Teil 2) Illegitime Farce einer Staatsgründung
Genau
so - Entmachtung der Fürsten, Zentralisierung der Macht im König - war
es ja in Frankreich geschehen, nur bereits früher. Und fast ein wenig
zufällig, weil nur im König zu Paris die Idee eines Frankreich überlebt
hatte. Auch der Erbfeind Deutschlands war
ja nur ein Königreich. Das in der Rolle des Zentralismus als
Landesprinzip Deutschland tatsächlich um fast 1000 Jahre voraus war.
Aber das hat mit der speziellen Geschichte Frankreichs zu tun, das ja
lange Jahrhunderte durch Machtkämpfe unterschiedlicher Herrscherhäuser
(im besonderen mit dem König von England, selbst ja ein Sproß aus
normannischem Fürstenhaus, also aus Frankreich.) zerrissen war und nur
der König selbst die "Idee Frankreich" repräsentierte, was zu seiner
spezifischen Stellung im Volksbewußtsein führte.
War also in Frankreich die Staatsidee direkt mit dem später (v. a. seit Ludwig XIII. bzw. Kardinal Richelieu) alles unter sich einenden König verbunden, ja NUR mit diesem verbunden, und erweiterte sich, war die Folge der Schwächung der Fürsten und Könige in Deutschland fatal. Denn mit ihr zerrissen die Völker als Familie, als organische Einheit.
Das gelang nicht überall, aber es gelang bei den (eben: universalistischen) Teilen, die bereits entwurzelt waren. Und das waren immer (!) die technizistisch, auf Funktion ausgerichteten Bevölkerungsteile. Teile, die keinen Platz mehr hatten sind damit genauso gemeint (der Ursprung der Kaufmannschaft, der Abenteurer in Familien, die ienfach zu viele Söhne hatten, die also keinen Anteil mehr am väterlichen Land bekommen konnten, ist evident) wie Bevölkerungen, die wanderten, keine Heimat hatten, etc.
Damit sind auch die Juden gemeint. Ihnen allen war gemein, daß sie vom Boden "abgestoßen" worden waren. Sie waren alle Entwurzelte, die sich in den Städten (die kaiserliche, königliche Idee waren, vielfach genau deshalb, um die Macht der Fürsten zu brechen) sammelten, wo sie dem Zugriff der "von Gott installierten Patriarchen" (also: der Seinsordnung, man kann es darauf zuspitzen) entzogen waren.
Entsprechend
ist auch die religiöse Stellung des französischen Königs (der fast gottgleiche, zumindest priesterliche Stellung hatte) weit
tiefgreifender verankert, denn davon ging der französische Zentralismus
aus, wie er sich unter Ludwig XIII. und seinem Nachfolger Ludwig XVI.
herausbildete zum einen ausformte, der zum anderen aus vielerlei Gründen
anderen Ursachen zuzuschreiben ist. die bis hin zur Machtbalance
zwischen römischem Kaiser (der seit der Nachfolge Karls des Großen
praktisch in der Hand von Fürsten aus deutschen Herrscherhäusern lag)
und dem Papst (der immer wieder die Franzosen als Gegenmacht gegen den
deutschen Kaiser heranzog, was dann zum Problem Avignon führte,
usw. usf.) Aber noch unter Ludwig XIII. hatte Frankreich versucht, sich
die römische Kaiserkrone im Rahmen der Versammlung deutscher
Reichsfürsten zu sichern, das nur als weiteres Indiz für die eigentliche
Reichsidee.
Die
Stellung des deutschen Königs innerhalb der deutschen Völker und
Fürsten ist ein eigenes Problem, der in seiner absoluten Stellung nie
mit dem von Frankreich (und in anderer Hinsicht dem von England)
gleichkam. Entsprechend unsicher war seine Macht, und das wollten die
deutschen Völker auch nie anders. Die diesen Zentralismus immer
abgelehnt hatten. So lange, bis Bismarck-Preußen diese Autonomiestellung
der deutschen Völker - auch die Franken sind ja auf eine Weise ein
deutsches Volk, wobei den Salliern/Franken seit Urzeiten die erste
Herrschaftsmacht zukam, was wiederum die Stellung des französischen
Königs weiter beförderte - durch Militärmacht 1866 definitiv brach.
Aber da war die ursprüngliche Volksidee - die einer Familie, mit dem Vater, von Gott eingesetzten Landesvater, dem König, Fürsten - bereits bei weiten Teilen der Bevölkerungen geschwächt. Der Weg zu einem Deutschland der Technik war also frei. Und der Aufstieg Deutschlands als (dabei:in sich tief zerrissene) Wirtschaftsmacht begann. Die Ähnlichkeiten mit den USA, die Konkurrenz zwischen diesen beiden Staaten, war also keineswegs Zufall. Sie beruhte auf ähnlichem Mentalitätszerfall.
Aber da war die ursprüngliche Volksidee - die einer Familie, mit dem Vater, von Gott eingesetzten Landesvater, dem König, Fürsten - bereits bei weiten Teilen der Bevölkerungen geschwächt. Der Weg zu einem Deutschland der Technik war also frei. Und der Aufstieg Deutschlands als (dabei:in sich tief zerrissene) Wirtschaftsmacht begann. Die Ähnlichkeiten mit den USA, die Konkurrenz zwischen diesen beiden Staaten, war also keineswegs Zufall. Sie beruhte auf ähnlichem Mentalitätszerfall.
Richtig
ist, was heute praktisch vergessen ist, daß die Idee eines "Deutschland
als Reich" eine linke Idee war, die ganz gezielt die alte Königsidee
verdrängte und ignorierte. Sie war die tragische Folge der Niederlegung
der Kaiserwürde durch den Habsburger Franz II. 1806 (der dann ebenfalls
ein neues Kaiserreich gründet, das von Österreich, und sich fortan Franz
I. nannte) aus Vorsicht vor Napoleon, der ja in Deutschland dabei war,
die Mehrheit der deutschen Länder (Plural) und damit das Wahlrecht für
den Kaiser an sich zu ziehen. Daß Napoleon sich dann selbst zum Kaiser
krönte (er nahm dem Papst ja die Krone aus der Hand) ist nur eine
weitere Facette einer Inflation der römischen Reichsidee, die im 19.
Jhd. einsetzte. Wo es weltweit bald dutzende Kaiserreiche gab, jeweils
als Antwort auf die Legitimationsfrage einer meist zentralistischen
Staatsidee.
Die
"kleindeutsche Lösung" (ohne Österreich bzw. die Habsburger Länder) war
deshalb eine Ungeheuerlichkeit, die am besten zeigt, daß das Deutsche
Reich, das Bismarck durch den bayrischen Staatskanzler in Versailles
"spontan" ausrufen ließ (denn es sollte so wirken, als sei dies durch
"Akklamation", ein altes Königswahlrecht, geschehen), war deshalb eine
Farce.
Und Bismarck wußte das. Das zeigt seine spätere Beschäftigung
mit dem deutschen Föderalismus, und das zeigt seine vorsichtige
Weigerung, dieses neue Deutsche Reich als weltpolitischen Spieler zu
verstehen - er sah es als Zweckverein, im Grunde als zeitgemäße,
"notwendige" Reaktion auf den technizistischen Fortschritt der Moderne,
der die meisten Staaten der Welt bereits erfaßt hatte und sie zu den
besseren Maschinen machte. Er gab es vor allem aber nie (auch wenn das widesprüchlich ist) als "föderalistisches Konzept" auf, zumindest nicht formal. (Seine Sympathie für den allertrutzigsten deutschen König, den Bayern Ludwig II., ist legendär.)
Diese
Reiche - Bismarcks Deutsches Reich, und später das Dritte Reich der
Nazis - als in einer Kontinuität zu bezeichnen war aber ein
PR-Trick, um es so zu sagen. Er sollte den Menschen einen Zusammenhang
vorspiegeln, der aber gar nicht gegeben war. Schon gar nicht seit Martin
Luther. Der im Grunde nicht der Initiator der deutschen Idee war, wie
es auch von Flocken hier darstellt, sondern - man könnte es so
bezeichnen - Opfer der deutschen Fürsten war, die ihre Stunde gekommen
sahen, und wie in England ihre Hausmacht durch Enteignung und
Ausschaltung der Kirche stärkten.
Morgen Teil 3) Warum Hitler gar nicht seine Politik machte,
sondern die Idee eines Deutschen Reiches ihn zwang
*090817*