Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 18. Juli 2015

Im König sind alle betroffen

Aber der Frage ist noch viel weiter nachzugehen - nämlich der nach den Zusammenhängen zwischen Autorität, Stellvertretung und Gemeinschaft.

Denn in der Zubehörigkeit zu einer Gemeinschaft, über die hier bereits gesprochen wurde, ist im Einzelnen auch die Gemeinschaft selbst mit verknüpft. Denn der Mensch ist als Sozialwesen auf Gemeinschaft(en) hingeordnet, und die Gemeinschaft(en) auf ihn. Beide sind nicht ersetzbar, je ersetzt müßten beide hypothetisch je andere sein. Sodaß in dem einen das andere mit angetroffen wird - und zwar: stellvertretend. Das heißt, daß das je eine für das je andere handelt, ohne es zu ersetzen. Aber es zieht es in diese Handlung mit hinein. Damit natürlich auch im Versagen, der Sünde, aber natürlich auch im Sieg.

Es ist die Gemeinschaft, die Zugehörigkeit, die den einzelnen sohin zu sich selbst bringt, in der Wirklichung, die er dann vollzieht, wenn er sich transzendiert, also von sich weg blickt, sich in eine Aufhabe hinein gibt. So wird der Einzelne ja zu sich (nicht eben, indem er auf sich blickt - dort findet er nichts Originäres; er findet sich selbst erst im Du bzw. "fürs Du".)

Nun ist das eine Gemeinschaft - und damit den Einzelnen - Ordnende die Hierarchie, die Ordnung. Als Autorität, als Leitung umfaßt deren Träger die ihm im Gehorsam jeweils untergegebene Gemeinschaft der Einzelnen, bis hin zur obersten Leitung - im König, im Kaiser der Welt - die alles umfängt, jeden der Einzelnen, und jede der kategorial enthaltenen Gemeinschaften. (Im Staat also: alle.) Nicht als Ersatz, sondern als Stellvertretung: er handelt im Namen der von ihm Vertretenen, ohne diese zu verdrängen.

Jeder Ort in einer Gemeinschaft, die ein unendlich komplexes System sein kann, hat die ihm zugeordneten Über- wie Unterordnungen. So, wie jede Aufgabe eben ein Wirkfeld hat, das ihm als materia dient, aber auch den Auftraggeber. Kein Mensch hat keinen Auftrag, hat keine Aufgabe - als "auf etwas zu", als Sinn, den es zu erfüllen gilt.  Sinn heißt zugleich: Autorisierung. Autorität. Und nur innerhalb dieser Sinnerfüllung, dieser Aufgabe liegt damit seine Stellvertretung des Ganzen, der Gemeinschaft, der er zugehört.

Aus dem Gesagten wird damit nachvollziehbar, wie deshalb der Leiter, die Autorität, zum Stellvertreter des Ganzen (als jeden Einzelnen mit Ort Versehende) wird. Und wie damit auch der Leiter an allem mitzuleiden hat, was der Einzelne verbricht - wir wären beim Königsopfer, wie es die Menschheitsgeschichte seit je kannte und kennt, in der Union von König* als Stellvertretung des Volkes nach oben - Stellvertretung Gottes nach unten. Das sich meist dann in König und Priester - Kaiser und Papst - gespalten hat.

Aber der König oder Kaiser (oder Vater oder Chef oder dessen Frau als seine Stellvertreterin - eine Tautologie, übrigens, denn die Frau ist die Stellvertreterin des Mannes und als solche (!) - nicht als dessen Ersatz! - Stellvertreterin des Ganzen ...) ist nie ganz rein. Er lädt immer Schuld auf sich. Diese Schuld wiederum trifft nun auch die von ihm Vertretenen, die Einzelnen etc. Weshalb in allen Völkern und zu allen Zeiten eine sittenlos-sündhafte Regierung als Ursache dafür angesehen wurde, daß das Volk (unter der Strafe Gottes) zu leiden hat. Im alten deutschen Recht ging das bis zum Absetzungsrecht.

Umgekehrt ist das Hinopfern des Königs, als reale Praxis historisch einerseits, anderseits in anderer Gestalt bis heute allgegenwärtig (wenn es einem Land schlecht geht, wird die Regierung abgesetzt, oder tritt zurück; das ist ganz exakt dasselbe, wenn auch profaniert, also im Gnadenwirken weitgehend kastriert; der Versuch eines Ursache-Wirkungsdenkens ist reines rituelles Scheingefecht), in derselben Logik begründet. 

Denn die Opfergabe unterfaßt je nach ihrer Größe die Existenz eines Menschen, der opfert. Sie ist deshalb nie absolut groß oder klein, sondern relativ (die Witwe, die ihre letzten beiden Groschen opferte, gab mehr als die Reichen, die von ihrem Vielen etwas abgaben: ihr Opfer war praktisch Ganzopfer; zur Illustr.) Und damit im König - alles umfassend, das größte Opfer: wo der König sich selbst opferte, um das Volk mit dem Willen Gottes (im Geist - alles beginnt und wurzelt im Geist) zu einen. Weshalb man im Opfer das Beste, Reinste suchte, um es hinzugeben. (Im Tempel zu Jerusalem wurden die Opfer von den Priestern sogar geprüft.) Dazu gehört vor allem das Blut, der Sitz des Lebens. Und dazu gehört sogar der am Teller heute noch zurückgelassene "Anstandsbissen", der auf das Opfer zurückgeht, indem man sich nicht ganz satt ißt.

Wir sind somit in der weiteren Verlängerung dieser Gedanken beim stellvertretenden Opfer Jesu Christi. Denn so, wie die Autorität, der Leiter seine jeweilige Gemeinschaft(en) und Einzelnen umfaßt, eigentlich: unterfaßt, so wird im Gottmenschen (in dem jeder Mensch sein Urbild, seine Herkunft im Geiste hat) die gesamte Menschheit unterfaßt. Wir werden das hier noch weiter reflektieren.




*Wir müssen hier keine "demokratischen Abstufungen" einführen - die Demokratie ist keineswegs eine "Abschaffung" der Monarchie, sondern sie ist eine kürzer getaktete Wahlmonarchie mit weit mehr Schwachstellen. Nur so war sie auch von den Griechen verstanden, und mit Vorsicht behandelt. Der Gewählte IST aber dann König, mit einer Machtausstattung, die den eigentlichen Monarchien praktisch immer weit (!) überlegen ist. (Noch vor 250 Jahren hatte ein durchschnittlicher Europäer niemals in seinem Leben mit der Regierung zu tun, sondern lebte, wie es ihm gefiel. Heute UNVORSTELLBAR.) Ein heutiger, demokratisch gewählter Bundeskanzler oder Ministerpräsident hat mehr persönliche Macht, als sie die Könige in der überwiegenden Zahl der Fälle je hatten. (England ist sogar heute noch ein Extremfall der Machtlosigkeit.) Die Schwäche der demokratischen Idee liegt hauptsächlich in der gewillkürten Befristung, und im Umstand, daß sie nur personal, und deshalb nur bis zu einer recht begrenzten Wählergröße (die Griechen setzten sie mit ca. 9.000 Menschen an, Simone Weil bei 50.000) funktionieren kann; ab da muß, aber erst ab da darf sie in ein Repräsentativ-/Stellvertretungssystem - aber immer noch nach personalen Prinzipien (S. Weil fordert ein Verbot von Parteien) - übergehen. Das System der Schweiz könnte dem also schon näher kommen, aber der VdZ kennt es nur oberflächlich.




***