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Mittwoch, 16. Dezember 2020

Bub, was scheint Dir da bewundernswert?

Wissen das die Schweizer? Wissen die, wie fragwürdig so manches an dem ist, was sie so hoch und heilig halten. Mein Gott, wenn man da erst anfinge, konkreter zu werden, denn da würde vielleicht jene Wurzel als faules Gift auffallen, aus dem ein Land sich so stolz zu nähren vorgibt.

Dann fiele sogar das Denkmal in Altdorf in eine ganz andere Kategorie - der der Schandmäler. Denn aus Wilhelm Tell, diesem angeblichen Kämpfer für Freiheit und Recht, würde dann ein Meuchelmörder, Anarchist und linker Chaot. Mit einem Charakter, der eine gewisse Nähe zu ADHS, noch mehr aber zu schwerem Narzißmus nicht abstreiten kann.

Denn SO hat kein Ehrenmann, also kein "Mann" gekämpft, der der Bewunderung der Söhne und Töchter wert gewesen wäre. Und auf eine Revolution als Gründungsmythos kann ein Volk sich schon gar nicht berufen. Selbst wenn das die Amerikaner im 18. Jahrhundert ebenfalls versucht haben.

Allein die Armbrust, die Tell im Denkmal so stolz schultert, während ihn (vermutlich) sein Söhnchen, stellvertretend für die Zukunft, die Maß an der Vergangenheit nimmt, bewundernd anhimmelt. Sie war unter Ehrenmännern schwer verpönt, weil ein Instrument des Feigen, des Meuchlers, des heimtückischen Mörders. 

Der Ehrenmann kämpfte nur mit offener Ansage und klaren Regeln, und vermied jede tückische List wie ein Geschoß, das man nicht sah und hörte, sondern das auf weite Distanz hin sogar tödlich war. Er überfiel den Gegner nicht nachts und aus den Büschen heraus, nachdem er ihn in einen Hinterhalt gelockt hatte.

Die Kirche hat die Armbrust deshalb zu Tells Zeit geächtet. Nicht einmal den Bogen konnte der Ehrenmann und Christ achten. Diesen Waffen war gemein, daß sie lautlos, unsichtbar und unheimlich schnell daher kamen, sodaß man sich nicht direkt dagegen wehren konnte. 

Solche Waffen waren höchstens gegen Heiden gestattet, die solche Bedenken nicht kannten. Sodaß ihnen gegenüber die christliche Moral naiv gewesen und einer Selbstaufgabe gleichgekommen wäre. So war es ein Gebot der Klugheit, die Gleichwertigkeit der Mittel herzustellen. 

Der Krieg wurde aber von nun an in dem Maß technischer, technizistischer, unkultivierter, brutaler und - ja, auch das! - unkultivierter und damit inhumaner, als sich solche Waffen und Kampftechniken durchsetzten. Und dazu haben die Schweizer viel beigetragen. 

Die Heere ab dem 14. Jahrhundert brauchten nur noch Geld, um jede Menge Männer zu bezahlen. Und Manufakturen, die billige Waffen in hohen Stückzahlen herstellen konnten. Die von den Großkapitalisten natürlich gerne eingesetzt wurden, weil anstelle von Rittern und Ehrenmännern nun jede Menge Spießgesellen und Menschen von niederstem Stand, ohne Bildung und Form genügten. 

Sie mußten vor allem niedrig genug sein, um für Geld ihre Haut zu Markte zu tragen. Weil sie ohnehin kein soziales Umfeld hatten, in dem Heimat, Ruhm und Ehre eine Rolle spielten. Die so aber die Chance hatten, "etwas zu werden". 

Die sogenannte Befreiung der Schweiz durch ihre eigenen Bürger war ein militärtaktischer Kulturbruch. Plötzlich zählte nur noch das Ziel, der Sieg, egal mit welchen Mitteln erfochten. Der Effekt zählte, nicht die Ehre, die Moral. 
Fortan wurden die Schlachtfelder Europas von Heeren und Feldherren beherrscht, die alle Mittel einsetzten, ohne daß es noch auf den Mann ankam. Der war ersetzbar, weil die Technik, die Maschine dominierte, der war nur noch ein mathematisches Kalkül. Der Logistiker, der Mathematiker begann als Feld- und Kriegsherr zu dominieren, und verdrängte den Mann hoher Kultur und Religion. 
Der sich noch von der Kirche etwas sagen lassen mußte, weil er sonst keine Chance hatte, sich zu behaupten und den Gehorsam seiner Kämpfer verlor. Wallenstein-Typen kamen nach oben, die wußten, wo man welche Mittel auftrieb, egal auf welchen Wegen, und der hatte einen Vorteil, der am skrupellosesten vorging, und die mit Gewalt die Kämpfenden nach vorne peitschten.  
Bis zu jenen Schlachtformationen, in denen nur noch die Statistik und die Zermürbungstaktik gewinnen konnte. Die schließlich in Napoleon ihren letzten Dammbruch erlebte, den zum totalen Krieg ganzer Völker gegen ganze Völker. 
Wo es nun darauf ankam, ein Volk auszulöschen, denn eher war so ein Krieg nicht als beendet anzusehen. Weil er sich nicht mehr am Schlachtfeld entschied, sondern in jedem Bürger fortlebte. Also war der Kampfgeist in jedem einzelnen Bürger auszutreten. Wir haben speziell in und nach den letzten Jahren des Krieges 1939 bis 1945 so furchtbar erfahren, was das heißt.

Und mittendrin - die Schweizer. Die, weil das Land seine Bürger jahrhundertelang kaum ernähren konnte, europaweit gesuchte Söldner stellten*. Weil die besonders skrupellos und damit "kampfstark" waren. Denen erst in der Neuzeit die Puste ausging, weil es immer mehr wirklich um Massen von Soldaten ging, und da konnte diese kleine Schweiz einfach nicht mehr mithalten.

Kann man auf solche Idole von Freiheit, Schönheit und Größe wirklich stolz sein, ohne selbst in Niedrigkeit zu fallen? Ist damit das Schweizerische in seiner schlimmsten Seite, der biederen Gier und Geldgierigkeit, gar nicht zufällig der Boden des Calvinismus (und dessen noch gespenstischerer Tochter, dem Puritanismus) gewesen?

Ach, wenn man alle diese Dinge so fortdenkt ... es könnt einem gar schummerig werden im Kopfe. Und erst recht im Herzen. Da denken wir uns deshalb die Wurzel der Schweiz rasch anders, und machen einen schönen, edel klingenden Mythos daraus. Dem wir vielleicht aber, bitte schön, ein anderes Denkmal meißeln sollten. Eines ohne die Tücke und feige List als Ideal. Mit einem langen Schwert, das ein Mann führt, der das Kind lehrt, daß nur ein ewiges Ziel das Leben zum Leben macht. Weil es sonst ein Vegetieren ist, das nicht verlohnt.

Aber auch das gehörte eben zum "langen 13. Jahrhundert." In dem die abendländische Kultur um- und in der Folge niederbrach.



*Und Gastarbeiter, die in die Ferne gingen. Noch in den 1960er Jahren hat der VdZ erlebt, daß man in den Bauernhöfen Niederösterreichs den Stallknecht generell "Schweizer" nannte. So, wie man zu jedem Orangensaft "Cappy" sagt. 

 
 

*121220*