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Freitag, 20. November 2020

Neulich im Autohaus

Aston Martin hat ein neues Auto in die Auslage gestellt. Bestellungen werden noch angenommen. Aber die Auflage ist mit achtundachtzig Wagen ziemlich limitiert. Also, werter Leser, überlegen Sie nicht zu lange! (Mehr Bilder dieses wunderschönen Automobils gibt's in der Kronen Zeitung.)

Wer so ein Gefährt kauft? Sicher keiner, der moniert, daß es da ja reinregnet ....

Für die Fahrt zum samstäglichen Einkaufen im Shopping-Center ist er nämlich wohl nicht gedacht. Der Superschlitten ist sicher eher ein Zweit- oder Drittwagen, den man nur bei Schönwetter aus der mit tausend Einbruchsicherungsanlagen samt Selbstschußapparaten im Berg versenkten Garage holt, auf dem das gewiß nicht NUR bauspar-finanzierte Eigenheim steht. 

Unterirdischer Direktzugang zum 8x23m Swimmingpool war eine der wenigen Auflagen an den Architekten. Und der bewährte sich auch. Vorausgesetzt, der Gärtner hat nicht wieder von innen zugeschlossen. Denn der ist gerne altmodisch, und an die neue Technik nicht zu gewöhnen. "Ig nix verdraue," meinte er immer.

Stelle sich nun der Leser also das Verkaufsgespräch vor. Ein Autohaus im Gewerbegelände des Heimatstädtchens, ein Verkäufer in C&A-Anzug und Schlips und obligater Bierfahne. Dazu ein Kunde in Badeschlappen und stonewashed Jeans, samt (s)einer Frau im zinnoberroten Schlüpferkleid, das nur knapp über Hüftlänge geschnitten ist.

Das Gespräch lief zu Anfang ja recht seltsam. Als sich der Käufer informieren ließ, und prompt wegen des (vom Verkäufer verschämt geflüsterten) Spritverbrauchs mäkelte ... "Pfauh! Na das ist aber ... Ich überlege echt ... 16,8 Liter. Pfauh, das ist schon viel. Ich meine, mein Golf braucht nur 3, das sind ja Welten! Und das bei sooo einem Wagen?!"

Der Verkäufer schien nun eigenartig berührt, das Gespräch lief nicht so, wie er es wollte, er mußte der Unterhaltung eine Wende geben. Er faßte sich also, und merkte nun mit blasiertem Ton in der Stimme an, daß er aber eine Unterschrift brauche, wenn der Käufer wirklich darauf bestehe, das Loch im Boden mit einem Deckel (vom Obi-Markt! auf was für Ideen die Leute kommen?!) zu schließen. Nein, da könne er keine Garantie geben, meinte er. Dennoch verschwand er kurz, und kam dann mit einer Preßluft-Tauchflasche samt Mundstück, Taucherbrille und Schnorchel zurück. 

"Was soll denn das," meinte der Kunde als er kurz aufsah, während er den Vertrag samt Sonderpassus unterschieb? 

"Nur so. Ich darf mir den Ratschlag erlauben," meinte er, während er den Champagner entkorkte, "daß Sie das ins Handschuhfach legen." Dann beugte er sich zum Kunden und raunte, schon recht launig, wegen der Wirkung des edlen Getränks, er hatte heute noch kaum etwas gegessen: "Geht aufs Haus." 

Daß er den Champagner meinte merkte der Kunde freilich erst drei Wochen später. Als er nämlich seine Kreditkartenabrechnung - ausnahmsweise einmal eingehender - studierte. 

"Schaatz," meinte er? "Drei Flaschen Wodka ... warst Du wieder bei der Pediküre? Moment, Moment, was ist denn ... hmm ... also ... Häää? Ach so, das ist der Wagen, ich erinnere mich wieder. Mooment, aber was ist denn das ...?" Nun sah er es. Anhängerkupplung. Da ging es ums Prinzip! Die rote Färbung in seinem Gesicht war gewiß nicht auf das tägliche Gabelfrühstück zurückzuführen, das er auch vorhin geschnieft hatte. ("Verdammt," hatte er dabei gedacht, "das Zeug hat enorm Kalorien.")

Tja, so kann man Kunden schwer vergraulen. Deshalb, an dieser Stelle, und der Leser weiß, wie sehr dem VdZ daran gelegen ist, daß für jeden etwas in diesen Ausführungen dabei ist, ein Tip für Verkäufer: Immer offen und ehrlich sagen, was Sache ist! Irgendwann kommt der Kunde sowieso drauf!

Aber so weit sind wir noch nicht. Also, Rückblende zum Autohaus. Apropos Autohaus. Die superblonde, von Silikon aufgeblasene Freundin des Käufers, eigenen Angaben nach ehemalige Miss Lettland 2003, war freilich schon dort etwas unzufrieden. 

"Ich weiß immer noch nicht," lispelte sie da immer wieder, sichtlich nervös, "wo ich DAAA Fifi hintun soll." Was soll man als Verkäufer da noch antworten? Noch ein Tip: In solchen Lagen schweigen. Vielleicht den Hund kraulen.

Die Stimmung drohte sogar schon zuvor einmal zu kippen, als der Kunde den Aufpreis für eine Anhängerkupplung gehört hatte. Aber da konnte der Verkäufer die dunklen Wolken noch vertreiben, indem er geisteshell reagierte. Der Kunde stieg auch sofort auf die angebotenen zehn Prozent Nachlaß für das Hakenteil ein. Offiziell wegen der Schweißarbeiten an der Karosserie. Wie? Ja! Das schlug sogar der Käufer vor. Die konnte doch der Verkäufer den Mechaniker in der Freizeit annieten lassen. 

"Dann spare ich die Mehrwertsteuer," flüsterte er in Richtung Blondine, und blinzelte mit einem Auge. 

"Ganz schön clever," meinte die. 

"Na sicher," hüstelte nun ihr Gatte. "Dem gibt er einen Zwanziger, und die Sache hat es sich. Und wir beide sind zufrieden." 

Na, wenn das nicht eine zweite Flasche Moet wert war? Wenn es paßt, dann paßt es einfach.

Der Verkäufer winkte dem Kunden lange nach, als dieser in seinem neuen Gefährt den Autohof verließ. Die Stimmung war da also wieder ziemlich o. k.

"Na," meinte der Chef, der nun erst hinzutrat? "Hat aber lange gedauert. Und zwei Flaschen ... ganz schön großzügig." 

"Ich zahl's eh," meinte sein Angestellter, während er heftig Luft ausstieß. "War diesmal Schwerarbeit. Zwei Stunden ... Wenn alle so zäh wären, würde ich mich beim Media Markt bewerben." 

"Nana, nicht übertreiben. Die haben auch nicht länger Mittagspause. Es ist jetzt halb fünf. Um drei warst Du noch nicht im Haus."

"Also ich möchte doch ..."

"Ich sag doch gar nix!" Der Chef hob beschwichtigend die Arme und duckte sich. "Aber es war da schon fünf nach."

"Wegen der paar Minuten ..."

"Ich sage ja nix! I dachte halt, Du kommst heute gar nicht mehr. Und da sind die sind schon zwei Stunden dagesessen. Er hat einen Wodka nach dem anderen runtergeschluckt, und sie ist nervös hin und her gerannt, weil dieses Vieh ständig pinkeln mußte ... Ich habe schon nicht mehr gewußt, wie ich die noch unterhalten soll. Renate war schon beim Lidl ein paar weitere Flaschen holen."

"Der Verkehr, weißt es eh. An der Kreuzung vorn steh ich regelmäßig fünf Minuten. Naja, kam ja noch zeitig genug, oder? Aber ich dachte dann, die gehen überhaupt nicht mehr ..." Er legte nun den Finger an die Nase. Das waren meist die Zeiten, wo er philosophisch wurde, wer ihn näher kannte wußte und liebt das an ihm. Auch diesmal war es so. "Ich frage mich manchmal, in was für Zeiten wir leben. Die Leut glauben, ein Verkäufer hat ewig Zeit! Kaufen ein Auto, und den Verkäufer obendrein, so ungefähr. Schlimm heute. Totaler Kulturverfall." 

"Nanana, nicht gleich so schwarz sehen. Ich sage doch immer: Dran bleiben, das zahlt sich aus! Sie drücken doch erst immer ein wenig herum. Da ist es dann wichtig, nicht aufzugeben. Frage - Argument mit Vorhand. Frage - Argument mit Rückhand. Frage - scharf angeschnitten, unerreichbar an die Kante und Punkt. Übrigens: Die Idee mit dem Stöpsel hat den Ausschlag gegeben, ich bin mir sicher. Muß ich mir merken." 

"Aber, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Mit Metallisée-Lackierung wäre er leichter zu verkaufen. Wegen dem Regen und so."

"Ich verspreche ihnen da immer eine Pelerine dazu. Gratis. Manchmal zieht's."

"Hmm, auch gut. Das macht das Kraut auch nimmer fett, und die Leute sind beruhigt." 

"Ich werde das mit der Lackierungsvariante an Aston Martin weiterleiten," fügte der Herr und Gebieter nun hinzu. Dann eilte er zu seinem Schreibtisch, kam alsbald zurück, und zeigte dem Angestellten stolz den Entwurf zu einem Prospekt. Das sollte den Verkauf für den edlen Schlitten so richtig ankurbeln. "Frisch von der Werbeagentur. Was sagst Du? Geht nächste Woche an alle Haushalte im Großraum Pforzheim-Dinkelrohde. Bin gespannt ..." 

"Hmm, nicht schlecht. Ein paar werden schon hängenbleiben," nickte sein Bediensteter. 

"Sicher! Beim Rolls war es ja auch so." 

"Na gut, aber da hatten wir die Aktion mit der Sporttasche, erinnerst Du Dich? Das war es. Das hat gezogen." 

"Da, lies doch genauer! Da unten, steht doch drauf!?" Er nahm das Papier dem Verkäufer aus der Hand, schob die Brille auf die Stirn, suchte, fand. "Siehst Du, da!" Er zeigte mit dem kleinen Finger. "Diesmal habe ich ein Manikürzeug in der Aktion. Ein Wagen - drei Manikürzeuge. Gratis drauf. Vater-Mutter-Kind. Weißt ja, die Schwaben sind immer ein bissel konservativ." 

Nun studierte auch der Verkäufer den Entwurf genauer. "Ah da, richtig ... Pfauh, die werden uns die Türe eintreten." Er stand auf, und ordnete nun seinen Schreibtisch. Es wurde ja bald sechs. Als er die Papiere einordnete, überflog er den Kaufvertrag von vorhin noch einmal. Da bemerkte er etwas. "Oh Sch... statt 890.000 habe ich 980.000 hingeschrieben." 

"Wie?" Sein Chef sprang auf, stellte sich hinter ihn und blickte über seine Schulter. "Ah ja ... Eleganter Ziffernsturz, würde ich sagen. Mach Dir nichts draus, das kann in der Eile vorkommen, ist mir auch schon passiert." Er klopfte seinem Mann tröstend auf die Schulter, bis er sichtlich einen Einfall hatte. Er starrte vor sich hin, und überlegte ein paar Sekunden. Dann kam er heraus. 

"Hat er was gemerkt?" 

Der Verkäufer schüttelte den Kopf.

"Warten wir, ob er es merkt. Soll von selber kommen. Noch ein Glas?" In der Wodkaflasche war noch etwas drin.

"Nur ein zwei Gläser, höchstens. Muß noch fahren."

"Alles klar. Mehr ist eh nimmer da. War viel los heute."


*131020*