Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 7. November 2020

Wider Enzykliken (4)

 Teil 4) Wie das Katholische zur Ideologie wurde
Aus einer Ideologie aber folgt Totalitarismus

Nun geschieht aber Folgendes, und dem Leser wird nun vielleicht klarer, warum der Anfang den Inclusivismus aufs Spielbrett holte: Dieses Selbstgefühl der Schwäche ist notwendige Konsequenz des Verzichts auf jene männliche Vernunft, die sich nicht selbst von der intellektuellen Rechtfertigung abhängig macht, sondern diese zwar liefern kann wenn sie möchte, aber um die prinzipielle Problematik des Intellektualismus weiß: Der eine prinzipiell andere Sphäre mit Mitteln beweisen soll, die gar nicht dieser Ebene zugehören. 

In den Augen dieser Welt ist die Kirche, ist der Glaube "unterlegen". Aber eben nur in den Augen DIESER Welt! Nicht in den Augen Gottes, nicht in den Augen der Wirklichkeit. Die mangelnde Selbstverfügung, die man mit dem Schritt in den Wettbewerb alleine innerhalb der Mittel dieser Welt ausgelöst hat, hat den Verlust des Selbstwerts bewirkt. Was nun einsetzte ist exakt das, was mit dem Inclusivismus des Inders beschrieben wurde.**** 

Man hat, mit den Worten von Abszessium Kuhschneider formuliert, diesem weltweit berühmten Bänkelsänger aus dem Inneren Allgäu, mit dem Zweiten Vatikanum auf die allumfassende Wirklichkeit und Macht verzichtet, um sich der Welt "verständlich" zu machen. Man hat den Ferrari in der Garage gelassen, um mit dem Tretroller um die Wette fahren zu können. Den der andere nicht als Seinsmangel fährt, sondern der fortan der Maßstab der Fortbewegung sein soll. Man hat dieses unendliche Licht des Glaubens und der Wahrheit ausgeklammert, um fortan mit dem beschränkten Verstand des Nichtgläubigen zu denken. 

Die Folge ist, daß sich das gesamte katholische Denken in Widersprüche zu verheddern beginnt. Aus dem unendlichen Wahrheitsgebäude wurde ein irrationales Gefühlsgelände. Von dem nun (weil es keine Grenzen mehr kennt weil scheinbar hat) behauptet wird, daß es "alles" enthält, was in der Welt der Fall ist (um einen Satz von Wittgenstein zu mißbrauchen). 

Fortan war die Kirche mehr und mehr nur noch bemüht der Welt zu beweisen, daß sie in ihren Kategorien denken und handeln konnte. Mit der unausbleiblichen Folge, daß sie auch die Kriterien der Welt aufzugreifen begann, ohne deren wirkliche Wirklichkeitsrelevanz noch beurteilen zu können. Was nach sich zieht, daß dieses Bestehen-können vor der Welt von dieser selbst abhängig wird: Die weltliche Instanz wird für die Kirche, die auf jede Kohärenz und Widerspruchsfreiheit in ihrer Lehre verzichtet, bindend.³

Daß dabei die katholische Soziallehre beispiellos verzerrt wird kann nicht ausbleiben. Diese hat sich von einem befreienden Regelsystem in ein System von schwerfälligem Emotionalismus und theoretischer Inkohärenz verwandelt. 

Die Rolle der katholischen Soziallehre bestand nie darin, eine politische Plattform oder Ideologie vorzuschreiben. Sie wollte nie mehr als die Grenzen festlegen, außerhalb derer der gefallene Mensch in geistigen Verfall geraten würde. Dazu mußte sich der Mensch seiner Rolle in der Politik ermächtigen und sie mit katholischem Blut durchdringen. 

Hier sind die Grenzen, das soll uns die katholische Soziallehre dabei sagen. Aber innerhalb dieser Grenzen bist Du frei. Diese Grenzen SCHAFFT aber nicht die Kirche, sondern sie weist nur darauf hin. Die Kirche schafft nicht die Wahrheit. Die Wahrheit schuf die Kirche! Heute aber erlebt der katholische Denker eine Kirche, in der das Denken abgelehnt wird. Weil der Klerus in eine Atmosphäre führen will, die er selbst schafft. Und zu der er sogar zwingt. 

Das ist totalitär!

Alle, die nicht mit dem Geist des Papstes, mit der Atmosphäre, die er geschaffen hat, übereinstimmen, werden immer eingeschüchterter. Und warten wie furchtsame kleine Parteifunktionäre von Jahr zu Jahr mehr, welches Denkverbot mit einer jederzeit verkündbaren neuen Anweisung von oben kommen könnte. Noch nie (!) hatten deshalb päpstliche Verkündigungen dermaßen großes Gewicht wie heute.

Das hat zu Schizophrenie und immer unüberschaubareren, zahlreicheren De-facto-Schismen in der Kirche geführt. Denn da stehen auf der einen Seite jene, die an der modernen Atmosphäre festhalten, und auf der anderen Seite die, die nach den alten Regeln leben wollen, die die Kirche zwei Jahrtausende vertreten hat. 

Mit der unausbleiblichen Folge, daß diese Verwirrung auch den Papst selbst erfaßt, der diese Widersprüche zumindest ahnt, aber nicht mehr auflösen kann. Was er mit Leutseligkeit zu versöhnen bzw. zu überspielen trachtet. 

Ich kann Laien nur empfehlen, schreibt Richard Greenhorn abschließend, dieses Spiel nicht mitzuspielen. [...] Wir schulden den Päpsten Respekt. Sie aber schulden uns Kohärenz.

Ein kleiner Tip für die alltägliche Praxis: Stelle sich der Leser vor, er wäre Analphabet. Oder taubstumm. Oder beides. Dann versuche er sich vorzustellen, welche Rolle der Papst nun in seinem Glaubensleben spielte. Vielleicht findet er so eine Position, mit der es sich als Katholik leben läßt. Zu der er jedenfalls keine weiteren Enzykliken - schon gar nicht solche wie Laudato Si und Fratelli tutti - braucht. Und da gehen wir mit den Sichtweisen des Greenhorns völlig d'accord.


³In seinem Begriff vom "Wirken des Heiligen Geistes" hat Franziskus sogar explizit das Vernunftauflösende, das jede Widersprüchlichkeit in Atmosphäre, in Gefühl auflöst, zum expliziten Moment dieses Wirkens erhoben.

****Also sollte sich der Leser Fratelli Tutti einmal unter dem Gesichtspunkt des Inclusivismus lesen. Dann wird ihm der Aufruf zur Geschwisterlichkeit und Interreligiosität, den er dort findet, in ganz neuem Sinn aufscheinen.


*141020*
Unterstützen Sie dieses Blog!