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Mittwoch, 9. Dezember 2020

Schlichtes Sein. Das ist wahre Macht.

Gedanken zum Tag "Maria Empfängnis": Mitten hinein in ein Jahrhundert, in dem sich die Weichen dieser Kultur bereits in den Abgrund der Nichtung, der Auflösung aller Grundlagen und Fundamente gestellt hatten, kam 1854 die Verkündigung des Dogmas der "Ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau", der "Unbefleckten Empfängnis." Das vier Jahre später durch die Erscheinung in Lourdes, wo sich die Gottesmutter dem einfachen Hirtenmädchen Bernadette Soubirous in achtzehn sehr gut bezeugten und von zahlreichen Wundern umkränzten Ereignissen zeigte. 

Mitten hinein in eine Auffassung der Welt, in der diese in Funktionen aufgelöst wurde, kam eine einfache Seinsbotschaft: Ich BIN. Nicht Ich kann. Nicht ich werde tun. Nicht ich mache. Nein. Ich BIN. 

Während rundum in der Französischen Revolution ein völlig neues Gesellschafts- und Menschheitskonzept konstruiert wurde. Mit der Soziologie, die von Auguste Comte ihr erstes Theoriegerüst erhielt, wurde die Menschheit gemäß der Auffassung eines Priesters, des Abbé Emmanuel Sieyès, Dompropst von Chartres, neu aufgefaßt und umgestaltet. Dessen Schrift "Abhandlung über die Privilegien - Was ist der dritte Stand?" die menschliche Gesellschaft gleich welcher Gestalt als Maschine, als Mechanismus verstanden wissen wollte. 

Nicht mehr das Sein, nicht mehr die Ordnung in Gott war fortan das Entscheidende, sondern die Erfüllung von Funktionen. WER diese erfüllte war nun gleichgültig. Genau das glauben wir heute, oder sagen wir besser: Wollen wir glauben, weil wir auch glauben das zu sollen. Damit wurde die Sichtweise des Abendlandes, die dieses überhaupt grundgelegt hatte, die Thomas von Aquin im Satz "Agere sequitur esse - Das Handeln folgt dem Sein," ja setzt dieses voraus, so präzise formuliert und in den Strom des wahren Denkens gestellt hat. 

Auch der dritte Stand war also in der Lage, das Insgesamt einer Gesellschaft abzubilden, zu repräsentieren. Man brauchte keinen König, man brauchte keinen Adel, keinen Klerus. Keine Kirche, keine Standeselite. Man brauchte nur Funktionsträger, und wer immer das sein wollte, sollte und konnte es sein.

Dabei versuchte Comtes "nur", ein neues Idealbild einer Gesellschaft zu rekonstruieren, das ohne die bisherigen Begriffe und Ordnungen auskam. Er versuchte es mit den Mitteln, die ihm nach der Aufklärung noch verblieben - einem zu Sand verdorrten, in zwei Dimensionen gefangenen, reduzierten Geist, der als "Ratio" die Welt gar nicht mehr fassen konnte. Und die eigene Erfahrung des Scheiterns zum Gemeinplatz machte. Denn auf Funktionen aufgelöst bleibt gar keine Gesellschaft mehr.

Aber das war Tor wie Startschuß zur Französischen Revolution. Der in der amerikanischen Revolution 1776 bereits das Vorbild geliefert wurde, und allen nun folgenden sogenannten bürgerlichen Revolutionen in Europa und der Welt Vorbild wurde. Und damit der Kultur den Todesstoß versetzte, weil ihre Fundamente zerstörte. 

Die im deutschen Raum mit der Romantik und deren verzweifeltem Schatten, dem Biedermeier, noch einmal um Leben gerungen hatte, bis ihr durch die Revolutionen von 1848 das Licht ausgeblasen wurde. 

Zehn Jahre später, 1858, kam Maria mit dieser einfachen Botschaft. "Ich bin die Unbefleckte Empfängnis!" 
Sie WAR etwas. Und sie war das Einfachste, das man sich vorstellen konnte. Ein in Funktionsbegriffen definiert machtloses, schlichtes Mädchen. Aber genau dieses hat Gottes Schöpfung repräsentiert. Indem es sich nicht in Funktionen erhob, sondern nur WAR. Nur ist. Und nicht nach oben greift. 

Nur schlichtes Sein, nicht protziges Machen. Nicht "Talent", sondern Stand und Ort als Erfüllungsmedium. Aufgeschlossen mit den beiden Schlüsseln - Berufung und Gehorsam. 
Das ist wahre Macht. Weil es das Tor ist, durch das Gott in der Welt wirkt und repräsentiert wird. Gott sucht nicht Funktion. Er sucht Seinsoffenheit und demütiges Annehmen wie Repräsentieren dessen, wohin man gestellt ist. Genau damit repräsentiert also ein Mensch die Menschheit selbst. Individuation, die sich im Ort und in der Schickung zur Welt wirklicht.
Diesem Sein in der Welt, diesem schlichten Mädchensein, hat Gott die höchste Aufgabe zugedacht, die dem Menschen möglich ist: Jene Materia zu sein, ähnlich der Erde, aus der Gott im Anfang Adam schuf, in die Gott selbst sich durch den Geist - und im Geist, denn Maria war voller Gnade, also voll Gottes Geist, und dazu muß sie ohne Erbsünde gewesen sein - hineinzeugt.*



*Wir können hier durchaus den Bezug zu den in fast allen Völkern bestehenden Mythen herstellen, in denen Gott - Iospater (Jupiter), wie bei den Griechen und den Römern - einer irdischen Frau sexuell begegnete, und einen Sohn zeugte. Ziehen wir hier noch eine Linie zu Mythen, wie sie das alte Ägypten aufweist, in denen nämlich der Pharao als Repräsentant (und Sohn) Gottes (diesem also gleich oder ähnlich, als Abbild vom Urbild) nur mit "seinesgleichen", also nicht mit einer unreinen (rein irdischen) Frau Nachkommen zeugen konnte. 

Was übrigens zur legendären Geschwister-Ehe führte, die sogar noch bei den römischen Kaisern eine (geistige) Rolle spielte. Denn ein Gott braucht die vollkommene Reinheit. So gut wie jedes Herrschergeschlecht beruft sich deshalb auf seine göttliche Abstammung. In der Gott sich mit einer Frau vereinte. Kein Mythos aber kann letztendlich das Problem der Reinheit lösen. Er ahnt aber seinen Sachverhalt.

In dieser Vollkommenheit - damit Schönheit: TOTA PULCHRA EST MARIA - ist auch der Bezug der Genesis zu verstehen, die Eva aus der Seite des vollkommenen Abbildes Gottes, aus der Rippe Adams, nimmt.



*081220*