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Sonntag, 6. Dezember 2015

Es ist bereits zu spät

Es wird derzeit viel Richtiges oder Teilrichtiges im Netz veröffentlicht. Was es schwierig macht, noch originäre Ansätze zu finden, die zu zeigen lohnte. Der Diskurs hat sich entwickelt, und nicht zum Schlechteren. Das ist das eine.

Aber alles das reicht nicht, das wird dadurch aber der Boden der geistigen Kraft der Gegenwart immer deutlicher. Und er ist nicht tief gegnug gegründet, er gleitet ab, bekommt die Wurzeln nicht mehr zu fassen. Mehr als Kosmetik wird selbst im günstigsten Fall "vieler Richtigkeiten" nicht mehr möglich sein.

Sodaß der VdZ mehr und mehr zu jenen Positionen zurückkehrt, die er schon vor Jahren dargelegt hat. Sie reichten eigentlich aus. Sind vielmehr noch schärfer, schicksalshafter zu sehen. Denn es ist nichts mehr rückgängig zu machen. Obwohl es mehr oder weniger mächtige Versuche geben wird, die aber in Totalitarismus und noch mehr Chaos enden müssen.

Die Zeit zu großen Würfen oder gar Weltrettungsphantasien ist vorbei. Nun gilt es, viel viel aufgeben zu lernen. Im wahrsten Sinn: Arm werden lernen. Sterben lernen.

Wie so oft in der Geschichte, ja wie in deren bei weitem überwiegendem Teil, wurde das Schicksal eines Volkes durch eine gewaltige Summe an Versäumnissen und Nicht-Kenntnissen, absichtlichen Fehlentscheidungen aus oft verborgensten Charakterschwächen bestimmt. Und niemandem fiel auf, wie sehr unter dem Gekräusel des Alltagswortmeeres bereits Kontinentalplatten verschoben wurden. Aus Irrtümern wurden Fehleinschätzungen, aus Fehleinschätzungen Fehlhandlungen, aus Fehlhandlungen immer größere Fehlhandlungen, und daraus irreparable, interdependente Systeme.

Europa HAT bereits verloren, und zwar bereits vor Jahrzehnten, ja vor Jahrhunderten. Alles was seither passierte ist nur noch der allmähliche Vollzug, bis die Tagesereignissse jenen Verlauf nahmen, den die Chemie oder die Quantenphysik kennt: Zustände, Dingheiten schlagen in einem einzigen Moment um, und sind nun andere. Sie Sicherheit, mit der der Kontinent seinen Untergang wählte, ist dabei das Beeindruckendste. Es war nicht schicksalshaft unveränderbar, aber es ist in sich stimmig: Das nunmehr zum Vorschein kommende, kulturell gebildete menschliche Gestaltbild vermag in seinen Defekten nur noch Zielverfehlungen als Handlung zu erbringen. Wie schon so oft hier dargestellt: Es verfehlt seine Ziele, ja erreicht ihr Gegenteil.

Es gab Warner genug, die schon aus den Vorbeben das Großereignis nahen sahen. Die wußten, daß Fehler im anfänglichsten Denken größte Auswirkungen in der Blüte haben, in der sie kaum noch erkennbar sind, und doch genau den Anfang zeigen, weil alles was ist ein Zeigen des Anfangs, des Ursprungs ist. 

Aber niemand, wirklich niemand hat sie ernstgenommen. Pseudologische Dynamismen haben in einer kopflosen Situation eine Öffentlichkeit produziert, die ins Nichts führte. Aus der fundamentalen Kulturkritik vergangener Zeiten wurde ein eigenes Fächelchen eines fast beschaulichen Lebensgefühls. Aber alles Große beginnt im Kleinsten - beim scheinbar unauffälligsten Ja oder Nein, der scheinbar unwichtigsten, alltäglichsten, gewöhnlichsten Wahl, die man tritt.

Aber die Debatte zeigt, daß das Abendland die geistige Substanz und die Stärke einer ausreichend geprägten Jugend nicht mehr aufbringt, sich zu reformieren. Es ist damit nicht nur auf dem Rückzug, es ist nicht mehr in der Lage, sein Territorium zu behaupten. Fremde Völker sind bereits in die Leere vorgestoßen, die sich lange lange aufgebaut hat, und sie sind mittlerweile weit genug, um das Land in Besitz zu nehmen. Noch eine Zeit lang wird es Parallelterritorien geben, Scheinverteidigungslinien einer Selbstbehauptung, die gar keine mehr ist, sondern ein bloßes Festklammern an leeren Hüllen. Bis auch diese in ein neues Ganzes aufgehen werden, das wir noch nicht kennen.

Es ist Trauer, nicht Deprimiertheit, die der Leser hier findet. Es ist Nüchternheit, nicht Resignation. Und zwar jene Nüchternheit, die das Vergangene aufgibt, weil sie mit Tatbereitschaft und Wille zur Welt nach neuen Wegen sucht. Die weiß, daß dieser Neuanfang im Kleinsten beginnen muß und nur dort beginnen kann. Dort, wo das Alte versagt hat.

Wie lange solche Schwebezustände wie wir sie heute erleben anhalten können kann niemand sagen. Die Geschichte lehrt, daß es lange dauern kann, auch wenn sie wie die Gegenwartszustände schon lange dauern. Die Geschichte lehrt aber auch, daß sie an einem bestimmten Punkt schlagartig kippen. Und diese Ahnung ist es, die so viele längst trägt, die dafür sorgt, daß so frapppierend ähnlich wie etwa im 3. und 4. Jhd. - man lese in den zahlreichen Schriftzeugnissen* dieser Zeit! - apokalyptische Vorstellungen die Menschen im Innersten bestimmen.





*Lesempfehlung dazu: Joseph Fischer, "Die Völkerwanderung", Heidelberg 1947


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