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Mittwoch, 8. Februar 2017

Unwahres ist auch ineffizient

Es ist längst Generalthema unserer Zeit, und zeigt sich natürlich auch und deutlich in den Herangehensweisen an das, was als "Wirtschaft" bezeichnet wird. Es geht um die Ausblendung der Metaphysik, aus der jene grundlegenden Prinzipien über die Welt erst erkennbar wären, die dann jeden einzelnen Bereich erst verstehen lassen. Was natürlich - und das ist die Misere - sehr wohl selbst eine metaphysische Entscheidung ist. Ohne Grundzüge wird die Welt überhaupt nicht mehr erkennbar und begreifbar, denn das Erkennen schreitet vom Allgemeinen zum Spezifischen fort. Jeder simple Akt des Sehens zeigt das handgreiflich. Wir kommen von einem Allgemeingrund, einem Einen, Umfassenden - der Wahrheit - um ins Spezifische zu tauchen.

Dieser Allgemeingrund wird geleugnet, was selbst ein Definition von Allgemeingrund ist. Wer sagt, es gebe keine absolute Wahrheit in der alles gründet, trifft ers recht und sogar deskriptiv-erstarrt eine Aussage über die Wahrheit selbst.

Die Folgen sind, daß in allen Lebensbereichen der Gegenwart (allen voran den Bereichen des Zwischenmenschlichen, und so auch in der Wirtschaft), mit mehr oder weniger willkürlichen Parametern als "Signifikanten des Gelungenen" herumoperiert wird. Irgendwie soll das Ding doch noch zum Laufen gebracht werden, um es salopp zu formulieren. Auf der reinen Ebene jeweils aktueller Probleme und Notwendigkeiten, eben Störungen an jenem Resultat, das man gern hätte.

Das es dann zu erreichen gilt. Welt (und alles, was Welt ist und in ihr ist) trägt kein inneres Wesen mehr, sondern wird zur tagesaktuellen Oberflächen-Maschine, an der zu manipulieren ist, um das Gewünschte (als Gesolltes) zumindest vorerst zu erreichen. (Mit dem "seltsamen" Ergebnis, daß ein Zustand, in dem etwas prinzipiell funktioniert, nie erreicht wird, man also ständig an der Fassade repariert, ohne das Problem je lösen zu können.*) Unter genau diese Kategorie fallen auch die Ausführungen von Sir Angus Deaton über Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit, der sich darin als "very british" erweist. Er sagt, daß Ungleichheit die Demokratie gefährde. Sie sei gleichzeitig das große Hindernis für den Idealzustand, in dem alle Staaten der Welt wirtschaftlich auf das Niveau von Wohlstand und Prosperität gehoben werden könnten. Also habe sich die Welt zu überlegen, wie diese Ungleichheiten ausgeglichen werden können. Und das ist auch Deatons publizistisches Hauptthema.

Wie auch immer man zur Ungleichheit denkt, ob man sie nun für gut oder schlecht befindet,  der Fehler liegt im Ansatz. Denn eine "nachhaltige" Verbesserung der Lebensbedingungen schlecht entwickelter Länder liegt nicht in einem Herumschrauben an wirtschaftlichen Bedingungen des volkswirtschaftlichen Apparats zu bewerkstelligen. Denn die Wirtschaft ist kein Apparatus, der sich mit ein wenig Öl hier und besser Vergasungsthermie dort wirklich verändern ließe. Wirtschaft war nicht zufällig und traditionell eine Teildisziplin der Morallehre, der Ethik. Denn alles an ihr beginnt und endet beim Menschen selbst. Wirtschaft ist nur die Deskription des Tuns der Menschen. Von seiner sittlichen Höhe alleine hängt es ab, ob und wie gesund sie ist. Und im menschlichen Versagen liegen die Wurzeln wirtschaflicher Notstände. Wirtschaft beginnt deshalb in der Religion. (Weshalb der einzig richtige und nachhaltigste Ansatz zur Verbesserung einer Volkswirtschaft - die Mission war und ist.) 

Im heutigen Verständnis aber, mit einer Wirtschaft als technischem Apparatus, werden wirtschaftliche Ergebnisse (heruntergebrochen auf technische Parameter dieses Apparates, damit Ausdruck der Art, wie man ihn versteht: technizistisch, materialistisch-mechanistisch) von der menschlichen Sittlichkeit getrennt. Was nicht mehr und nicht weniger als die Vorstellung klassifiziert, was denn als gelungenes Leben angesehen wird, worin sich der zeitgenössische Kapitalismus (noch einmal: das ist nicht identisch mit "freier Markt"!) mit dem marxistischen Wirtschaftsverständnis völlig trifft. Nur am gelungenen Leben aber kann sich Wirtschaftsdenken bemessen. 

Und daran bemißt sich auch das Maß des Wohlstands, das einem Land zukommt. Übersteigen die wirtschaftlichen Erfolg den sittlichen Zustand der Menschen, weil es zur Beherrschung eines Apparats ja kaum oder keine Sittlichkeit braucht, so taumelt genau dieser erfolgreiche Mensch in einen Zustand, wo seine Möglichkeiten sein ihm Adquates (Können bzw. Sollen) übersteigen. Darin liegen sogar die Verwüstungen begründet, die der Mensch anzurichten vermag. Weil sich sein Tun nicht auf die Welt als (geheimnisvolles, im Einzelnen gar nie ganz zu erfassendes) Ganzes richtet, sondern auf Teilbereiche, die er für seine Zwecke optimiert. Was unser heutige Zeit lediglich von wildesten Auswüchsen unterscheidet ist eine dazugeflickte Teil-Moral. Die heute sogar großmundig die Gefährdung des Ganzen verkündet, ohne dazu überhaupt noch eine Beziehung zu haben, es also zu erkennen. 

Die politischen Auswege sind deshalb immer dieselben: Sie sind nur in der Betonung unterschiedene Totalitarismen, je nachdem, was an der menschlichen Freiheit gerade als um eines höheren Gutes willen entbehrlich angesehen wird. Womit der Zugang zum Ganzen, wie ihn jeder Mensch aus sich selbst heraus hat (und im Maß seiner Freiheit als sittlichem Zustand hat oder nicht hat), nicht mehr vom Einzelnen als eigentlich tägliche Lebensleistung zu erbringen ist, sondern nur unter Berücksichtigung jeweiliger Paradigmen und Denkvorränge, ist also  immer ideologisch. Und sie sind umso radikaler totaliär und ideologisch, als sie diese Optimierung als moralisches Gebot festlegen und vorschreiben und damit Sittlichkeit vortäuschen.







*Das bewirkt, daß es heute sogar schon als Normalzustand angesehen wird, daß man ständig "am Funktionieren" (man denke nur an den Begriff "Beziehung", der in seiner Unbestimmtheit - als Unwesentlichkeit - alleine schon ausdrückt, was hier gesagt wird) herumschustert. Salopp formuliert: Die Arbeit am Fassadenanstrich bindet immer mehr sämtliche Lebenskraft, weil er immer wieder abblättert und man gar schon meint, das müsse so sein. Die Politik habe aber gefälligst Gesetze zu schaffen, daß dennoch alles irgendwie zusammenhält. Damit sind aber alle Hände gebunden und für wirkliches schöpferisches Wirken nicht mehr frei. In wirtschaftlichen Termini ist das die Veränderung unserer Systeme in Richtung völliger Ineffizienz und Unwirtschaftlichkeit. Und wer die heute so prominenten Lebensfelder ansieht, wird genau das auch feststellen. Man denke nur an die "Energiewende" oder an die pausenlosen und immer mehr ausufernden Reparaturarbeiten an Formen des Zusammenlebens.




*030217*