Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 31. Juli 2015

Vorzeichen mythischer Renaissancen

Mehr als 800.000 deutsche Haushalte wurden 2011 vom Netz abgeklemmt, weil sie ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen konnten. Die Zahl steigt rapide, angeblich jährlich um 300.000. Auf 7 Millionen Haushalte schätzt man bereits die Zahl der Energie-Armen, die nur noch wählen können, ob Sie Lebensmittel einkaufen oder die Stromrechnung bezahlen. Das berichtet die Webseite stopthesethings unter Berufung auf einen deutschen Spiegel-Artikel, was sie mit dem Titel versieht: "Die Energiewende wirft Deutschland in die Steinzeit zurück.

Mit interessanten Begleiterscheinungen. Alleine 2011 wurden in Deutschland 400.000 Holzbrandöfen verkauft, Tendenz steigend, was die Preise für Öfen in die Höhe treibt. Steigend ist auch die Zahl der Öfenanlagen für Festbrennstoffe - Holz und Kohle - in Deutschland. Wer schon die Stromrechnung nicht begleichen kann oder auf Nummer Sicher gehen will, wird aber gewiß nicht auf Pellets, Holzbriketts oder Hackschnitzel abzielen.

Gleichzeitig steigen in den Wäldern die Holzdiebstähle an, berichtet das FOCUS-Magazin. Ganze Waldteile verschwinden über Nacht. In Brandenburgs Wäldern schätzt man den Verlust durch "freie Entnahme" schon auf 10 %, in Bayern liegt der Anteil von Diebstählen erst bei 5 %. Wenn aber ganze Bäume verschwinden, steht man vor dem Rätsel, wie das geschehen kann. Weil man dazu ja ein geeignetes Fahrzeug braucht. Im Kofferraum eines PKW kann man einen Baumstann wohl eher nicht abtransportieren.  Es muß also bereits einen organisierten Graumarkt für Brennholz geben.

Wobei die Klein- und Gelegenheitsdiebstähle noch überwiegen. Mit einem Fahrzeug stehenzubleiben und Holz, das "herumliegt", oder Holzscheite, die zufällig gestapelt sind, einfach einzuladen, ist schnell geschehen. Nur selten wird jemand erwischt, wie in jenem Fall, wo man einen Privat-PKW stellte, dessen Fahrer Holz im Wert von 2.000 Euro einer nicht ganz dem Interesse des Waldeigentümers entsprechenden Verwendung zuführen wollte.

Auch wenn man berücksichtigen muß, daß das Verhältnis der Deutschen zu "ihrem Wald" mythisch und eng ist, sodaß manchen kapitalistische Eigentumsgrenzen wie ein barbarischer Verstoß gegen den ewigen Volksgeist erscheinen mögen. Es wird noch einige Jährchen brauchen, bis Richter solche Beweggründe wieder als rechtskonform anerkennen. Oder Holzentnahme für den Privatbedarf weitgehend frei ist, wie noch vor ein paar hundert Jahren. Was so fest im Selbstgefühl der Deutschen verankert ist, daß bis heute niemand an einen Straftatbstand denkt, wenn er die Großmutter raunend erzählen hört, daß sich Hänsel und Gretel wie jeden Morgen aufmachten, um Holz aus dem Wald zu holen. Oder waren es Beeren und Pilze, um sie auf dem Markt zu verkaufen, um ein paar Kreuzer dazuzuverdienen?

Es käme heute aufs selbe hinaus. Vielleicht wird deshalb bald das Märchenerzählen verboten, als Anstiftung zu einer Straftat oder so ähnlich. Bis man es eines Tages - weil zur allgemeinen Rechtsauffassung geworden - doch freigibt. Immerhin dürften manche den Holzdiebstahl bereits jetzt als Zusatzverdienst benötigen. Die Kleinanzeigen mehren sich, in denen Brennholz aus privater Hand zum Verkauf angeboten wird. Der Markt dafür ist ja im Wachsen, wie man hört. Hänsel und Gretel werden also bald wieder gute Chancen haben, den armen Vater mit ein bißchen Kleingeld zu unterstützen. Immerhin gehören Volkstraditionen zu den eigentlichsten Mitteln der Rechtsfindung.

Wie auch immer - Fakt ist, daß vorerst einmal manche Forstwirtschaft ihre Verarbeitungsmethode umstellt. Was es bislang üblich, Bäume nach dem Fällen, Entasten, Schneiden bis zu einem Jahr im Wald liegen zu lassen, damit sie trocknen, ist man dazu übergegangen, sie so rasch als möglich abzutransportieren, um sie an einen gesicherten Ort zu verbringen. Die Zeiten, wo man solch unbotmäßig Eigentumsbesorgten "Gieriger Volksschädling!" nachspuckt, könnten aber näher sein, als mancher glaubt.




***