Erstmals seit seinem Rücktritt, hat sich der em. Papst Benedikt XVI. Kardinal Josef Ratzinger in einer öffentlichen Ansprache anläßlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Krakau wieder zu Wort gemeldet. Und es ist eine Freude, solch klaren, großartigen Worte endlich wieder einmal aus dem innersten Raum der Kirche zu vernehmen. Sie sollen hier in einem Auszug gebracht werden, in dem er in der an ihm so geschätzten, tief reflektierten Weise auf die Kunst und die Musik eingeht.
Dabei geht der em. Papst auf die Frage ein, wo die Musik herstamme.
[...]
- Ein erster Ursprung ist die Erfahrung der Liebe. Wenn Menschen von der Liebe ergriffen wurden, ging eine andere Dimension des Seins auf, eine neue Größe und Weite der Wirklichkeit. Und die drängte auch zu einer neuen Weise sich auszudrücken. Poesie, Gesang und Musik überhaupt sind ganz von selbst durch dieses Getroffensein, durch dieses Eröffnetsein einer neuen Dimension des Lebens entstanden.
- Ein zweiter Ursprungsort der Musik ist die Erfahrung der Trauer, die Berührung durch den Tod, durch Leid und die Abgründe des Daseins. Auch hier eröffnen sich, nach der anderen Seite hin, neue Dimensionen der Wirklichkeit, die mit dem Reden allein nicht mehr beantwortet werden können.
- Endlich der dritte Ursprungsort der Musik ist die Begegnung mit dem Göttlichen, die von Anfang an zum Menschsein gehört. Hier erst recht ist das ganz Andere und Große da, das im Menschen neue Weisen hervorruft sich auszudrücken. Vielleicht kann man sagen, daß in Wirklichkeit auch in den beiden anderen Bereichen – Liebe und Tod – uns das göttliche Geheimnis berührt und in diesem Sinn insgesamt das Angerührtwerden von Gott Ursprung der Musik ist.
An dieser Stelle möchte ich einen Gedanken vorbringen, der mich in
letzter Zeit immer mehr beschäftigt, je mehr die verschiedenen Kulturen
und Religionen miteinander in Beziehung treten. Es gibt große Literatur,
große Architektur, große Malerei, große Skulpturen in den
verschiedensten kulturellen und religiösen Räumen. Überall gibt es auch
Musik. Aber Musik von der Größenordnung, wie sie im Raum des
christlichen Glaubens entstanden ist – von Palestrina, Bach, Händel zu
Mozart, zu Beethoven und zu Bruckner – gibt es in keinem anderen
Kulturraum. Die abendländische Musik ist etwas Einzigartiges, ohne
Entsprechung in anderen Kulturen. Dies muß uns zu denken geben.
Natürlich reicht die abendländische Musik weit über den Bereich des Kirchlichen und Religiösen hinaus. Aber ihren inneren Quellort hat sie doch in der Liturgie. Bei Bach, für den die Herrlichkeit Gottes letztlich Ziel aller Musik war, ist dies ganz deutlich. In der Begegnung mit Gott, der uns in der Liturgie in Jesus Christus begegnet, ist die große und reine Antwort der abendländischen Musik gewachsen. Sie ist für mich ein Wahrheitsbeweis des Christentums.
Wo solche Antwort wächst, ist Begegnung mit der Wahrheit, mit dem wahren Schöpfer der Welt geschehen. Deswegen ist die große Kirchenmusik eine Realität von theologischem Rang und von immerwährender Bedeutung für den Glauben der ganzen Christenheit, auch wenn sie keineswegs überall und immer aufgeführt werden muß. Aber andererseits ist doch auch klar, daß sie nicht aus der Liturgie verschwinden darf und daß ihre Gegenwart eine ganz besondere Weise der Teilhabe an der heiligen Feier, am Geheimnis des Glaubens sein kann.
Natürlich reicht die abendländische Musik weit über den Bereich des Kirchlichen und Religiösen hinaus. Aber ihren inneren Quellort hat sie doch in der Liturgie. Bei Bach, für den die Herrlichkeit Gottes letztlich Ziel aller Musik war, ist dies ganz deutlich. In der Begegnung mit Gott, der uns in der Liturgie in Jesus Christus begegnet, ist die große und reine Antwort der abendländischen Musik gewachsen. Sie ist für mich ein Wahrheitsbeweis des Christentums.
Wo solche Antwort wächst, ist Begegnung mit der Wahrheit, mit dem wahren Schöpfer der Welt geschehen. Deswegen ist die große Kirchenmusik eine Realität von theologischem Rang und von immerwährender Bedeutung für den Glauben der ganzen Christenheit, auch wenn sie keineswegs überall und immer aufgeführt werden muß. Aber andererseits ist doch auch klar, daß sie nicht aus der Liturgie verschwinden darf und daß ihre Gegenwart eine ganz besondere Weise der Teilhabe an der heiligen Feier, am Geheimnis des Glaubens sein kann.
[...]
Morgen Teil 2)
Nachtrag aus gegebenem Anlaß - Von Schlichtheit und von Primitivität
*230715*