Teil 2) Selbstverständlich gibt es eine generationenübergreifende Schuld -
aber sie ist lösbar
Innerhalb dieser Zugehörigkeiten
gibt es nun solche Ideen, von denen man sich nie lossagen kann - und das
sind: die leiblich-fleischlichen (dazu behört auch die Taufe, die
real-leiblich die Welt des Geistes mit der der Materia verbindet), und
solche, die eine Absage möglich machen, so schwer das auch oft sein mag
(gerade eben, weil sie sich bereits eine fleischliche, materiale
Struktur gebildet haben). Darin liegt übrigens der häufig zu
beobachtende "schreckliche" Ernst, mit dem etwa Religionsgemeinschaften
(wie der Islam) einen "Abfall", ein Lossagen faktisch sanktionieren: es
ist wie das versuchte Festnageln einer nur menschlichen Idee (und das
ist jede Religion, außer dem katholischen Christentum als Reinform der
Idee des Menschseins selbst) in das Fleisch, eine Imitation des
Sakramentalen also.
Das Insgesamt eines Menschen bleibt uns freilich immer ein Geheimnis, nur dem
Sein gegenüber offen - Gott gegenüber. Das ist besonders dort
interessant, wo jemand eben einer solchen Idee (als ihn definierende Katergorie) nicht mehr zugehören möchte.
Was nur bei gewissen kulturellen Hervorbringnissen möglich, aber oft als
psychologisch schwer zu lösende Frage auftritt. (Jeder kennt es, wenn
man sich von gewissen Dingen der Vergangenheit lossagt - wie lange sie
nachwirken, und wie leicht sie auch wieder aufleben.)
Seine
Psyche ist eben jenes faktische Geflecht, in dem sich in ihm alle diese
Ebenen - "oben und unten" - begegnen. Mit allen Spannungen,
Ungelöstheiten, aber auch Erlöstheiten. Es ist und bleibt für uns
Menschen prinzipiell unerfaßbar, was sich hier alles in einem Menschen
tatsächlich abspielt. Wir können bestenfalls einzelne Faktoren fassen,
häufig unter der Gefahr, das Ganze durch Teilneurotisierung (-lähmung)
erst recht zu verfehlen, das psychische Leben also noch komplexer,
komplizierter zu machen.
In
jedem Fall sind es die geistigen Kategorien und deren Ordnungen und
Rang, die definieren, was jemand "ist". Zuerst Ideen (wieder und wieder:
Vorsicht vor diesem Begriff, Vorsicht vor seinen heutigen
Konnotationen!) des Absoluten, und dann, abgestuft,
menschlich-kulturelle Ideen, die in ihrer Wirkweise aber nicht
unterschieden sind: Sie wirken als Handlungen ins Fleischliche (das
natürlich dann wieder zurückwirkt, sei es in der Trägheit alles
Materiellen, sei es in der Erkenntnis), und sie sind das Erste, das den
Menschen, sein Sein, definiert.
Das
beginnt schon beim Menschsein selbst, und hört auf (so es überhaupt je
aufhört) bei der Mitgliedschaft beim Taubenzüchterverband von Runzel an
der Pöller, nur in Umfang, Herkunft und Inhalt der Idee (die im
menschlich-kulturellen Geflecht auch zeitliche Dauer haben kann, was
aber nicht umfassend oder automatisch die Folgen betrifft)
unterschieden. Diese Kategorialität, die auch die Kategorialität des
jeweiligen Denkens wie die eigentliche, erste Matrix der Psyche ist,
wird ihn bestimmen, solange er ist, solange er Mensch ist. Und Mensch
sein heißt: konkretisiert sein, fleischlich, leiblich, als Kulturwesen.
Denn menschliche Welt gibt es nur als Kultur.
Eine
Diskussion über Zugehörigkeiten ist deshalb primär eine Frage eines
geistigen Ordnungsbildes und seiner Ebenen. Nur von dorther ist auch
möglich darüber zu entscheiden, ob es zum Beispiel Kategorien gibt, von
denen man sich lossagen kann. Aber wer sich als Muslim bezeichnet, oder
als Türke, hat sich nicht davon losgesagt. Er ist untrennbar bzw.
ungetrennt Teil einer Schicksalsgemeinschaft. Und wenn das unklar ist -
ein gutes Beispiel sind die Protestanten, die eine sie alle umfassende,
reale Kirche ablehnen, sondern eine solche auf jeden einzelnen, und zwar
situativ-volatil, zurückwerfen - so nicht, weil es solche Zubehörigkeit
nicht gibt, sondern weil sie nicht klar genug ist. Weil, wie so oft,
die geistigen Kategorien, in denen man lebt und ist, andere sind als
jene, die man bewußt denkt oder für zutreffend hält.
Was
wirklich mit einem Menschen, und genauso mit einem Ding, einem Tier,
einer Pflanze, einem Stück Land usw. usf., los ist, erfährt man deshalb
in erster Linie, indem man ihre geistigen Kategorien wahrzunehmen
versucht. Das Faktische erzählt dann nur die Auseinandersetzung des
wahrgenommenen Objekts mit dieser geistigen Kategorie.
Das
heißt auch, daß diese kategoriale Zugehörigkeit weit mehr über einen
Menschen erzählt, als seine momentane subjektive Befindlichkeit. Man ist
zuerst Christ oder Muslim (bei den anderen sogenannten Weltrelgionen
ist eine Zuteilung noch schwieriger, als sie es beim Islam bereits ist,
der wenigstens in großen Umrissen so etwas wie eine Ideenstruktur hat;
was im Katholizismus ja völlig anders ist: dort GIBT es diese eine Idee
stellvertretend und real in einer Person) genau so, wie man zuerst
Deutscher, Türke oder Albaner ist. Und DANN ERST ist man Hans
Breitlinger, Ibrahim Ibn'alak, und Doktor Funzelhuber mit Gattin.
Alles
trägt deshalb auch die Spuren der Geschichte an sich, denn aus ihr
wurde es - alles HAT eine Geschichte, niemand beginnt bei Null. Aber wir
haben die Aufgabe, uns je neu an dieser Ideenwelt zu orientieren.
Das
betrifft die Schuld "der" Deutschen und "der" Türken genauso, wie Siege
und Erfolge und Ansprüche. Jeder Mensch steht deshalb unter dem Gesetz
der Strafe und Sühne, die aus den Zugehörigkeiten (und dabei ist es
zuerst einmal völlig gleichgültig, ob man das "bewußt-freiwillig"
gemacht hat oder nicht) genauso, wie unter dem der Ernte von Früchten.
Sühne und Strafe sind Elemente der Rückeinglieferung in die Ordnung des
Seins (auf der Basis der Vergebung hier, der Reue und des Wiedereingliederungswillens dort), Fruchtnießung Folge einer erfolgten
bzw. bestehenden Integration in eine Idee.
Es gibt deshalb zweifellos ein Kollektivschicksal, weil jede Idee ein solches Kollektiv ist. Eines der Menschheit genau so, wie eines der Badener, Franzosen oder Gesangsvereine. Und weil alles irdische Geschehen die Auseinandersetzung und Beziehung von Ideen ist, die in einer hochkomplexen, oft auch situativ bedingten Hierarchie stehen.
Es gibt deshalb zweifellos ein Kollektivschicksal, weil jede Idee ein solches Kollektiv ist. Eines der Menschheit genau so, wie eines der Badener, Franzosen oder Gesangsvereine. Und weil alles irdische Geschehen die Auseinandersetzung und Beziehung von Ideen ist, die in einer hochkomplexen, oft auch situativ bedingten Hierarchie stehen.
Wenn
also etwa eine Generation bestimmte Schuld (aus kollektiver Haltung**)
auf sich geladen hat, diese Schuld aber nie aufgearbeitet hat (was ganz
anders aussehen kann als Bedienen simpler Täter-Opfer-Schemata), wenn
Opfer zu tragen waren, diese aber eigentlich noch gar nie aufgeopfert
wurden, so kann Schjuld über Generationen, ja über Jahrhunderte und gar
Jahrtausende weiterwirken, und sich sogar zunehmend komplizieren, eine
Aufarbeitung und Überwindung (durch Annahme wie Transzendierung ins
Geistige, um Sinn und damit Handlungskriterien für eines Gegenwart zu
akzeptieren) also immer schwieriger machen.
Zu
sagen, daß man also mit dem Sünden der Vergangenheit nichts zu tun
habe, ist nicht nur dumm, weil es die Ahnungslosigkeit über das
Menschsein offenlegt. Es ist das Leugnen der Geistigkeit des Menschen
überhaupt, der auf die Stufe des Tieres, zumindest die des noch
unentwickelten, unreifen (seiner selbst - im Geist! - nicht mächtigen)
Kindes (neben der des Traumes eines Schlafenden) heruntergedrückt wird.
**Das kann nicht nur komplex
sein, sondern auch ganz anders, als darzustellen versucht: Diejenigen,
die eine wirkliche Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus
verweigern oder verhindern, sind nicht "die Deutschen", "die Täter",
sondern bestimmte Gruppierungen, wie die "Antifaschisten", aber auch
jüdische Kreise. Durch Etablierung wie Pflege von - gewissen Absichten
oder Teilinteressen nützlichen - Denkneurosen. Als psychologische
Blockade des Zugangs zu den wirklichen (also: wirkenden) geistigen
Kategorien. Das ist der wahre Grund, warum etwa Deutschland aus einer
bestimmten "Kriegsschuldneurose" nicht freikommt: es fehlen der
Diskussion die wahren, wirklichen geistigen Kategorien.
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