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Samstag, 5. Dezember 2015

Ein Urteil muß fest sein, nicht richtig

Weil es von so großer Wichtigkeit ist - nämlich auch im Gesamtzusammenhang Persönlichkeit und Heil - soll es neuerlich aufgegriffen werden: Die Notwendigkeit des Urteils als wesentliches Element des Menschseins, jeder menschlichen Kultur, und auch des Papsttums damit.

Denn es geht im Urteil nicth darum, ob es sachlich in allem "stimmt". Es geht um die Sittlichkeit darin, und die liegt - in der Haltung, es zu fällen. Genau so, wie die ganze Welt nicht aus inhallichen Verabsolutierungen besteht, sondern aus sittlichem Zueinadner, aus Beziehungen!

Ein Urteil mag nämlich inhaltlich "falsch" oder "ungewiß" sein - es braucht dennoch die Festigkeit seiner Verkündigung. Das ist das Wesen der Verantwortung, so wie es deren Wesen ist, sich zuvor, vor der Verkündigung, um die inhaltliche Entsprechung zu kümmern. Aber in dem Moment, wo ein Urteil zu fällen ist, welcher Moment sich aus der ständischen, lokalisierten (und nur damit Welt, Fleisch gewordenen Transzendenz bzw. Ordnung in Gottes Weisheit), ist an ihm festzuhalten. Und in dem Moment muß es vom Richter selbst vertreten werden, und zwar mit äußerster Gesetzesstrenge.

In dieser Beziehung - dem Akt des Urteilfällens also - liegt das sitlliche und damit heilswirkende Wesen des Urteils. In dieser Festigkeit erst wird überhaupt Welt. Gebaut wie gehalten. Genau darin nämlich gehalten, als dem Richter immer bewußt ist, daß er inhaltlich auf nie ganz klare sachliche Gewißheiten baut, weil deren Gesamtkenntnis dem Menschen nicht nur gar nicht möglich ist, sondern weil diese Gesamtkenntnis selbst bereits ein sittlicher Akt ist, der in gewisser Weise mit dem sachlichen Inhalt gar nichts zu tun hat. Auf den es aber ankommt.

Wo Richter ihre Gewißheit verlieren, aufs Spiel setzen oder (auch durch sie selbst) in Frage gestellt sehen, wächst nicht die sachliche Korrektheit, als vermeintliche Wahrheit, sondern bricht ein Rechtssystem und damit eine Ordnung zusammen. Wahrheit aber ist NICHT einfach "Richtigkeit", sondern das Lebensprinzip der Welt - als Gerichtetheit auf das Transzendente, das Persönliche, das Wahrheit selbst ist.

Nie hat ein "falsches" Urteil Unheil gebracht. Unzählige male aber ein unsicheres, das sogar die Fundamente jeder kulturellen Ordnung (zu der die Organisation der Kirche gleichfalls gehört) zu erschüttern vermochte und vermag. Denn das Heil der Welt, ihr Aufgehen in der Glückseligkeit in Gott (also: der Kirche in ihrer ultimativ realisierten Gestalt, der Neuen Schöpfung) ist nicht ihre "Richtigkeit", wie sie sich der Mensch qua Utopie vorstellt. Es liegt an völlig anderen Gestranden. Der nicht zum Urteil Willige (und darin gipfelt eigentlich diese Sittlichkeitsforderung) ist nicht führungsfähig, und deshalb zerfällt der von ihm vorgestandene Organismus. Ein unsicheres, vieldeutiges, nicht auf eine oft sehr vordergründige Weise ordnendes Urteil zerrüttet, nicht ein hier oder dort falsches.

Die Wahrheit eines Papstes entscheidet sich deshalb nie an seiner theologischen Gewandheit, an seiner philosophischen Tiefe, ja nicht einmal an seiner Häretikereigenschaft (wie die Kirchengeschichte hinlänglich beweist). All das ist wünschenswert, aber nicht das Kriterium. Sie entscheidet sich an der Fähigkeit zur Unzweifelhaftigkeit im Urteil, an der Führungsfähigkeit also, wie Thomas von Aquin bereits formulierte: Nicht der "frömmere" Papst ist der Bessere, sondern der zur Führung "Fähigere". Niemand aber kann führen, der nicht die Festigkeit des Urteils bieten kann.

Wer vieles zu retten versucht, der wird alles verlieren. Welt heißt: Auswahl, heißt: Entscheidung. Heißt: Setzung. Ohne Setzung - keine Welt.




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