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Sonntag, 29. November 2020

Aber Ungarn vertragen die Wahrheit schlecht (2)

Teil 2)


Ungarn sind auf ihr Land stolz. Ihr Nationalgefühl, ihr Patriotismus hat aber einen sehr positivistischen Charakter, und soll Volk, Volkskultur und Sprache (als das herausragendste Merkmal des Ungartums, ja fast als dessen "Aufhänge-Haken") gegen die drei angrenzenden Großmächte - Germanen, Slawen, Romanen - behaupten.

Nur fehlt fast immer - und schon gar in der offiziellen Erzählung - der Bezugspunkt. Eine Folge der (oft sehr gewaltvollen) Magyarisierung als Notgriff der Nationalitätsbildung im frühen 19. Jahrhundert. Denn etwa die Deutschen waren seit zumindest sechshundert Jahren, nach dem Tatarensturm, wesentliche Träger der Landeskultur und vor allem des Wohlstands. Das heißt, der Beantwortung der in Landschaft und Bodenbedingungen vorgegebenen Anrufe.

Dabei ist der Charakter des Ungartums seit je ein Königs-Charakter gewesen! Was wäre das noch heute für Kapital. Das heißt nicht weniger als daß es völlig gleichgültig ist, welcher "genetischen" Provenienz die Menschen waren, die sich dort einwohnten - sie alle schworen dem König, also personal (!), ihre Treue. Und dieser König hielt auch dann das Land zusammen. 

Ungarn ist ein Land mit kaum zu zählenden Völkerschaften. Von Anfang an waren es nämlich keineswegs nur "Magyaren", die über den Karpatenpaß kamen, und eine ziemlich menschenleere, dünnbesiedelte, aber riesige Tiefebene in Besitz nahmen. 

Von Anfang an waren andere Völker mit dabei, darunter die Szekler, wie die Ungarn ein Volk, ja sogar ein Turkvolk, aus den Weiten der zentralasiatischen Ebene. Neben dem Chasarenvolk, den Kumanen, die mit dabei waren, als diese von persischen, slawischen, skythischen, germanischen (im 5. Jahrhundert war Pannonien der erste Sammelplatz der Langobarden, deren Großteil dann weiter in den Süden wanderte und die herrenlose Lombardei samt Nord-Etruskien in Besitz nahm) Stämmen bewohnte Ebene kamen. Die umrahmt von Gebirgen wie eine Schale geformt ist. 

Man schätzt, daß die Zuwanderer Anfang der 900er Jahre in der doppelten bis dreifachen Übermacht waren, sodaß sich 400.000 Bewohner gut 800.000 Migranten gegenüberstanden. Im Westen wurden sie von den deutschen Kaisern gestoppt, namentlich in den bedeutendsten Ereignissen an der Unstrut und im Lechfeld (955) bei Landsberg am Lech.

Und mit diesen Völkern fand auch das nachchristliche "Judentum" seine Heimat in Ungarn, wie in den im Osten angrenzenden Landschaften der Westukraine (dem heutigen Weißrußland), Süd-Litauen und Südostpolens, also dem "Schdettel". Manche (wie Arthur Köstler in "Der dreizehnte Stamm") meinen sogar, daß es diese Völker und Volkschaften waren, die "den Ungarn" den Ruf als kriegerisches, wehrbereites, ja expansives Volk zu verdanken haben. Den die Magyaren als solche waren matriarchalisch, und das heißt immer: degeneriert, und damit wenig kämpferisch. 

Im Süden blieb die Expansionspolitik aber erfolgreicher, und so unterwarfen die Ungarn die Kroaten, Slowenen und Serben, sodaß Ungarn seit dem 12. Jahrhundert "am Meer" lag. In der "Personalunion" des ungarischen Königs als König von Ungarn mit dem König von Kroatien (und Bosnien). 

Das war, übrigens, erheblich später als jene Ereignisse, die Österreich (das nach den Babenbergern und gegen Ottokar von Böhmen habsburgisch wurde) über Kärnten-Krain (heute Westslowenien) und Triest (das den Schutz gegen die Venezier gesucht hatte) ans Meer anbanden. Wie in Triest das Deutsche, ist heute noch in Koper oder Rijeka, aber in ganz Kroatien, das Ungarische in vielen Begriffen der Alltagssprache erkennbar.

Es gab eine Zeit, beginnend mit der furchtbaren, schicksalsschweren Niederlage gegen die Türken bei Mohács 1526, in der das heutige Westungarn mit Sopron/Ödenburg, Mosonmagyaróvár (Wieselburg) und Györ (Raab) das einzige Gebiet war, das noch als "Ungarn" zu bezeichnen war. Der Rest war türkisch, und zwar bis 1683ff. 

Auch Siebenbürgen fiel zu jener Zeit sozusagen ab, und trotzte einerseits den Türken durch verwegene Gegenwehr (seit dem Herzog Vlad Tepes, oder Voyvoda, also "der Pfähler", das Vorbild für die im frühen 19. Jahrhundert vom Iren Brad Stoker erfundene Romangestalt des Grafen Dracula), anderseits durch kluge, clevere, ja manche mögen sagen: schlitzohrige Politik zwischen allen Mächten. Fürst Gabor Bethlen war einer der zähesten (und perfidesten) Gegner des Kaisers des Römischen Reiches.

Da war es Rabbs, oder Ödenburg, die das Zentrum von Ungarn waren. Und man sieht die Spuren dieser Stellung, diese Bedeutung als Zentrum für ein Königreich, im Stadtgefüge Soprons noch heute. Das in jenen Zeiten auch sehr reich war. Und Reichtum heißt immer: Befähigung und Ermächtigung zur Bewegung von Verbindlichkeiten und damit Kräften.

 


*311020*