Auch hier wird nur auf Illusion gebaut - und doch richtet sich eine ganze Industrie, die Medienindustrie, die Fernsehsender, danach aus. Weil es bequemer ist, einfacher ist, man nicht diese berühmte Schwelle zum Schöpferischen - die Angst, ins Nichts zu steigen - überschreiten muß, und alle Verantwortung abgegeben werden kann: Hat die Quote nicht gesagt ...?
Aber nur ein wenig Überlegung, ein wenig Rückschau auf die Realität schon alleine der Quotenmessung zeigt, welche Schimäre man hier aufgebaut hat. Die FAZ schlagzeilt dazu sogar, daß man zwar immer behauptet, daß man Fernsehen für die Mehrheit mache, nur: diese Mehrheit gibt es gar nicht, denn die schaut gar nicht zu, die ist in den Erfassungen gar nicht berücksichtigt. Denn die Seherschichte, die die Messungsprozeduren durchführt, über sich ergehen läßt, ist selbst bereits eine bestimmte Seherschichte, nicht die Mehrheit, und schon gar kein repräsentativer Schnitt durch die Bürger, die einen Fernseher bedienen. Und dennoch glauben alle daran. Weil sie daran glauben wollen.
Es ist also mehr als bloß ein Verdacht, dass die Einschaltquote nicht
etwa misst, wie viele Menschen welche Sendungen sehen. Sie misst
vielmehr, wann, was und wie lange jene Leute sehen, die Zeit und Nerven
genug haben, an der Quotenmessung teilzunehmen. Die Differenz, der
systematische Messfehler ist evident – die tatsächliche Quote kann nur
niedriger sein als das, was die GfK veröffentlicht. (cit.)
Nimmt man das Zahlengebäude der Quoten auseinander, schaut man einmal genau, welche Publikumsschichten mit diesen Messungen erreicht werden, entdeckt man, daß es sich ... um eine Minderheit handelt. Die, die die Zeit und den Nerv für solche aufwendigen und lästigen Dauer-Selbstüberwachungen haben, so der Autor des Artikels in der FAZ, sind die, die sonst nichts zu tun haben. Die "Dauergucker". Die so viel fernsehen, daß sie in der Lage sind, die große Mehrheit, deren Fernsehverhalten davon völlig abweicht, wie wenig oder gar nicht fernsehen, durch "Durchschnitte" so hochzudrücken. Menschen, die einfach hinnehmen, was ihnen geboten wird, weil sie sonst nichts zu tun haben. Die einfach in Altersgruppen eingeteilt werden, als weiteres Aussagekriterium.
Es ist nicht etwa die Mehrheit, die öffentlich-rechtliche Programme
sieht. Es sind jene Leute, welche das Lesen anstrengt und das Ausgehen
erst recht, Leute, die vielleicht auch schon genug geredet haben in
ihrem Leben und ein paar Abende, in denen das Fernsehen zu ihnen
spricht, gut aushalten können. Es sind diese Menschen, welche man auch
mit dem harmlosen Quatsch erreicht, schon weil sie für andere
Abendvergnügungen wenig Alternativen haben. (cit.)
Mit den Quotenerhebungen lügt sich also eine Schichte von Fernsehmachern in den eigenen Sack, die sich damit die Erlaubnis holen, mutloses, phantasieloses Fernsehen zu machen und damit die Sendezeiten auszufüllen. Entsprechende Ausrichtung zeigen die Produktionsbudgets und die Produktionsvorhaben.
Auch hier also, wie im Internet, wie in so vielen Bereichen, wird ein Mythos aufgebaut, der nur dadurch Wirklichkeit wirkt, als er wieder und wieder behauptet wird, und Autorität genug genießt, daß alle ihn für bare Münze nehmen.
*150314*