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Samstag, 12. Dezember 2015

Dipolomatie ist nicht Dogmatik (2)

 Teil 2) Warum Richtiges zur Unwahrheit werden kann - 
Wie Gutes zum Bösen umschlägt -
Was man Muslimen sagt kann für Katholiken irreführend sein




Alles das wird hier, in dieser Ansprache des +Papstes Johannes Paul II., natürlich vermieden. Weil der Zweck dieses Dokuments ein anderer ist als eine Verkündigung innerhalb der katholischen Kirche zum Wesen des Islam, und dazu, in welcher haltung wie den Muslimen begegnen sollten. Solches öffentlich zu tun, den Islam im Absoluten Maßstab darzustellen, wäre vermutlich sowieso nicht ratsam. Es würde sehr wahrscheinlich jede Gesprächsbasis zerstören, und Fronten aufrichten, die zwar ontologisch bestehen - daran darf die Kirche nie (!) einen Zweifel lassen, und wenn sie es dennoch tut so bewirkt sie Verwirrung bei den Katholiken (nicht bei Muslimen) in ihrem Selbstbegreifen - aber die in die Ebene der Politik explizit zu heben bereits wieder eine Frage der Diplomatie ist. 

Aber hier zeigt sich zugleich eine der großen Problematiken der heutigen Medienlandschaft, mit dem Anspruch, alles und jedes "zu veröffentlichen". Denn damit wird der Sinn des Sprechens überhaupt unterlaufen und in Frage gestellt, vielmehr Inhalte in neue "Sprechsituation" gerückt - und DAMIT verfälscht.Das sich immer nur aus einer Situation in eine Situation hinein verstehen läßt. (Benedikt XVI. hat deshalb nicht zufällig darauf hingewiesen, daß es "zwei" Vatikan II-Konzile gibt: das dogmatisch-kirchliche, und das mediale, welch letzteres sich aber im Widerspruch zu den eigentlichen Aussagen des Konzils durchgesetzt hat.) Erst dann, erst in diesem Kairos (der richtigen Zeit, dem richtigen Ort, der richtigen Dialogsituation, etc.) erschließen sich überhaupt (!) Inhalte.Selbst die Neuropsychologie bietet dafür den Beleg. Wenn sie etwa nachweist, daß sich im Gehirn "Verstehensströme" bereits VOR der akustisch vernehmbaren Aussage bilden, man also VOR dem eigentlichen Sprechen bereits versteht (oder nicht.)

Das ist auch deshalb von so großer Bedeutung, weil gerade in dieser Zeit - auch kirchlicherseits - diese Ebenen nicht immer noch auseinandergehalten werden. Hier ist der sprichwörtliche Konflitk zwischen Pastoral und Dogmatik angesprochen, der bei der diesjährigen Familiensynode im Vatikan tobte, ohne daß ihn jemand vorerst noch als solchen zu differenzieren vermochte. Was im pastoralen Sinn (der mit Diplomatie durchaus vergleichbar ist) gesagt wird, wäre nämlich dogmatisch oft höchst bedenklich, würde es als absolute Aussage genommen. 

Pastoral kann es deshalb nur IN einer sehr spezifischen Situation geben, und die bedarf auch immer eines gewissen schützenden Rahmens. Des Rahmens genau jener Situation, in die hinein sie gesprochen wurde. Sie hat deshalb direkt mit der pastoralen Funktion eines Kirchenvertreters zu tun, und gehört eigentlich überhaupt nicht in den Rahmen der Öffentlichkeit, etwa eines Richtliniendokuments. Wo es gefährliche Verwüstungen anrichten kann.

Daß man sich dessen kaum noch bewußt ist, ist - neben den konventionelleren Medien - in vielem auch eine der Verwüstungen des Internet, das über alles wie eine große Walze hinwegfährt und die Täuschung geweckt und verfestigt hat, es gäbe Inhalte, die von ihrer kommunikativen Situation abzulösen wären. Es ist deshalb keine Spinnerei gewesen, wenn der VdZ in einer gewiß sehr langen (anläßlich des Internat. Bloggertreffens im Vatikan in 2011, zu dem er eingeladen war, verfaßte) und umständlich weil umfassend begründen sollend geschriebenen Aufsatz darauf hinwies, daß die Art des verwendeten Mediums so sehr Teil einer Aussage ist, daß ein in einer bestimmten Situation die Wahrheit wie Donnerhall verkündender Satz über Twitter versandt zur Häresie werden kann. Hatte er damals den Eindruck, daß es im Vatikan durchaus Männer gibt, die sich dieser Problematik bewußt sind, zeigt die Entwicklung leider, daß sie nicht bis in die Entscheidungsspitze durchgedrungen sind.

Mit einem diplomatisch-vorsichtigen, versöhnen sollenden Dokument hausieren zu gehen, um es als Richtlinie für die innere Stellung zum Islam heranzuziehen ist deshalb nicht nur falsch. Es ist eine Irreführung. Gerade unter der heutigen Mediensituation sollte die Kirche endlich zu begreifen beginnen, daß Medien (und im speziellen Internet und social media) eine höchst höchst stachelige Frucht sind, die man mit der allergrößten Vorsicht und Zurückhaltung (!) verwenden sollte. Leider scheint sich die gegenteilige Sicht mittlerweile vollständig durchgesetzt zu haben. Das Ergebnis ist eben heillose Verwirrung. Der VdZ ist eben nicht bereit in den Irrtum einzusteigen, daß sich Inhalte unabhängig von ihrer Form als wahr oder unwahr klassifizieren lassen. Er ist deshalb auch nicht bereit, aus einem Wust unformierter Aussagen jene Kernchen herauszusuchen, die man als "wahr" deuten könnte. Aussagen sind nur als Ganzes wahr oder unwahr. Und das ist sogar ein Kernpunkt des Katholizismus!

Deshalb sagt Jesus nicht "Hier habt ihr die Wahrheit, den Weg, das Leben, setzt sie richtig ein" (was häretisch und gnostisch wäre) - er sagt "ICH BIN der Weg, die Wahrheit und das Leben." Ein fundamentaler Mangel des Islam, übrigens, den der (im an sich religiös betrachtet richtigen Instinkt, denn schon natürliche Spiritualität drängt zu einer in einem Menschen bzw. im Kairos notwendig verwurzelten Wahrheit; ein Umstand, der sogar in der Geschichte vieler islamischen Völker enorm präsent ist und sich dort bis in die oft gottähnliche Position der Herrscher, ja in der Königslehre aller Völker mehr oder weniger wiederfindet) durch knallhart literale Dogmatisierung des Koran und der Person eines Propheten (im Zusammenspiel mit der Rolle der Herrscher) zu überbrücken sucht. Dort, in dieser sozusagen dogmatisch-inhaltlichen Konstellation, liegt auch die Wurzel des sogenannten "politischen Islam." Es ist höchst bedauerlich, daß gerade die Kirche heute nicht mehr die Kompetenz zu haben scheint, sich diesen auch im Verhältnis zum Islam entscheidenden Fragen zu stellen.

Denn während die Kirche also regelrecht "dogmatisch fundamentiert" auf der lebendig-aktualen Wahrheit aufbaut, die persönlich und damit situativ ist, als Einbruch des in Jesus historisch präsenten Ewigen in die Zeit, als nicht "rationalistisch" also, handelt sie mittlerweile anders. So, als gäbe es Inhalte, die aus ihrem Situationshintergrund abzulösen wären. Das gilt auch dort, wo in Realisierungen, Verfleischlichungen diese Wahrheit im Symbol immer (und nicht veränderlich) präsent ist. (Gewisse Formen sind also nicht verzichtbar, ja nicht einmal veränderbar!) Formal "richtige" Aussagen - die auf die Form vorgeblich verzichten (was natürlich gar nicht möglich ist, alles was ist hat immer eine Form) - ergeben aber eines nicht: sie ergeben noch keine Wahrheit. Die Kirche ist aber reales, geschichtlich präsentes und wirksames Sakrament der Wahrheit, nicht irgendeiner Richtigkeit.



Morgen Teil 3) Fehler sind die Pferde zur Heiligkeit, auch für Päpste. Wenn sie sie erkennen. - 
Die einzigen, die die kirchliche Diplomatie dem Islam gegenüber dogmatisch nehmen, 
sind leider die Katholiken - 
Dafür hofft die Kirche, daß die Laien ihre Arbeit übernehmen






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