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Sonntag, 9. März 2014

Das Böse der Häresie

Es haben viele Theologen und Philosophen an der Frage gearbeitet, wieweit die Häresie notwendige (!) Gegensätzlichkeit zur Kirche sei, damit sich diese entwickeln und entfalten könne. Denn nach der Hegel'schen Definition ist die Antithese notwendiger Treibsatz der These, der erst Bewegung schafft, und so in der Synthese zu einem Einen kommt. Letztlich: dem Einen des Geistes, der Vernunft. Klartext: Sind Häretiker noch IN der Kirche, oder nicht?

Johann A. Möhler geht der Frage in seiner "Symbolik" sehr grundsätzlich nach. Und er weist auf etwas hin: Daß es nämlich Gegensätzliches gibt und geben muß, ganz also im Sinne der Dialektik der Weltdinge, aber alles dieses Gegensätzliche muß noch immer in derselben Einheitsidee und demselben Einheitswillen stehen. Man nehme einen Chor: Alle Stimmlagen sind nicht miteinander gleich, sie heben sich voneinander ab. Aber alle dienen in dieser Gegensätzlich der reicheren, volleren Gesamtmelodie. Singt jemand falsch (und ist der Meinung, daß er aber richtig singe), so befindet er sich aber nicht mehr im Gegensatz (der Stimmlagen), sondern im Widerspruch zur Gesamtidee, der Melodie. Einheit mit dem Chor findet er nur dann, wenn er von sich absieht, und sich wieder auf die richtige Linienführung (seiner Stimme) zurückstellt.

Die Häresie ist eine aus dem Ganzen gerissene Gegensätzlichkeit, ein Gegensatz, der zum Widerspruch wurde. Einheit mit dem Häretiker ist deshalb nur dann möglich, wenn er sich der einen einenden Idee des Ganzen wieder einfügt (tatsächlich: umkehrt). So lange aber bleibt er "draußen", abgespalten, und ist auch nicht Teil der jenseitigen, neuen Ordnung bzw. Erlösungshoffnung der Kirche, er ist abgefallen.

Im Falle der Kirche, die ja nur als allumfassende Einheit (weil allumfassende Ordnung, die aus dem Sein hervorgeht) verstanden werden kann, und sich auch so versteht, kann Einheit nur heißen, daß diese Abspaltung sich wieder in den Gesamtstrom zurückintegrieren. Sie kann nicht heißen, daß sich die Kirche in eine neue, "höhere" Einheit eingliedert. Das wäre in sich widersinnig, denn mehr als Sein kann es nicht geben.  Die katholische Kirche ist selbst bereits die größtmögliche Synthese des Einen, in dem alle Gegensätze enthalten sind.

Insofern hat also zwar die Häresie einen Gegensatz zum Inhalt, der an sich in der Kirche enthalten war bzw. ist, aber anders als der bloße Gegensatz (in der Kirche), der sich aus ihrer historischen Gestalt begreift, steht er zur Einheit - der Kirche, die der Ordo der Schöpfung (alles Seienden), ja Gottes selbst ist - im Widerspruch. Der Häretiker verlangt die Anerkennung eines neuen Absoluten als einheitsstiftender Idee. Aber diese Idee gibt es nicht, sein Haltung bleibt schlicht dem Sein (Gott) entgegengerichtet.

Damit ist der Widerspruch der Häresie selbst, weil gegen das Sein gerichtet zu sehen - böse bzw. Ausdruck des Bösen als die dem Sein gegenüberstehende (aber keineswegs gleichrangige) Willenskraft. Die vom Sein abhängt, was aber umgekehrt NICHT der Fall ist. Die Kirche hat ihre immanente Dialektik, sie trägt ihr Lebensprinzip in sich. Die Häresie aber bezieht sich auf die Kirche, auf die Einheit, und verlangt die Anerkennung einer neuen Einheitsidee, die in Wahrheit die Idee der Auflösung ist und deshalb schon materialiter gar keine Einheit bieten kann.*



*Deshalb verlangt man auch zuviel, wenn man meint, eine Häresie (noch einmal: nicht als Gegensatz zu verstehen, sondern als Widerspruch) wäre inhaltlich in eine geistige Ordnung zu fassen. Das ist sie nie, sie muß aus ihrer Natur heraus widersprüchlich bleiben, weil sei sich nur auf die Vielfalt des Seins (als Seiendes, als alles "was ist") beziehen kann. Die Häresie bleibt deshalb auch historisch relativ - nicht "relational", sondern historisch bedingt, nur aus einer Zeit heraus (schein-)substantiell verstehbar.




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