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Donnerstag, 2. Juli 2015

Alles beginnt in der Kunst

Was die Kunst leistet ist nicht einfach das Herstellen von Artefakten, die irgendwie dann in der Welt herumstehen und das Leben lustiger oder ästhetischer machen. Das zwar auch, aber nur in einer zweiten Folge. Was die Kunst* vielmehr leistet ist das Schaffen einer Deutungswelt, und erst als Deutungswelt wird den Menschen überhaupt Welt. Denn was die Dinge "sind" kann niemand sagen - es muß in die menschliche Welt hineingefügt und hineingedeutet werden.

Dabei kann nur ausgedeutet - nicht willkürlich ERfunden - werden, und es bezieht sich auf ein Beziehungsfeld, das vorgefunden wird, in der Anschauung der Welt (in ihren immer geheimnisvollen "Dingen", deren letzten Grund wir nie erkennen können) gründen muß. Denn die Welt ist primär nur anschaubar. 

Hier nimmt die künstlerische Phantasie Vorhandenes, und setzt es - schaffend - zu neuen oder weiteren Bedeutungseinheiten zusammen, die auf dem geistigen Horizont einer Zeit - meinetwegen: dem, was "in der Luft liegt" - aufbauen.  Weil das erste des Menschen immer die Religion ist, und zwar ontisch, nicht einfach faktisch oder als Zeigefinger-Gesolltes, weil er sich ab dem ersten Moment seines Hierseins als Person (ab dem Moment der Zeugung) einem Du gegenüber sieht, aus welchem heraus er erst zum Ich wird (weil das Du das Ich enthält, mit aussagt, wenn auch  nicht schafft - das tut nur Gott, das Sein, und der tut es eben, genau so: indem er mich im Namen ausspricht), ist das was Kultur schafft immer aber der Kult. 

In ihm kommt ein diffuses unbestimmt Mögliches zur Gestalt, und so wird Welt,** die selbst wiederum ein unendlich verflochtenes Begriffs- und Beziehungsgefüge ist. Das in einer heiligen Ordnung steht, weil aus einer solchen entnommen, empfangen ist. Es ist immer ein Schauer, der den Menschen umfängt, aus dem Logos (Sinn) heraus zu nehmen, der die Welt trägt. Eine Welt, die erst zur Welt wurde, weil der Mensch ihr Namen gab.

Damit schafft die Kunst einen Kulturstil, einen Zivilisationsstil, und in diesem Stil, der das Wesen einer angeschauten Welt vermittelt, der ein Kult ist bzw. im Kult weitergegeben wird, wird die Welt von einer Kultureinheit (in Familie, Stamm, Volk etc.) zu einer solchen Kultureinheit gestaltet, die auf die Menschen selbst, über die Generationen hinweg, rückwirkend formt.***

Insofern überwindet NUR die Kunst die jeweiligen Erstarrtheiten einer Kultur, die sich im Transformieren eines Stils bis in den kleinsten Alltag wirklicht, und holt das Leben je neu herein. Das sie nicht selbst schaffen kann, sondern nur eintreten läßt.

Die Kunst - und damit: der Kult - war nicht das letzte, was der Mensch schuf, weil er nun technisch genug entwickelt war, um dafür auch Zeit zu haben, sondern sie war das erste. Das erste war nicht die zufällige Entdeckung, daß sich ein Vierzehnender jagen und essen ließe. Das erste war der Begriff der Jagd und des Hirschbratens. Das erste war der Auftrag, sich die Welt untertan zu machen: durch Begriffe, durch Definition von Beziehungen - Durch Kunst.




*Man löse dazu diesen Begriff aus dem "Kunstgetriebe", das sich in der Neuzeit gebildet hat, und das erst eine "für sich stehende Kunst" mit sich brachte.

**Was ist ein Stein? Wir wissen es nicht. Er wird erst zu "etwas", einem Begriff, wenn wir ihn in die menschliche Welt hineinheben, ihn in Beziehungen setzen bzw. sehen, die für uns Bedeutung haben. Es ist also dieses Erfahren von Bedeutung, das uns ein Interesse an der Welt schafft. Nur was Bedeutung hat, für uns hat, denn die Bedeutung eines Steines für eine Möwe oder einen Regenwurm ist völlig anders, uns im übrigen gar nicht nachvollziehbar, denn was immer wir als deren Beziehung sehen, ist bereits anthropomorph, wird zum Begriff. Und damit erst wird es zu diesem und jenem so bestimmten Ding, das aus diesen Bestimmungen heraus (die immer menschliche Bezüge sind) definierbar und erkennbar wird.

***Weshalb den Griechen wie allen Völkern (nur sieht man es nicht immer gleich) die Architektur die erste und umfassendste, alle anderen Künste gebärende Kunst war. Denn sie prägt im Erleben den Rhythmus der Menschen (so, wie es die Landschaft zuvor tat), und erst im Rhythmus wird ein "Ding", weil alle Dinge Rhythmus sind.





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