Einen weiteren sehr interessanten Artikel fand der VdZ jüngst auf onepeterfive. Daraus klamüsert sich der VdZ einen Aspekt heraus, der der spitzfindigen Frage nachgeht, ob das Argument von Benedikt XVI. (Josef Ratzinger), daß er zu schwach für das Papstamt geworden sei, weshalb er es zurückgelegt habe, nicht selbst ein Symptom für die Krankheit der Zeit ist. Die sich als zu schwach dafür fühlt, eine Maske zu tragen, weil die Welt als theatrum aufgelöst wurde und immer weiter aufgelöst wird. Weshalb das Ablegen, Nicht-Tragen von Masken, regelrecht zum moralischen Gebot erhoben wurde: Wer auf Masken besteht, wird heute ja regelrecht angefeindet, im mindesten verleumdet. Liebe selbst wird nachgerade sogar als Verzicht auf Masken definiert!
Die Menschen haben heute Angst vor dem Sein. Und alles, was "etwas ist", das also noch Gestalt hat, wird aufgelöst. das ist ein Stück weit verständlich, denn wenn das Stück fehlt, fehlt der Maske ihre Ebene der Wirklichkeit, ihre Ordnung. Sie wird kaum noch als Aussage von Beziehung und Auftrag verstehbar. Nur die Erinnerung des Spielers vermag das Stück noch zu halten, vor dem inneren Auge, im Außen aber weiß er, daß er "im Leeren", im amorphen Raum spielt. Das erfordert Kraft, viel Kraft, und möglicherweise - zu viel.
Also legen auch an sich gutmeinende Menschen diese Masken ab, und versuchen dafür einen Weg, in dem die (nur!) in der Maske liegenden Auftragserfüllungen abstrahiert, und Objekt bzw. Ziel selbst werden. Damit wird etwa Liebe (aber darüber hinaus: das gesamte Tugendleben) ein "für sich stehendes" Merkmal, und von der an Inhalte gebundenen Ebene (wie sie das theatrum nur hat, denn das ist ja der Inhalt der Welt) abgelöst.
Damit hat man es plötzlich mit Vätern zu tun, die ihre Kinder in der Trageschlaufe tragen und sich die Hausarbeit "50/50" aufteilen, dafür gerne einmal ihre berufliche Aufgabe hintanstellen, Männer, die es als Tugend sehen, die Frau ganz real und in allem "gleich" zu stellen. Damit wird der Bundeskanzler gelobt, der durch die Straßen wandert und mit den Leuten ihr Abendbier genießt, der Präsident, der morgends im Jogginganzug seine Brötchen in der Bäckerei holt, und der Firmenchef, der nur noch mit der klapprigsten Kiste durch die Gegend gurkt. Man nennt das dann "bescheiden", nennt es "Verzicht auf Statussymbole".
Das wirkliche Geschehen dabei ist aber: Auflösung des theatrum, Auflösung einer Welt in und aus der Vorsehung Gottes - sie ist das "Stück", um das es als Leben im Leben geht -, Auflösung der (wenn schon) scharfen Trennlinie von öffentlich und (verborgen zu bleibendem) Privatem. Auflösung letztlich der Inkarnation Gottes, und Abstraktion der Erfüllung seines Willens auf vom Inhaltlichen abgelösten Eigenschaftlichen.*
Damit wird natürlich auch der Kult - wie die Kunst - zur bloßen Zelebration von "Eigenschaften", denen natürlich neue Konkretionen zugeflickt werden müssen: denn es geht ja nur noch um die Hervorrufung dieser Eigenschaften, egal mit welchen Mitteln (was meist sogar noch als besonders "innovativ" vorgestellt wird). Die völlig außerhalb jeder rituellen Ordnung stehen.**
Da werden dann plötzlich Kinder geherzt, auch wenn der Pfarrer aus der liturgischen Ordnung des Einzugs der Zelebranten ausschert, und Postillen des persönlichen Mitfühlens gesendet, auch wenn der feierliche Eröffnungsakt des Championship-Finales völlig über den Haufen geworfen wird. An entsprechenden Beispielen ist diese Zeit ja mehr als reich, es zieht sich bis in sämtliche und kleinste Ebenen des gesellschaftlichen Lebens - vom Vorspielabend der Musikschule bis zur Neujahrsfeier im Konzerthaus. Man nennt es mit Recht auch: Infantilisierung der Gesellschaft. Denn es ist die typische Schwäche und unreifebedingte Ungeformtheit des Kindes.
Der Rücktritt von (em. Papst Benedikt XVI.) Josef Ratzinger (der erstaunlicherweise nun nicht in sein Glied zurücktrat, als Kardinal und Bischof also, sondern als "Papst emeritus" durch die Lande geistert) ist also ein Grenzgang. Denn es gibt auch berechtigte Gründe DAFÜR - die aus derselben Verstehensecke kommen, und als Argument GEGEN den verstorbenen hl. Papst Johannes Paul II. galten: WEIL ein Papst in höchstem Maß NUR das Amt repräsentieren (darstellen; sein) muß, muß er auch dazu - und vor allem: dazu - in der Lage sein. Wenn er das aus Krankheitsgründen (oder Altersschwäche) nicht (mehr) vermag, kann ein Rücktritt genau jenes Hineinsterben in das Amt sein, das den Glanz und die Würde der Aufgabe ausmacht, weil diesem Amt der Raum bleibt - nicht dem faktischen Menschen.
Die im erwähnten Artikel also genannte "Benedict-Option" ist damit zweischneidig: Sie KANN zum einen reines Symbol einer sich auflösenden Zeit sein, und damit verheerende Signalwirkung entfalten, betrachtet man es auf oben explizierter Ebene. Dann wäre es eine seltsame Tautologie: Denn daß jeder Mensch seinem Amt NIEMALS und zu jeder Zeit gerecht wird, liegt im Wesen des Menschen begründet. Freiheit heißt eben auch das Leben mit der Schwäche und Fehlerneigung. Der Mensch bleibt IMMER und täglich und minütlich hinter dem Anspruch zurück. Das Problem liegt prinzipiell darin, sich selbst das Maß zu setzen, ab und in dem man ein Amt - eine Maske - noch auszufüllen vermag. Denn jedes Amt wird verliehen. Auch das des Papstes. Und es ist immer nur der Verleiher, der den Grad seine Erfülltheit bestimmen kann.
Die Benedict-Option (s.o.) KANN also auch das genaue Gegenteil sein: Das durch ein Außen herangetretene Erkennen, dem Amt nicht mehr gerdcht zu werden. Von außen, als Mensch schon gar, schwer, ja unmöglich und bestenfalls rückfolgernd und annäherungsweise zu beurteilen. Denn Könige können nur von Königen beurteilt werden.*** Wer beurteilt aber einen solitären Papst dort, wo er gar nicht in eines Lebenskreis vorkommt? Das Problem jedes Kritikers. Selbst wenn er Katharina von Siena oder - ein exemplarischer Fall dieser seltsamen Gewissensaporie! - Johanna von Orleans heißt. Dem noch ein Problem gegenübersteht - daß nämlich dieser Hinweis (als "Hinweis Gottes" gewissermaßen) von außen kommen, weil ein sichtbares Außen haben muß. Und hier zeigt die Geschichte die merkwürdigsten Zusammenfälle - außerhalb jeder Ordnung.****
*Das nur ein unlösbares Problem damit hat - daß es diese Liebe ohne DIESE Inhalte (Maskenspiel, theatrum) gar nicht gibt. Man verändert also einfach das Drehbuch, und meint auch noch, damit der Intention des Autors noch mehr oder überhaupt erst nachgekommen zu sein. wohlgemerkt: Das ist etwas völlig anderes als der Einwand gegen den sogenannten RUBRIZISMUS, in welchem mit Recht eine gewisse Relativität auch der strengen rituellen Formeln moniert wird, weil eben der Mensch ein zerbrechliches, schwaches Gefäß ist. Was aber genau das GEGENTEIL des Formverzichts ist: Es ist das großmütige Hinwegsehen über Fehler und Schwächen WEIL und indem man (stellvertretend!) dennoch die rituelle Strenge als Maßstab und Auftrag verfolgt. Niemals kann Formverzicht aber als von vorneherein beschlossener Bestandteil des Ritus akzeptiert werden, denn das erst wäre seine Auflösung.
**Es ist zwar ein anderes Thema, aber hier soll es eingefügt werden: Entscheidend bleibt dennoch das exakte rituelle Vollziehen. Selbst wenn - und das wurde und wird vielfach als Argument herangezogen, das die Notwendigkeit eines Liturgiereform in so großem Ausmaß belegen soll - der Ritus "heruntergeschludert", also in immer kürzerer Zeit abgeführt wird. Der VdZ kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Sage maßgeblich nur möglich war, weil sich das Verständnis des Gebets in den maßgeblichen intellektuellen Kreisen weitgehend aufgelöst hat. Denn die Reife eines Gebets wird nicht in seiner stets frisch bewahrten "innigen Ausdeutung" jedes Satzes oder jeder Geste gemessen, und zu leicht geht man mit dem Wort "gedankenlos" um. Vielmehr hat das Gebet eine Geschichte der Reifung. Und geht von einer anfänglichen sehr explizit nötigen Anpassung des Beters an die Gebetsinhalte (in dieser Stufe kann und soll das Gebet also noch jeden Moment neu durchgedacht und willentlich so gut es geht vollzogen werden), also der Betrachtung und Beachtung jedes Details und Elements, über in eine sich immer mehr der Zeit enthebende "Gesamtintention" über. Gemäß der Rolle, die der menschliche Geist und Verstand eben im menschlichen Insgesamt spielt. Was sich schließlich beim reifen Beter zu einem Wimpernschlag verkürzen kann. Das berühmte "Jesus-Gebet" der russischen Mystiker illustriert diesen Vorgang. Der ganze Evangelien bereits in diesem einen Wort, das über lange Wege zu einer alles umfassenden Gesamthaltung wurde, mitenthält. Man darf also mit Recht mißtrauisch sein, wenn in vorgeblich besonders frommen Kreisen Gebete mit "besonderer Betonung" gebetet werden. Und traue eher den alten Frauen, die in der Dorfkirche ihren Rosenkranz "herunterleiern".
***Darin gründet übrigens die heute gerne kritisierte Tendenz vieler historischer Königshäuser, "familienintern" oder gar "inzestuös" zu heiraten. Denn die Würde und damit die Legitimation steht untrennbar über dem Haus, liegt im Stand, und steht über allem faktisch-Persönlichen. Das Problem morganatischer Heiraten, von Heiraten "unter Stand", ist ja hinlänglich aus der Geschichte bekannt. Und es ist natürlich iin seiner Dimension etwas völlig anderes, als heute hineininterpretiert wird, wo man die Grundproblematik der Herrschaft - ihre Herkunft aus dem Platz im theatrum Gottes - ja gar nicht mehr begreift.
****In dieser Aporie gründet die fast unausbleibliche Folge jeder Revolution, die eben eine Aporie ist, und in beeindruckender Regelmäßigkeit ihre eigenen Initiatoren zu verschlingen beginnt - gerade dann, wenn die Revolution ihre Ziele erreicht. Weil Revolutionäre aus jeder Ordnung heraussteigen. Die Tat der Johanna von Orleans - außerhalb jeder, wirklich jeder Ordnung - konnte also fast nicht anders enden, als mit ihrem Tod.
****In dieser Aporie gründet die fast unausbleibliche Folge jeder Revolution, die eben eine Aporie ist, und in beeindruckender Regelmäßigkeit ihre eigenen Initiatoren zu verschlingen beginnt - gerade dann, wenn die Revolution ihre Ziele erreicht. Weil Revolutionäre aus jeder Ordnung heraussteigen. Die Tat der Johanna von Orleans - außerhalb jeder, wirklich jeder Ordnung - konnte also fast nicht anders enden, als mit ihrem Tod.
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