Teil 3) Ein Paradigmenwechsel mit schweren Folgen
Diese Realität, die wir im Glauben bekennen, hat aber eine strenge Grammatik. Die besser zu hören dienen vor allem jene Grenzen, die das Papstamt setzte, indem es das ausschied, was sicher NICHT dazugehörte. Ansonsten aber konnte sich jeder innerhalb dieses Glaubensgutes bewegen, wie es ihm quasi beliebte.
Auf die Grenzen zu verzichten bedeutet aber etwas ganz Schwerwiegendes: Das Wissen um diese innere Grammatik der Wahrheit geht mit der Zeit verloren. Der nun einsetzende Versuch einer positivistischen Rekonstruktion durch Festlegung der Wahrheit in Wahrheitssätzen hat schwerwiegende Konsequenzen: Das Katholische wird von einem System der Freiheit und Weite zu einem System der beschränkten Ideologie.
Weil ein Disput vor allem keine moralischen Kategorien kennt, die auf derselben Ebene wie er selber liegen. Das heißt, daß Glaubensfragen im Grunde auf logischer Ebene alleine (!) nicht zu entscheiden sind, wenngleich sie niemals unlogisch und widersprüchlich sein können.
Dem Disput über theologische Fragen steht also jedes Tor offen, mißbraucht und Opfer von Äquivokation, Scheinlogik und der Lüge des Schizoiden zu werden. Dementsprechend blieb eines: Immer mehr wurde das Katholische überhaupt dem Irrationalen überantwortet.
Erlaube der Leser einen Querverweis: Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, hat die Entwicklung des "Wissens" (in der sich nun als solche formierenden "Wissenschaft") eine ganz analoge, parallele Entwicklung genommen! Auch hier wurde in ihrer kulturellen Bedeutung Wissenschaft zu einer Ideologieformulierung. Man sehe sich doch die gegenwärtigen Dispute um Klima und Corona, aber auch um Themen wie Schöpfung/Evolution oder Kosmologie an.
Ja, die gesamte Bildung einer sogenannten Weltanschauung der Gegenwart unterliegt haargenau demselben Problem, das hier an der Kirche sichtbar gemacht wurde. Wir sehen hier dogmatische Konflikte, keine wissenschaftlichen Auseinandersetzungen.
Die Folge war eine immer vollständigere Aushebelung des individuellen Urteilsvermögens. Was denn nun katholisch sei, was zu tun und zu lassen sei, fiel zwar einerseits mehr und mehr in die Hand der Obrigkeit, denn es gab kein verbindliches Urteil mehr. Die Kirche, der Papst beanspruchte für sich lediglich noch, so wie jeder nur zu denken.
"Nach dem Zweiten Vatikanum," so Greenhorn, "sieht es ganz anders (als zuvor; Anm.) aus. Seit dem Konzil fungiert der Papst in seinen Enzykliken nicht als Herrscher oder Lehrer, sondern als Akademiker, der versucht, eine These zu unterstützen: Das Zweite Vatikanische Konzil. [...]
Wann immer nun die Entscheidung ansteht, die Kirche oder die Konzilsväter zu zitieren, wählen die Päpste die Konzilsväter. Die vage, unbestimmte Autorität von Enzykliken ist hervorragend für die vage und widersprüchliche Natur der damaligen päpstlichen Lehre geeignet. Man merkt sofort, daß moderne Enzykliken nicht von Männern geschrieben wurden, die sich als Repräsentanten der Kirche verstehen. Das päpstliche "Nein" wird durch das "Ego" ersetzt."
"Das ist bereits bei Johannes Paul II. erkennbar, von dem so vieles geschrieben wurde, so Greenhorn weiter, das nichts als ein Versuch ist, die Lehre der Kirche in die kantische Ethik zu übertragen. Es gibt keinen Grund, dies außerhalb der intellektuellen Zufriedenheit zu versuchen. Die neunundneunzig Prozent der Katholiken, die keine Ahnung haben, was Kantsche Ethik bedeutet, haben weitgehend unlesbare und meist stumpfe Bücher vor sich liegen, die wenig oder gar keine Bekehrungskraft haben."
Aber die bisher schlimmste Form dieses Intellektualismus findet sich nun in den Enzykliken von Papst Franziskus. In seiner jüngsten Enzyklika findet sich schon rein gar nichts mehr, was sich in ein wirksames Gesetz oder sogar in ein umsetzbares moralisches Prinzip verwandeln ließe. Es ist einfach ein persönliches Grübeln darüber, wie sich der Papst gerne die Welt vorstellte.
Er nimmt damit aber nicht mehr die Rolle eines Papstes ein. Das ist die Rolle eines Ideologen.
Sämtliche der letzten drei Päpste waren keine Führer mehr. Alle drei überwachten lediglich einen beispiellosen institutionellen Zusammenbruch. Sie waren schwache Führer und schlechte Gouverneure, die nicht führen wollten oder konnten. Stattdessen taten sie alles eine moralische Atmosphäre zu schaffen, in der sie nicht mehr als oberster Hirte weil Papst auftreten mußten. Die Päpste des 19. Jahrhunderts waren lange im Clinch mit dem Staat. Die Päpste unserer Zeit sind es mit ihrer eigenen Institution.
Selbstgefühl der Schwäche und Unterlegenheit - Das Katholische als Inklusivismus
*141020*
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