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Sonntag, 27. August 2017

Jede Kultur hat weil braucht Parallelmächte (3)

Teil 3) Der Liberalismus führt zur Theokratie
 - Die Anmerkungen





Ob wir also nicht vor einem ganz anderen Schritt stehen, einem Schritt, der die unausbleibliche Folge des religiösen, autonomistischen Zerfalls einer Kultur ist: Einem wahren kulturellen Rückschritt nämlich, in dem unsere Gesellschaften nicht nur in Parallelgesellschaften zerfallen sind. Die unweigerlich auch lokale, regionale Formen suchen werden; in den "NO-GO-AREAS" europäischer Städte (Schweden, Frankreich, Deutschland) haben wir es ja bereits. Was wir in Hamburg erlebt haben, war nicht das (einseitig) Versagen eines Staates, der seine Ordnung nicht garantieren kann.

Es war ein Menetekel: Die Randalierer von Hamburg taten dasselbe, wie es muslimische Sonderräume überall in Europa bereits tun. Die demonstrieren, daß nur religiöse Rückbindung, die Verankerung von Recht im Absoluten in der Lage ist, Ordnung auch im zivilen Leben zu gewährleisten. Die "Bürgerruhe", die wir heute in Europa haben, beruht nämlich nicht auf einer Anerkennung von Recht und Gerechtigkeit, sondern auf einem weitgehenden Konsens, sich um die Grundlagen von Recht und Gerechtigkeit nicht zu kümmern. Denn dann würde es auch manchmal mühsam. Aber eine solche Rechtsordnung versagt genau dann, wenn sie gefragt ist, denn sie ist mehr und mehr die Hülle um ein Wert- und damit Machtvakuum. Keine Polizei, keine Exekutive der Welt, egal welchen Staates, vermag aber so einen Sack voller Flöhe noch zu befrieden. Kein Volk kann bestehen, das nicht aus seiner transzendenten Verankerung heraus im Frieden lebt. Jemand hat mit Recht deshalb die Frage gestellt, was passiert wäre, wenn solche Demonstrationskrawalle zugleich noch in Frankfurt und Berlin ausgebrochen wären. Deutschland hätte gar nicht genug Polizisten, um dem zu wehren. Die waren alle (!) in Hamburg.

Aber Hamburg war - auch - symptomatisch für etwas, das (gerade bei Liberalen) Grundtenor in Westeuropa geworden ist.  Man möchte sich waschen, ohne naß zu werden. Wir wollen nur eines: Es muß ruhig bleiben. Wir wollen alles, auch das was dieses Chaos begründet, aber wir wollen vor allem, daß wir in unserem gemütlichen Wohlstandsleben nicht gestört werden. Erst wenn das der Fall ist, schreien wir nach Recht und Ordnung. Wir wollen vor allem nicht denken, denn das könnte zu Prinzipien und Notwendigkeiten führen, die wir nicht auf uns nehmen wollen. Der Ruf nach Gesetzesmacht, wie er in dem erwähnten Artikel auf Tichy's Einblicke (und von Liberalen generell) laut wird, ist deshalb dem Pragmatismus des Egoismus zuzuschreiben, DER Lebenshaltung des modernen Menschen. Wir wollen Folgenbeseitigung, die Wendeseite des Sozialstaates heutiger Prägung. Wir wollen Vertuschung unseres Lebens- und Kulturdesasters! Und wir bekommen sie prompt von der Politik geliefert.

Während wir aber an der Schwelle zu einem Europa stehen, das sich buchstäblich neu denken muß. Denn eine Einigung auf der Basis einer homogenen Kultur, die erst eine Akzeptanz von Gesetzen brächte, ist mit jedem Tag der letzten Jahrzehnte (und mit jedem Tag, wo weitere tausende Kulturfremde in unsere Länder strömten) unmöglicher geworden. Der Gedanke an ein "politisch geeintes Europa", wie er immer noch verfolgt wird, hat sich damit endgültig verabschiedet. Ihm bliebe nur noch die Form einer totalitären Diktatur. Und der ist immer ein Verfallsdatum auf die Stirn tätowiert. Was uns blüht, ist ein Europa an sich unvereinbarer Rechtsvorstellungen, weil religiösen Gebundenheiten, das in zahllose, oft genug sehr kleine Regionalräume zerfällt und zerfallen ist. 

Dieses doch noch zu einer politischen Kraft zu formieren, ist tatsächlich aber eine Herausforderung. Die zu wirklichen uns aber eines fehlt. Eines, das jede Kultur als Raum definiert hat und konstituierte: Die Helden, die in den Augen aller Helden sind. Und die ihr Heldentum als leuchtendes Urbild einer Lebensform und Religionsgebundenheit in unsere Welt strahlen, das für alle oder wenigstens die meisten Anlaß genug ist, ihm zu folgen. Dann erst wäre auch ein für alle verbindliches Gesetzeswerk wieder akzeptabel.

Aber man falle um Gottes willen nicht auf die Lamenti der Liberalen herein, die immer schon dann stark waren, wenn es darum ging, Mißstände anzuprangern, die sie selbst aber in unsere Kultur getragen haben. Die zu beheben sie aber weder die Kraft noch den Geist haben. Die plumpe Forderung nach einem starken Staat in Alleinstellung, was die Gesetzgebung anbelangt, ist deshalb nicht mehr als alles, was die Liberalen stets gefordert haben: Ein Rezept mit Ablaufdatum, das durch ebendieselben Liberalen zu widerrufen nur eine Frage der Zeit ist.** Denn diese geforderte Alleinstellung des Staates führt nicht alleine zur Diktatur, nein. Sie führt vor allem zu einer ... Theokratie.




Die Anmerkungen


*Gerade diese (rationalistische) Gesetzesinterpretation bei österreichischen Höchstgerichten wird zurecht von vielen beklagt. Sie entstand durch allmähliche Umbesetzung der höchsten Senate durch linksliberale Richter (die in Österreich von der Politik eingesetzt werden). Mit schweren langfristigen Folgen: Damit wurde nämlich der Gedanke der Gerechtigkeit aufgegeben. Heutige Höchstgerichtsurteile in Österreich sind zunehmend, wie Rechtsanwälte dem VdZ bestätigt haben, nur noch Formalurteile, ignorieren ganz bewußt den "inneren (also durchaus: transzendentalen) Gehalt" der Gesetze, der aber ihr Maßstab sein muß. So wird ein Gesetzeswerk eines Staates aber zum bloßen technischen Ablaufapparat degradiert, das nicht dem zu Recht verhilft, der es als Gerechtigkeit aufgrund ungerechter unterer Instanzenurteile verlangt, sondern dem, der diesen Apparat am besten zu bedienen weil seinen inneren Gehalt zu umgehen versteht.

²Das kann und muß sogar so weit gehen, daß es eine - und das ist nur in einer Person, einem Menschen verankerbar! - Instanz geben muß, die zumindest "Begnadigungsrecht" hat, um eine wahre Gerechtigkeit immer noch siegen lassen zu können, selbst wenn das Formalrecht anders entschieden hat. Das Leben des Menschen ist immer ein "komplexes, chaotisches, nicht-lineares" System, dem ein immer lineares Gesetz gegenübersteht. Dessen Wirksamkeit im Sinne der Gerechtigkeit deshalb begrenzt ist. Formales Recht ist immer - immer! - Stückwerk! Jemanden eines Gesetzesbruches anzuklagen muß deshalb immer heißen, ihn gegen ein allem Gesetz innertes, transzendentes, ewiges, absolutes Gesetz einer höheren Ordnung verstoßen zu sehen. Zwar muß ein Staat als Gesetzgeber immer darauf bestehen, daß sein Formalrecht respektiert und "wie ein absolutes Gesetz" gestellt wird, aber er muß immer bereit sein, und braucht dazu sogar Parallemächte (Kirche!), die den Fall aufgreifen, wo dieses Formalrecht Unrecht bedeuten würde, weil es der transzendenten, absolukten, ewigen Ordnung widerspricht. 

Die Vertreter dieser Parallelmacht müssen dabei u. U. sogar bis zum Martyrium gehen, was es in der Kirchengeschichte nicht selten gab. Was auch immer man also den Krawallierern von Hamburg vorwerfen kann und muß - in der puren Gewaltausübung liegt es nicht, nicht prinzipiell! Es liegt, wie es jemand einmal ausdrückte, daran, daß sie zwar dasselbe tun wie der Gerechte, aber im Unrecht sind weil sie den falschen Gott anbeten.

**Vergessen wir doch nicht, um nur bei diesem Beispiel zu bleiben, daß es gerade die Liberalen waren, die noch vor wenigen Jahren Vertreter unbeschränkter Einreisemöglichkeit für alle waren. Stillschweigend haben sie sich mittlerweile davon verabschiedet, und sind heute sogar oft in Positionen aufzufinden, die sie noch vor wenigen Jahren als "rechts" und verabscheuenswürdig verdammt haben. Dennoch versuchen sie nun oft genug, sich wieder an die Spitze des öffentlichen Disputs zu setzen. Diesem Schaumgärtchen des Liberalismus entspringen dann so forsche Formulierungen wie "Toleranz nur den Toleranten" etc., als Versuch, den eigenen Kopf zu retten und halt immer "vorn dabei" zu sein.






*050817*