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Donnerstag, 31. Dezember 2015

Programmierte kollektive Geisteskrankheit

Es ist ein Grundbestandteil des Menschseins, sich zu erinnern, und zu vergessen - und vergessen zu werden genauso, wie erinnert zu werden. Es hat mit einem simplen Umstand zu tun, den jeder aus eigener Erfahrung kennt: Erinnerung ist nicht etwas "datenmäßig-nominell-absolut Vorhandenes", sondern es ist ein Interpretat. Das Wesentlich ist nämlich immer das Unsichtbare, es ist das "Dahinter". Und das ändert sich, mit vollem Recht. Denn über den zeitlichen Abstand verliert sich auch persönliche Unausgewogenheit, Unreife, was auch immer - und es bleibt im Normalfall ein immer klareres Substrat, das unter Umständen ganz andere Interpretation verlangt, als man seinerzeit meinte, und außerdem nie unabhängig von Zeitströmungen, von (immer) historischen Zuständen ist.

Erinnerung ist deshalb aber auch ein Teil menschlicher Verdienstlichkeit. Im Guten wie im Schlechten. Es ist eine Leistung. Es ist vor allem eine sittliche Leistung.

Der VdZ kennt genug Menschen, und es scheinen heute überhaupt immer mehr zu werden, die sich zum Beispiel an nichts (Wesentliches) erinnern, deren Erinnerung analog zu ihrem Charakter irrelevant ist, ncihts über Wirklichkeiten, nur über sie selbst und ihre Intentionen und Unfreiheiten aussagt. Die deshalb auch nicht in der Lage sind, solide zwischenmenschliche Beziehungen zu gestalten, die jemals über oberflächliches Geschnattere hinausgehen. Das Vermögen zur Erinnerung ist eben auf eine ganz seltsame Weise "gerecht".

Es aus dem nur persönlich sein könnenden Lot zu schieben ist sehr direkt vergleichbar dem sozialistischen Deppengetue von der "Umverteilung", das Menschen in Vermögen versetzt (und vor allem bereits versetzt hat), in Mächtigkeiten, die ihrem eigentlichen sittlichen Zustand weit voraus waren. Diesem Umstand verdanken wir die Vermüllung unserer Produkte, den Verlust ihres Werts, die Vielzahl von plastifiziertem Schein, den wir seither als "Wirtschaft" mitschleppen, die in Wirklichkeit nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, weil ganze Völker keinen Bezug mehr zu "Wert" und "Werthaltigkeit" haben und sich - angesichts ihrer finanziellen Potenz - wie Diebe verhalten.

Niemals ist Erinnerung gewissermaßen "pauschal" konstruierbar, wie es bei der Betrachtung des Internet anheimeln möchte. Vielmehjr ist das, was als allgemeine Erinnerung ist und sein muß - als kollektive, identitätsstiftende Erinnerung an Ereignisse, über die gewissermaßen Konsens herrscht (Kriegerdenkmäler, etc. etc.) - in der Hand ganz bestimmter Menschengruppen und Eliten, denen unsere Gesellschaften dank Internet eine Macht übertragen, die wir nur deshabl ncith erahnen, weil wir bereits an der Grenze zur kollektiven Geisteserkrankung stehen.

Und wie sich an so abstrusen "Datenschutzabkommen" wie dem jüngst von der EU eingeleiteten zeigt. Es wird an den Grundtatsachen nichts, rein gar nichts ändern. Und die Mythen des "Demokratischen" werden hier ihre entscheidende Leere offenbaren.

Denn mit dem Internet, mit allen seinen Begleiterscheinungen, mit den social media, wird nicht "die Erinnerung" verändert. Sondern es wird die Verwendbarkeit von Daten, deren Belegkraft beeinflußt, das ist auch alles. Aber vor allem wandert sie in bestimmte, interessengesteuerte Hände.

Und das ist in dem Sinne tragisch, als die Macht der Gegenwart und Zukunft darin bestehen wird, Daten unzugänglich zu machen. Um so Erinnerung zu simulieren, zu beeinflussen. Und damit das Bild über sich, denn jede Sichtweise eines Dings, einer Person sowieso, ist eine Frage der Erinnerung und vor allem: deren Verarbeitung. Ein entscheidendes Kriterium der Wahrheit.

Man erinnere sich doch nur an die Zeit nach 1945. Als wenige Jahre später dieselben Personen, die noch zehn Jahre zuvor in ganz anderem Kontext aktiv waren, plötzlich unangreifbar und vergessen waren, als hätte es nie eine Vergangenheit und Verantwortung gegeben. Denken Sie dran, werter Leser, denn uns stehen große Umbrüche, ja Umstürze von Wertwelten bevor. Denn sie sollten nicht staunen, wenn dieselben Personen, die heute großes Unheil anrichten, in zwanzig Jahren als Leuchten einer angeblich neu angebrochenen Zeit dastehen. Es war noch nie anders. Sie beherrschen einfach die Daten der Erinnerung.

Auch wenn man das nicht unterschätzen darf, nein, das keineswegs. Denn die erinnerten Daten verfälschen zu können ist auch Macht über ... den Wahn einer Zeit. In jedem Fall ist der Glaube, daß über Datenspeicherung wie über Datenlöschung objektivierte Erinnerung möglich wäre Symptom dieser geistig bereits unfaßbar kranken Zeit. Es wird deshalb mit solchen Abkommen wie dem jetzt von der EU abge- oder beschlossenen und als Erfolg gefeierten nur zu weiteren und weiteren unplanbaren, dabei in gewisse Interessensrichtungen umgewichteten Verschiebungen kommen, aber ganz sicher nicht zur bedeutenden Erhöhung des Schutzes des Menschseins. Denn der wird damit nicht höher, selbst wenn jeder bestimmen könnte, was erinnert werden darf, sondern er wird absurder, narzißtischer und vor allem unhistorisch-willkürlicher. Das Personsein selbst - das immer nur in Beziehung unter Personen möglich ist - wird unsagbar deformiert.

Das Prinzip humaner Erinnerung ist bereits mit dem allseits offenen (und dabei sehr wohl in der Hand Einiger befindliche) Internet und der Rolle der social media prinzipiell ruiniert, mehr noch: es ist bereits heute bestimmt, woran wir uns morgen erinnern werden. Damit ist unendlicher Stillstand, Abkoppelung vom Wirklichen vorprogrammiert. Und damit Geisteskrankheit, denn genau das ist das Signum der Geisteskrankheit. Die katastrophalen Folgen für unsere Gesellschaften werden eines Tages für alle erkennbar sein, das ist so sicher wie das Amen im Gebet. An einer Stelle, an der es derzeit niemand vermutet. Und dann, wenn wir endgültig und verzweifelt nach dem Humanum suchen. Denn die Gegenwart ist immer eine Situation der Erinnerung. Erinnerung aber ist etwas völlig anderes als "Datenwissen". Es ist ein schöpferischer Akt.





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