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Mittwoch, 23. August 2017

Von der Entfremdung von Kirche und Politik

Wenn man von einer Entfremdung von der Kirche spricht, so hat es dieselben Quellen wie die Entfremdung von der Politik. Es liegt im Überspringen der entsprechenden, eines Lebenshorizont adäquaten Ansprechebenen. Es liegt im Überspringen des allernächsten Nächsten, des Bürgermeisters, des Abgeordneten für den Bezirk, oder des Pfarrers, des ganz konkreten Pfarrers in der Kirche, in der man getauft wurde, zugunsten eines zweitwirklichen Absoluten, das rasch zu einem rein fiktiven Theoriegequatsche wird, wo es immer nur noch ums Ganze geht. 

Als ginge es immer ums Ganze. Als wäre das Ganze nicht genau darin adressiert, sich im Konkreten, Allernächsten zu ergehen und dahinein zu investieren. Also diskutiert man über "den Papst", "den Kanzler", anstatt sie das sein zu lassen, was sie sind: ferne und im Grunde irrelevant für die eigenen Lebensprobleme.

Abgesehen davon, daß hier die Medienproblematik eine große Rolle spielt, denn ohne Medien gäbe es diese Zweitwirklichkeitsebene (auf der erst die Propaganda ihre Wirkmöglichkeit hat) gar nicht, sie erst läßt vergessen, was überhaupt von praktischer Relevanz für eines Leben ist und was nicht, ist die Verabsolutierung der "hohen Ebenen" - in Politik wie Kirche besteht dasselbe Problem: das einer falsch verstandenen weil nur in Autorität verankerbaren Unfehlbarkeit! - ein Problem der letzten 100 bis 200 Jahre. Vor 200 Jahren wäre es niemandem eingefallen, jede faktische Äußerung des Pfarrers (der sich zur Predigt sogar seines feierlichen Zelebrationsgepränges begab, um nur noch im Cingulum auf die Kanzel zu steigen) für absolut zu nehmen (während man doch genau wußte, daß dieser falsche Bruder die Liesel vom Huberbauern geschwängert hatte). Man hat immer früh gelernt zu unterscheiden, wo das Amt endet, und wo der Mensch beginnt. Zu unterscheiden, wie man sich dem Absoluten gegenüber verhalten muß, und wie dem konkreten Vermittler des Absoluten.

Dieses Problem besteht ja nach wie vor. Es ist nur schwieriger zu lösen. Dasselbe, was man früher durch den direkten Kontakt mit dem Pfarrer am Stammtisch oder im Dorftratsch tat, hat dabei aber die absoluten Ebenen erreicht. Heute wird über Vorgänge im Vatikan oder in Washingtons Ovale Office (oder im Goldenen Büro im Roten Kreml) auf ähnliche Weise versucht, sich dieser nicht ertragbaren Absolutheitslast zu entledigen. Aber es geht nur noch, mangels persönlicher Kenntnis der Proponenten, indem man sich der Institutionen selbst entledigt, diese beschädigt. Es geht nur noch letztlich abstrakt.

Wer die Kirche sucht, wer die Politik sucht, wer mitreden will, und dabei meint, er müsse dazu seinen Pfarrer, seinen Bürgermeister überspringen, hat nicht nur einen Dachschaden, er ist am besten Weg, sich jeder Ansprechebene zu entledigen. Und sich genau dessen zu entledigen, durch Entfremdung, auf das er nun in immer mehr leerem Gequatsche (denn wie viele haben auch nur den Funken einer Ahnung, wie es im bischöflichen Ordinariat oder im Politbüro der Weißen Hauses zugeht) seine Zeit füllt, ohne daß daraus das wird, was er doch so gerne hätte: Wurzeln in der Welt.

Denn erst wenn er diese hat, ist er in der Lage, sich über die großen Dinge dieser Welt den Kopf zu zerbrechen, ohne nur leere Luftkilometer zu radeln, weil ihm die Basis für ein Urteil völlig fehlt.


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Der Weg ist also völlig verkehrt u meinen, erst müsse man mit dem Papst (0der dem US-Präsidenten, was auch immer) zurecht kommen, DANN würde man es auch mit seinen Untervertretern. Es läuft genau umgekehrt. Wenn der Pfarrer ein Idiot ist, müssen die Menschen erst damit fertigwerden, um DANN - über diesen Pfarrer - mit der Kirche zurande zu kommen. Und sei es, daß man ihm wie weiland Don Camillo (das Beispiel ist sinngemäß umgedeutet) einen kunstvoll gedrechselten Birkenstock um den Schädel zieht. Aber dort ist die Kirche, für Sie, werter Leser, für jeden: In der Kirche ums Eck. Nicht im Vatikan, weil einem die Kirche ums Eck gestohlen bleiben könnte.




P. S. Diese Entfremdung erst hat zur Folge, daß wir heute beobachten, daß die Dorfpolitiker und der Dorfklerus - mit entsprechend ungeistigem Niveau - in die hohen Ebenen einziehen. Wir haben das Große zertrümmert, und insofern tatsächlich abgeschafft. Weil es aber nie Machtvakua gibt, dürfen wir mit Recht auf einen großen Weltregenten warten. Nur - wir werden ihn wahrscheinlich gar nicht als solchen bemerken.







*070817*