Es ist zu vermeiden, daß der pastorale Dienst der Bischöfe in den
verschiedenen Rängen der Bischofskonferenz sich faktisch in eine Art
Zentralregierung der Kirche in einem Land oder einer Region verwandelt,
die, obwohl nicht verpflichtend, im Bereich der Partikularkirche so
präsent wird, daß eine Nicht-Folgeleistung als Mangel an kirchlicher
Gemeinschaft betrachtet wird. [...]
Auf die gleiche Weise hat dieser Relativismus auch auf die Beziehungen
mit den anderen christlichen Konfessionen eingewirkt, durch einen
Ökumenismus, der uns unter gewissen Umständen die authentische
christliche Botschaft aufgeben läßt, um lediglich eine bloß natürliche
religiöse Wahrheit zu verkünden. Als Folge dieses Relativismus haben
sich die grundlegendsten anthropologischen Wahrheiten über die
menschliche Person aufgelöst und der offensichtlichste Ausdruck dafür
ist der Primat der Gender-Theorie, die eine völlige anthropologische
Wende im christlichen Verständnis der Person, der Ehe, des Lebens usw.
voraussetzt. [... ]
„Der Dissens kann verschiedene Formen annehmen. In seiner radikalsten
Ausprägung möchte er die Kirche umwandeln und dabei einem Modell des
Protestes folgen, wie es in der politischen Gesellschaft verwendet wird.
Häufiger wird die Meinung vertreten, der Theologe sei nur dem
unfehlbaren Lehramt zu folgen gehalten, während nach Art eines gewissen
theologischen Positivismus die ohne Inanspruchnahme des Charismas der
Unfehlbarkeit vorgelegten Lehren keinerlei verpflichtenden Charakter
hätten, wobei dem einzelnen volle Freiheit gelassen würde, ihnen
anzuhängen oder nicht“ ( Donum Veritatis, 33). „Der Theologe
wird in diesen Fällen nicht auf die Massenmedien zurückgreifen, sondern
vielmehr die verantwortliche Autorität ansprechen, denn durch das
Ausüben von Druck auf die öffentliche Meinung kann man nicht zur Klärung
von lehrhaften Problemen beitragen und der Wahrheit dienen“ (Donum Veritatis, 30) [...]
In Wirklichkeit können die Meinungen der Gläubigen nicht einfach als
“sensus fidei” gleichgesetzt werden. „Dieser ist nämlich eine Eigenart
des theologalen Glaubens, der als Gabe Gottes, die das persönliche Ja
zur Wahrheit schenkt, nicht irren kann. Dieser persönliche Glaube ist
zugleich Glaube der Kirche, denn Gott hat der Kirche die Hut des Wortes
anvertraut, und was deswegen der Gläubige glaubt, ist das, was die
Kirche glaubt. Daher schließt der ‚sensus fidei‘ seiner Natur nach die
tiefe Übereinstimmung von Geist und Herz mit der Kirche, das ‚sentire
cum Ecclesa‘, ein“ ( Donum Veritatis, 35). [...]
Kard. Gerhard Müller, Präfekt der Glaubenskongregation,
in einer Ansprache an die chilenischen Bischöfe vom November 2015
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