augenhöhe derlinks und rechts davon Sitzenden) wirkt wie auf einer Abschlußrampe, einem Liftschacht, bereit jeden Moment in den Himmel zu entfliehen.

Dasselbe gälte bei einer Ausdeutung der Architektur dieser Kapelle in der Richtung der vorchristlichen Urmythen und -religionen, in denen die Verbindung mit dem Numinosum, dem Schöpfer als Ursache von allem, durch ein "Loch" (Höhle, etc.) hergestellt wird. Es wäre hier eine glatte Verleugnung der Erlösung des Fleisches, wobei genau dieser Verdacht ohnehin naheliegt: Erde als reiner Warte- und Übergangsort ohne eigenen Sinn (und damit ohne Verdienstlichkeit etc.)

Gibt es aber eine klügere Aussage zum Ist-Zustand der Kirche (und der Theologie) und dem Befinden der Menschen heute - als diese Kapelle?* Als würden sich die gegenwärtigen Theologen allmählich selbst begreifen. Denn sie geben solche Kirchen in Auftrag. Die Architektur zeigt ihnen ihr Spiegelbild. Und sie zeigt damit keine Kirche mehr, die noch die Kraft zur Erlösung in sich trüge. Die liegt draußen.


Bild: Die Presse - Saint John Baptist Chapel, Teneriffa (Spanien) / Alejandro Beautell / Foto: Efraín Pintos



*Sie ist sohin Symptom. Ob als Kirche/Kapelle "gut" ist ein anderes Thema.




***